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ZEITSCHRIFT
FÜR
ÄGYPTISCHE SPRACHE
UND
ALTERTUMSKUNDE
MIT UNTERSTÜTZUNG DER KÖNIGLICH SÄCHSISCHEN GESELLSCHAFT DER WISSENSCHAFTEN
HERAUSGEGEBEN VON
GEORG STEINDORFF
VIERUNDFÜNFZIGSTER BAND
MIT 31 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 4 TAFELN
LEIPZIG
J. C. HINRICHS'sche BUCHHANDLUNG
1918
Die »Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde
wurde begründet 1863 von Heinrich Brügsch und herausgegeben von :
C. R. Lepsius mit H. Brugsch 1864 — 1880,
C. R. Lepsus mit H. Brugsch, A. Erman, L. Stern 1881 — 1884,
H. Brugsch und L. Stern 1885 — 1888,
H. Brugsch und A. Erman 1889 — 1893,
H. Brugsch und A. Erman mit G. Steindorff 1894,
A. Erman und G. Steindorff 1895 — 1906,
G. Steindorff seit 1907.
Inhalt des 54. Bandes.
Seite
Bonnet, IL Die Königshaube (mit 8 Abbildungen) 79 — 86
Leeutr, G. ran der. External Soul. Schutzgeist und der ägyptische Ka 57 — 64
Sethe, K. Zur Komposition des Totenbuchspruches für das Herbeibringen der Fähre (Kap. 99.
Einleitung) 1 — 15
— Ein altägyptischer Fingerzählreim 16 — 39
— Das Pronomen 1. sing, n-nk und die Eingangsworte zum 17. Kapitel des Totenbuches . 40 — 49
— Die angeblichen Schmiede des Horus von Edfu 50 — 54
— Zum Inzest des Snefru 54 — 56
— Zum partizipialen Ursprung der Suffixkonjugation 98 — 103
— Die Bedeutung der Konsonantenverdoppelung im Sahidischen und die Andeutung des « durch
den übergesetzten Strich 129 — 131
Spiegelberg, TT. Ein Heiligtum des Gottes Chnum von Elephantine in der thebanischen Toten-
stadt (mit 1 Abbildung) 64—67
— Die Darstellung des Alters in der älteren ägyptischen Kunst vor dem Mittleren Reich (mit
1 Tafel und 7 Abbildungen) 67 — 73
— Eine Bronzestatuette des Ainon (mit 1 Tafel und 1 Abbildung) 74 — 7(i
— Der Maler Heje 77 — 79
— Eine Totenliturgie der Ptolemäerzeit 86 — 92
— Der demotische Papyrus der Stadtbibliothek Frankfurt a. M. (Ein Ehevertrag) Mit einem
juristischen Beitrag von Joseph Partsch (mit 1 Tafel) 93 — 98
— Der ägyptische Possessivartikel 104 — 110
— Demotische Kleinigkeiten (mit 1 Tafel und 14 Schriftbildern) 111 — 128
— Tricvxyva-i; 128—129
— Koptische Kleinigkeiten 131 — 135
Miszellen :
Möller, G. Drei Thuerisiiguren des Berliner Museums 138 — 139
Schäfer, H. Tretmaschinen zur Bewässerung im alten Ägypten 140 — 141
Sethe, K. ( /? c± \nö-t. Xanie des Steinbockweibchens 136 — 13^
— Die sogenannten Xilgötter mit den Wappenpflanzen der beiden Länder 138
Spiegelberg, W. Das Heiligtum der zwei Brüder in Oxyrhynchus 140
Nachruf. Adolf Rost 142 — 143
Erschienene Schriften 143 — 146
[54. Band.] K. Sethe: Der Totenbuchspruch für das Herbeibringen der Fahre.
Zur Komposition des Totenbuchspruches für das Herbeibringen
der Fähre (Kap. 99. Einleitung).
Von Kurt Sethe.
Der von Grapow in den Urkunden des ägypt. Alt. V 145 — 1801 veröffent-
lichte und damit erst der wissenschaftlichen Untersuchung eröffnete Totenbuch-
text2, der den Titel »Spruch für das Herbeibringen der Fähre« trägt, besteht
aus verschiedenen, sich deutlich voneinander scheidenden bzw. gegeneinander
abgrenzenden Bestandteilen, die voraussichtlich ursprünglich einmal selbständig
oder wenigstens voneinander getrennt bestanden haben werden.
Der Text liegt uns in 3 Handschriften des Mittleren Reiches vor, deren
zeitliches Verhältnis sich aus der Gestalt, die das berühmte 17. Kapitel des
Totenbuches in ihnen hat3, klar ergibt.
B (Har-hotep), spätestens der 11. Dynastie auch nach der Orthographie zu-
zuweisen.
C (Sat-ebiastet), durch den gleichaltrigen Sarg des nach Sesostris I. benannten
O^ DU (abgekürzt ® DU) in die 12. Dynastie datiert.
D (Berliner Sarg des Mentu-hotep), nicht genau datierbar, aber nach Toten-
buch 17 sicher um ein beträchtliches jünger als C.
Von einer vierten Handschrift I sind nur kleinste Bruchstücke des Textes
erhalten; sie kommt für uns kaum in Betracht Da auch C den Text nur zum
Teil und von vielen Lücken unterbrochen enthält, sind wir im wesentlichen
auf die beiden Handschriften B und D angewiesen.
Für das Neue Reich liegt uns nur eine Abschrift Pb vor, nach der Naville
den Text als Einleitung zu Kapitel 99 publiziert hat. Sie zeigt den Text im
allgemeinen in einem geradezu unglaublichen Zustande der Verwahrlosung und
bricht zudem mitten im Texte, in Abschnitt 9, ab. An einer Stelle weist sie
auch statt zweier fehlender Worte den Vermerk f^f\ td 9mJ w$r »zerstört ge-
funden« auf, der ausdrücklich den schlechten Erhaltungs- oder Überlieferungs-
zustand ihrer Vorlage bezeugt4. Anderseits finden sich an manchen Stellen
aber auch Anzeichen dafür, daß der N.-R.-Text auf eine Version des M.-R.-
:) Im folgenden einfach nach Seiten- und Zeilenziffern zitiert. — 2) Die folgenden Aus-
einandersetzungen, die auf Grapow's Arbeit fußend über sie hinauszuführen suchen, sollen deren
Verdienste natürlich in keiner Weise schmälern. — :!) Hierüber gedenke ich später einmal be-
sonders zu handeln.
4) 158,1/2 statt der Worte i — . i^l-^r^. des alten Textes 156,3/4: von Grapow verkannt.
Zeitschr. f. Ägypt. Spr., 54. Band. I
K. Sethe: I)<t Totenbuchspruch für das Herbeibringen der Fähre. |54. Band.
Textes zurückgeht, die stellenweise besser war, als die uns vorliegende, so
/. B. in Abschnitt 5 (S. 4) und 8 (S. 6 Anm. 1).
Vier Teile sind es, in die sich der Spruch noch deutlich zu scheiden
scheint. Sie mögen liier durch die römischen Ziffern I— IV bezeichnet werden1.
'Ö'
I (Abschnitt 1).
Den Anfang macht eine kurze, den Gegenstand des ganzen Spruches ei-
gentlich schon völlig erschöpfende Anrufung an den »Fährmann« (mhntj), ohne
Nennung des Namens (Abschnitt 1). Nach dem Gebrauch der Pyramiden-
texte wird er vom Toten aufgefordert, ihm »dieses«, d. i. sein Schiff, herbei-
zubringen: I) jj/vw^ ^\ »bring mir dies«2. Der mit mythologischen Anspielun-
gen auf den Kampf zwischen Horus und Seth auf der Ostseite des Himmels (d. h.
dort, wohin die Reise des Toten gehen soll) versehene Text stellt, wie das
schon Grapow richtig gesehen hat, die jüngere Version eines uns in den Py-
ramidentexten in zwei Varianten (Pyr. 594. 946) erhaltenen Fährmannspruches
dar, der dort beidemal gleichfalls als Einleitung eines längeren, mit unserem
Totenbuchtext aber nicht identischen Spruches verwendet erscheint.
II (Abschnitt 2-6).
Hierauf folgt in den Abschnitten 2—6 eine Reihe von Wechselreden
zwischen dem gleichfalls aus den Pyramidentexten bekannten Ml-ltf-f »der
hinter sich schaut«' und dem Toten. Während der Jf/-A/-/ aber dort in den
Pyramiden, der Bedeutung seines Namens entsprechend, überall selbst als
Himmelsfährmann auftritt, der dem Toten sein Schiff bringen und ihn auf jene
Seite des Himmels übersetzen soll, wird er hier jedesmal in einer stereotypen
Anrufung aufgefordert, eine dritte Person, den ^ jj, aufzuwecken: » Jf/-^-/,
AAAAAA \ I
weck mir den ckn auf, so wahr du mit Leben versehen sein willst*; siehe, ich
komme.«
') Die Bezifferung der Abschnitte, in die der Text gegliedert ist. ist die gleiche wie
bei Gravow.
-) Das i] J] in der auf den Namen einer Frau lautenden Hs. C (147,13) kann nur ein
AAMM d
r. TT A/WWN
Schreibfehler für (j ]] . sein, wie diese Hs. nach ihrer Orthographie das inj n-j des Textes
schreiben mußte
3) Mi-hi-f, nicht Mii-lti-f, wie Grapow liest, lautet der Name überall in den Pyramiden wie hier.
') Ich sehe keinen Grund, diese wörtliche Übersetzung der aus den Grabbildern des Alten
Reiches bekannten Bittbeschwörungsformel 9 \I ^3^ t\ •¥" (phir. | ^ ° fi^v T Daressy'
Mastaba de Mera 544. 570) durch die von Grapow gewählte freie Übersetzung «wenn du kannst«
zu ersetzen, die aus der wörtlichen Bedeutung nicht ohne weiteres ableitbar ist und zudem in
vielen Fällen gar nicht paßt. Es scheint nicht unmöglich, daß ebendieses hn-k m enh (hier zum
Teil ö vi rf^r^t geschrieben) in dem seit dem Neuen Reich üblichen 9 *T* ■ /fw| V\ "T-
X WWW, I | X A/WVW I _cFVS- 1
Band 54.| K. Sethe: Der Totenbuchspruch filr das Herbeibringen der Fähre. •!
Wer dieser rkn ist, geht aus Teil IV hervor, wo er dem Toten das Schiff
bringen soll1. Es ist also gleichfalls ein Himmelsfährmann. Als solcher soll
er natürlich auch hier aufgeweckt werden. In Abschnitt 4 ist das auch deut-
lich ausgesprochen in der Antwort, die der Tote auf die Frage »wozu soll ich
dir denn" den <kn aufwecken?«; gibt: »damit er mir dieses Schiff, die dmd-t
Hnm-w, bringe3 aus dem H//r/j-See« (151,2/3).
Der JD-hJ-f erscheint hier, wie man sieht, zu einer Art Mittelsmann de-
gradiert: mit Ausnahme der eben zitierten Stelle tritt diese neue Rolle jedoch
nur in der stereotypen Anrufungsformel, die am Anfang eines jeden Abschnitts
sich wiederholt, »weck mir den ckn auf« hervor, nicht aber in den kurzen
Gesprächen, die sich an diese Worte anschließen und die aus allerhand Fragen
und Einwänden des angeredeten 3L'-h>-f und den Antworten, mit denen ihnen
der Tote begegnet, besteht. Hier verrät sich uns noch auf Schritt und Tritt,
daß der J//-A/-/ auch in diesem Text einst seine ursprüngliche Rolle als Fähr-
mann gespielt hat.
So in Abschnitt 4, wo der Tote auf den Einwand des Ml-hl-f. das Schiff
(das nach dem jetzigen Wortlaut der ckn bringen soll) sei zerlegt (II c 1
mit stammhaftem /) auf der Werft4, erwidert: »nimm ( "^ (j ) seinen Back-
bord (t!-wr), mach ihn zu seinem Spiegel (Hinterteil, imj-t nds-t). nimm seinen
Steuerbord {imj-t wr-fj, mach ihn zu seinem Bug (wld-t: Var. hl-t-s »sein Vor
derteil«)«\ Es ist recht bemerkenswert, wie diese ursprüngliche imperativische
• so wahr meine Nase mit Leben versehen ist« des Königsschwures seine Fortsetzung hatte. Vgl. die
Ersetzung des alten ?J^ft der Hs. B durch 8 «$" ^ bei D (162,4) und $Jfe j§) im Neuen
Reich (163, 17). Dort würde nach dem Zusammenhang ein Wort für »Jungfrau« in der Tat vor-
liegen können: das Waschen der Kopftücher {cfn-t), von dem dort die Rede ist, paßt nur auf
Frauen (vgl. auch efn-t als Kopftuch der Eileithyia).
') Grapow ist geneigt, in dem ckn den Osiris zu vermuten (Deutscher Text. S. 57. Anm. 3).
Das scheint mir durch seine ganze Rolle wie durch die Nennung »dieses herrlichen Gottes« aus
seinem Munde (178,8) ausgeschlossen zu sein: denn damit kann doch selbst wohl nur Osiris ge-
meint sein. Nach Lacao, Text, relig. 88, 52 scheint ckn eine Eigenschaft des Gesichts auszudrücken:
B f^ I «3> I
A ö v ' *^]e c^" 'n bezng auf das Gesicht sind«.
A/WWA TT I I I |
2| Lies i bei B. Die Lücke ist bei Grapow zu groß angegeben; sie paßt gerade
zu dem allein erforderlichen Zeichen, das hier ergänzt ist.
r\ TT £^ n AAAAAA
::l Grapow hat das (J ]) dieser Stelle, die im Papyrus Westcar 1\ Q^k ^ geschrie-
/wwv\ ^=^_ J J TT
bene Form des sdm-f, die speziell auch gerade im Finalsatz gebräuchlich ist (Verbum II § 270;
Erman, Vgypt. Gramm.3 § 266 b). verkannt. Er übersetzt «was er bringt«; dies würde doch
l\'wwvai^_ heißen müssen.
*) Oder »zerlegt in Werfthölzer«?
°| Diese augenscheinlich uralten Bezeichnungen für die 4 Seiten des Schiffes, von Grapow
wenig passend mit den Himmelsrichtungen (Ost, Nord. West, Süd) in Zusammenhang gebracht,
haben zunächst wohl den 4 einander im Dienst ablösenden »Wachen« \<>mfa> si), in die die Schiffs-
1*
K. Si .im-: Der Totenbuchspruch für das Herbeibringen der Fähre. |">4. Band.
Fassung, die die älteste der Handschriften B noch treu bewahrt hat, die aber
zu dem gegenwärtigen Zusammenhang schlecht paßte, im Lauf der Zeit ab-
geändert wird. Die jüngeren Handschriften (C, D. I) nehmen den Satz »es ist
zerlegt auf der Werft« nicht mehr als Einwand des Mi-fy-f, sondern ziehen
ihn zu der Rede des Toten. Das geht daraus hervor, daß sie ihn nicht, wie
sie sonst mit den Reden des Mi-fai-f (und weiterhin des cJcn) tun, rot schreiben1.
Die folgenden Imperative aber ersetzen sie durch die 1. sing, des §dm-f, so daß
nun der Tote selbst das zu tun erklärt, was einst der angeredete J//-/?/-/ hatte
tun sollen: «ich nehme seinen Backbord, ich mache ihn zu seinem Spiegel«
usw.", was völliger Unsinn ist.
Ähnlich liegt die Sache auch bei dem nächstfolgenden Abschnitt 5. Hier
lautet der Einwand des Mi-fy-f auf die Aufforderung »wecke mir den ckn auf«
in der ältesten Handschrift B noch so »wer wird uns3 dieses Schiff denn be-
wachen?«, als ob der Mi-fyi-f, und nicht der ckn, zusammen mit dem Toten
über das Schiff verfügen solle. In den jüngeren Handschriften (C, D) ist das
für den Ursprung des Textes so bezeichnende, jetzt jedoch nicht mehr hinein-
passende »uns« beseitigt, im Neuen Reich aber, dessen Text hier offenbar auf
eine andere Version des M.-R. -Textes zurückgeht, durch »dir« ersetzt. Das war
aber nur halbe Arbeit, da die Antwort des Toten unverändert geblieben ist:
»hole dir den Schwanz des snnuntj-Tieres, setze ihn dir an sein (des Schiffes)
Ende, er wird es bewachen«4. Sie läßt den ursprünglichen Sachverhalt noch
deutlich erkennen: niemand anders als der angeredete 3If-h>-f selbst war hier
als Eigentümer des Schiffes gedacht.
mannschaft eingeteilt wurde (so von der Schiffsmannschaft des Sonnengottes Lacau, Text, relig. 35),
den Namen gegeben. Danach sind dann auch die gleicherweise sich ablösenden und als »Wache«
(.sy) bezeichneten Priesterphylen benannt worden, deren es zeitweise, schon vor der Reform des
Ptolemaios Euergetes' L, 5 statt 4 gegeben zu haben scheint, da im Alten Reich außer den 4 mit
den obigen Namen versehenen Phylen auch eine solche namens -j(- I vorkommt (Urk. I 58.
Daressy, Mastaba de Mera 555, wo die » Spiegel «-Phyle nach Erman's Kollation -\i- -^^ heißt).
l) Das gleiche freilich auch 148, 3 bei der Frage »wer bist du denn, der da kommt;1«, die
rot geschrieben sein sollte, aber schwarz geschrieben ist.
-j Die Hs. C hat das Suffix 1. sing., wie sie stets tut, durch | bezeichnet (bei Grapow
153, 12 — 14 übersehen); sie schreibt also: (1 1] I ? V*11^3^ '' ^ uat es einmal in seiner
Weise durch (I | (hinter dem (1(1) bezeichnet, sonst aber hat er einfach nach alter Weise nur (1(1
für diese Verbindung des stammhaften j mit dem Suffix.
') /WWVN von Grapow im Anschluß an Maspero irrig ■ gelesen.
') Grapow übersetzt statt der Imperative »hole dir« und »setze dir« (mit dem üblichen
Dativus ethicus) hier und an den ähnlichen Stellen der Abschnitte 6. 12. 14 »ich bringe dir« und
»ich setze dir«. Die 1. sing, wird aber in sämtlichen Handschriften unseres Textes sonst regel-
mäßig bezeichnet (Ausnahmen nur 147,1. 153,7. 168.11. 179,9, an den letzten beiden Stellen
in tw-j »ich bin«). Im übrigen würde aber auch eine solche Auffassung an der durch den Dativ
»dir« gegebenen Sachlage nichts ändern. Dieses »dir« zeigt den Angeredeten in der Rolle, die
nach der Anrufung am Anfange des Abschnittes eigentlich der den spielen sollte.
Hand •") J.| K. Sethe: Der Totenbuchspnicli fiir das Ilerbeibringen der Fähre.
Noch deutlicher wird dies aber im Abschnitt 6. Dort lautet die Frage
des Mi-fri-f, die seinen Einwand auf das Verlangen des Toten, ihm den ckn
aufzuwecken,, enthält: »wer soll es (das Schiff) dir denn mit mir zusammen
bringen?«» (Var. »mit wem soll ich es dir bringen?«)1 und die Antwort des
Toten »bringe (oder hole) dir es (Var. »du sollst es bringen«) mir zusammen
mit dem (ersten) besten der Götter«. Hier ist es zugleich klar, wie das Ver-
langen des Toten ursprünglich gelautet haben muß; nicht »weck mir den ("Jen
auf« , sondern » bring mir das Schiff« .
Im Einklang hiermit wird auch nachher in demselben Abschnitt 6 stets
nur davon geredet, wie der Mi-fy-f das Schiff auszustatten habe. Vom ekn
ist hier nirgends die Rede.
Sein Name wird in dem uns beschäftigenden Teile II unseres Spruches
eigentlich überhaupt nur in der Anrufungsformel »weck mir den chi auf«
genannt2, und das steht, wie eben gezeigt wurde, offenbar erst sekundär an
Stelle eines älteren »bring mir dies«. Die notwendige Schlußfolgerung muß
dann aber sein, daß auch da, wo auf den ckn oder seine Aufweckung in irgend-
einer Weise Bezug genommen wird, ohne daß er genannt wird, eine Textänderung
anzunehmen ist. Es sind die folgenden drei Stellen :
Abschnitt 2 (148, 6): in der Antwort des Toten auf die Frage, wer er sei: »ich
bin es, der seinen Vater aufweckt, wenn er schläft«. Das wird ein Zusatz sein.
Abschnitt 3 (149, 11 — 13): Antwort auf die Frage: »du willst überfahren,
damit du was thuest?« : »(damit) ich hebe seinen Kopf, ich erhebe seine Stirn,
er erläßt einen Befehl an euch, ein Befehl ist es, den er an euch erlassen
wird«. Hier wird ursprünglich statt des Pronomen 3. masc. sing, die 1. Person
oder gar nichts gestanden haben. Ein »ich erlasse einen Befehl an euch« würde
auch wohl besser in den Zusammenhang des Ganzen passen.
Abschnitt 4 (151, 2 3): die oben S. 3 erwähnte Stelle: »wozu soll ich
dir denn den (Jen aufwecken?« — »damit er mir bringe ...... Hier müssen
Frage und Antwort umgestaltet sein, und das um so gewisser, als gerade hier
in dem, was folgt, noch deutlich die ursprüngliche Rolle des Ml-ty-f durchblickte.
Was die Umwandlung der in diesem Teile II unseres Totenbuchspruches
steckenden Anrufung des Fährmanns Ml-hl-f verursacht hat, ist klar; es muß
die Zusammensetzung mit dem Teile IV (Abschnitt 11 — 16) gewesen sein, in
dem der ckn selbst als Fährmann angerufen wird. Der Widerspruch, daß einmal
der Ml-ht-f. das andere Mal der ckn in dieser Rolle angerufen war, sollte dadurch
beseitigt werden, daß man den Mi-hi-f zum Vermittler des Geschäftes machte.
1) Grapow wieder irrig: »wer ist es, der es dir mit mir zusammen brachte?« in der Frage
und »du hast es mir gebracht« in der Antwort. Das macht die ganze Frage sinnlos, die damit
ihren Zweck, ein Einwand zu sein, völlig verfehlt. Auch hier gilt, was oben S. 4 Anm. 4, gegen
eine solche Deutung gesagt wurde. Das Suffix 1. sing, wäre hier gegen die allgemeine Regel un-
bezeichnet, hier überdies aber auch im Gegensatz zu der Antwort, wo es richtig ausgeschrieben ist.
2) Ausnahme nur die gleich wieder zu erwähnende Stelle 151,2 des Abschnittes 4.
K.Skhh:: Der Totenbuchspruch für das Herbeibringen der Fahre. |~>4. Hand.
III (Abschnitt 7—9).
Mit Abschnitt 7 treten wir in den dritten Bestandteil des Spruches ein.
Er besteht ans einer Reihe von H (eigentlich 4) Abschnitten1, die jeder wieder
mit derselben stereotypen Anrufung des Ml-hl-f beginnen, wie wir sie vorher
im Teil II vorfanden. Daß es sich hier aber in Wahrheit nicht um eine Fort-
setzung dieses Teiles handelt, sondern um einen neuen selbständigen Text, der
erst sekundär mit ihm verbunden worden ist, geht schon aus den ersten Fragen,
die der Mf-fri-f an den Toten richtet, hervor: »wer bist du denn, der da kommt?«
(165, 6)2 und »wie welches Kommen bist du denn gekommen, wie welches
Heraufsteigen bist du heraufgestiegen?« (160, 8/9)3. Das sind beides Fragen,
die an den Anfang des Gespräches gehören, nicht mitten hineinpassen, nach-
dem soundsoviel andere Fragen bereits gefallen und beantwortet sind, wie
das in den Abschnitten '2 — 6 geschehen ist1.
In der Tat ist die erste Frage (in der ersten Hälfte des Abschnitts 8) »Aver
bist du denn, der da kommt?« eine Dublette der Frage, mit der in Abschnitt 2
das Gespräch zwischen dem Ml-hl-f und dem Toten begann (148, 3). Ebenso
ist auch die folgende Frage (in der zweiten Hälfte des Abschnitts 8, die, wie
gesagt, einen neuen Abschnitt für sich bildete) »sagst du, daß du zur östlichen
Seite des Himmels überfahren willst? du willst überfahren, damit du was
M Abschnitt 8 besteht aus zwei Abschnitten, dem Stück 165, 3 — 14, schließend mit
(s. u.). und einem zweiten Stück 165, 14 — 166,7. beginnend mit [Iaww* ^| v. ■* (bei D | *• — ^ .
Frage ohne die Partikel in) und endigend mit []-<2>- (beiD). Vor dem letzteren Stück sind,
so möchte man annehmen, die stereotypen Anrufungsworte 165, 3— 5 ausgefallen. .Merkwürdiger-
weise felden sie aber gleicherweise in beiden Handschriften des Mittleren Reiches (B und D). da-
gegen sind sie im Texte des Neuen Reiches richtig da. Dieser könnte hier also unter Umständen
auf eine bessere Version des M.-R. -Textes zurückgehen. Möglich wäre aber auch, daß sich in
dem Fehlen der Anrufungsworte noch ein älterer Zustand des Textes verrate, der ursprünglich,
als er noch selbständig war, überhaupt ohne jene Anrufungsformel bestanden haben könnte.
-) Diese Frage und ihre Antwort (»ich bin ein Zauberer«) stehen in der IIs. B nicht nur
hier in Abschnitt 8, sondern auch in Abschnitt 7 (160, 6/7). Sie sind dort wohl sicher inter-
poliert: denn daß sie in Abschnitt 8 au ihrer richtigen Stelle stehen, ergibt sich aus dein Vergleich
mit Abschnitt 11 und mit dem gleichfalls nur in B eingeschobenen Stück hinter Abschnitt 3
(s. u. Anm. 4). Frage und Antwort wären in Abschnitt 8 aber sinnlos, wenn sie schon vorher
in Abschnitt 7 zwischen den gleichen Beteiligten gefallen waren.
:i) Grapow: »wie wer bist du ein Kommen gekommen:1 wie wer bist du ein Emporsteigen
emporgestiegen?«. J\ {] (I bedeutet aber (gegen Erman, Ägypt. Gramm.3 §508) nicht »wer?«, son-
dern »was?« und mit einein folgenden Genitiv verbunden (der Konstruktion der neutrischen Deinon-
strativa wie nU im entsprechend) »welches«, z.B. „ \^> O »welche Zeit?« eigtl. »welches
. T--1 A^/\A^A
ö
von Zeit:'« iL »wann.'.« — «— [1 (1 ^\V^ ■"^rtV' »welche Fähre?« Pyr. 494 a.
') Aus diesem Grunde ist es auch klar, daß der Abschnitt 8, der in der IIs. B hinter Ab-
schnitt 3 eingeschoben ist (I.Iarliotep 430—433), dort nicht hingehört und von Grapow mit Recht
beanstandet worden ist. Die stilistischen Unterschiede bestätigen das.
Band 54. | K. Sethe: Der Totenbuchspruch für das Herbeihringen der Fähre.
tust?1« eine Dublette der Frage in Abschnitt:) (149,8 — 10). Nur die Antwort
ist in beiden Fällen hier in Abschnitt 8 eine andere als dort in den Ab-
schnitten 2 und 3. Wir haben es in unserem Teile III also wohl mit einer
Parallelversion zu tun, die ursprünglich neben der Schwesterversion des Teiles II
gestanden hatte, jetzt aber hinter sie gesetzt ist, als ob sie sie fortsetze.
Zwischen diesen beiden Parallel Versionen lassen sich nun aber auch deutliche
Unterschiede terminologischer oder stilistischer Art beobachten. Für die Version
des Teiles III (Abschnitt 7 — 9) ist es charakteristisch, daß sich der Tote auf die
Frage, wer er denn sei, als Zauberer bezeichnet: »ich bin ein" Zauberer« (100, 7.
165, 7) und demgemäß auch »o du Zauberer« angeredet wird (165, 14. 168, 10).
Sodann schließt der Wortwechsel zwischen dem Toten und dem Ml-lii-f
im Teil III öfters mit einem Ausruf des letzteren (als solcher kenntlich an der
roten Schrift): (] ^ *=* 172, 3 (D). (|^^<=> 165, 16 (B) = \<s>§\ (D)-
(|-<2>- hinter 166, / (D nach Passalacqua"s Kopie, fehlt bei Grapow). N<n>-p||
vor 150,16 (als Schluß des hier in Hs. B eingeschobenen Stückes, das eine
Vorwegnähme des Abschnittes 8 bedeutet). Es ist darin wohl der aus den
Beischriften der Schiffsbilder des Alten Reiches und aus Pyr. 1252 b I (1 -cs>- 1=> Y\ I
bekannte Anruf <s>- s=> ^K ir tw »sieh«, »gib acht« (von " »sehen«, eicop^,
Verbum I § 351)) zu erkennen, dessen Pluralform, mit demselben emphatischen
> wie bei uns, in <s>-~~ > t\ ^/ Pn[' y jj r\ )>se^et m das Ei« Lacau,
Text, relig. 17, 23 (angeredet die Götterneunheit) vorzuliegen scheint. Hin-
sichtlich der Orthographie sind die analogen Schreibungen Au \^\ V M \h u' *"
für das aus s?w tw »hüte dich« hervorgegangene synonyme s?w-t zu vergleichen3.
Diese beiden Eigentümlichkeiten kommen in den zu Teil II gehörenden
Abschnitten 2 — 6 nicht vor.
J) Auch diese Frage ist, jedoch ohne die Antwort, in einer der Handschriften (D) irrig ai
anderer Stelle wiederholt (169,8/9 in Abschnitt 9). Das Fehlen der Antwort und das, was im Zu
sammenhange folgt, lassen sie dort sinnlos erscheinen. — -) Grapow: »der«.
'') Die Abschnitte 7—9 gebrauchen ferner gern die Einführung der Fragen durch 75 (1
D v> »was ist denn ...?« (168. 12. 165.14. in Hs. D) oder in anderer Orthographie und mit
Einschiebung der enklitischen Partikel t —JT' 1 \\ ~V\ D "v\ (165.14. in Hs. C), I ^\D ^
(ib.. in Hs. B). In den früheren Abschnitten kommt diese Form der Frage wenigstens in der
ältesten Fassung, die die Hs. B bietet, nicht vor. An der Stelle 157. 4 hat diese Fassung
J\ Ijlj ^jj *^\ D Y\ , wo die jüngere Fassung in D ein offenbar verderbtes h j] \\ D «sS.
Aü^,
die des Neuen Reiches ein korrektes J\ ' \J v\ hat. Eine andere Gelegenheit, ein
»was ist das und das?« auszudrücken, kommt leider im Teil 11 nicht vor. An der Stelle 158, 13,
wo der N.-R.-Text eine solche Frage mit \, ^0 v pt-*r~f-sj aufweist (d. i. eine seltsame
Schreibung für \ £\/\ , zu der sich ein Seitenstück I v\ ptj-r-f-sw in den
Glossen des Kap. 17, Z. 83 und 94 der NAViLT.K.'schen Ausgabe, in der Handschrift Pc findet),
hat der M.-R.-Text einen ganz anderen Wortlaut.
8 K. Sk rm: : Der Totenbuchspruch für das Herbeibringen der Fähre. [54. Band.
Inhaltlich unterscheidet sich der die Abschnitte 7 — 9 umfassende Teil III
unseres Textes vom vorhergehenden Teile II aber darin, daß er sich gar nicht
mit der Zusammensetzung des Schiffes beschäftigt (dies folgt erst in Teil IV),
sondern nur nach dem Toten fragt, wer er sei, wie er zum Himmel gekommen
sei, ob er satt («voll«) und wohl versehen sei, ob er im vollen Besitze seiner
»beiden Glieder« (Arm und Bein) sei, was er getan habe, ob er seinen Weg
kenne, wer ihn fuhren werde, wer seinen Namen »diesem herrlichen Gotte«
(d. i. wohl dem Osiris) sagen werde und dergleichen, also lauter Fragen, die
mit der Überfahrt im Schiffe nichts zu tun haben, und die ebensogut jedes
andere Wesen, dem der Tote begegnet, an ihn richten könnte, als gerade der
Fährmann. Diese Fassung des Teiles III paßt daher zu der Rolle des Mittels-
mannes, der den eigentlichen Fährmann ekn erst aufwecken soll, wie sie dem
angerufenen J//-A/-/ in der Redaktion unseres Totenbuchtextes an Stelle seines
eigentlichen Berufes als Fährmann zugewiesen ist, weit besser, als es bei dem Arorher-
gehenden Teil II der Fall war, bei dem dieser sein älterer Beruf noch allerwärts un-
verhüllt durchblickte. Es wäre denkbar, daß liier im Teile III die Vermittlerrolle
der angeredeten Person ursprünglich oder älter gewesen sei, und daß hier vielmehr
der Name des Mi-lii-f dafür aus dem vorhergehenden Teile II geborgt gewesen sei,
während dort bei Teil II das Umgekehrte der Fall war. In diesem Falle müßte
der Teil III mit dem Teile IV bereits vor der Zusammenstellung des ganzen Spruches
in der Weise, wie er es jetzt tut, durch Abschnitt 10 (s. u.) verbunden ge-
wesen sein.
IV (Abschnitt 11-16).
Dieser vierte und letzte Teil des Spruches enthält Anrufungen an den
vorher immer in 3. Person genannten chi, in denen dieser nunmehr selbst vom
Toten aufgefordert wird, ihm das Schiff oder, wie es hier in Übereinstimmung
mit dem uns im Teile I (Abschnitt 1) entgegentretenden alten Brauche der
Pyramidentexte heißt, »dies« zu bringen.
Verbunden ist dieser Teil IV mit dem vorhergehenden Teile III durch den
überleitenden Abschnitt 10, in dem zunächst noch die Person, die den chn
aufwecken soll, ganz wie zuvor angerufen wird, diesmal aber mit dem Einwände
antwortet, der chi wolle nicht aufwachen. Darauf heißt sie der Tote einen
Zauberspruch, der allerlei Drohungen enthält, hersagen. Das hat denn auch
die erwünschte Wirkung. Unwillig fährt der chi aus dem Schlafe auf und
fragt: »was ist das? ich bin1 doch beim Schlafen.«
Nun kann der Tote den cht selbst auffordern, ihm das Schill" zu bringen.
Das geschieht in den Abschnitten 11 — 16 in einer Form, die völlig den vorher-
gegangenen Anrufungen des Ml-hl-f entspricht: »c/pi bring mir dies, so wahr
du mit Leben versehen sein willst, siehe, ich komme.«
') wnn-j gewiß nicht die s'dm-n-f-F onn, wie Grapow denkt, sondern die emphatische Form
des sdm-f, die gerade als Hilfsverbum so häufig ist
Band ')4.| R. Sethe: Der Totenbuchspruch für das Herbeibringen der Fähre. i)
Es ist klar, daß, wenn Teil III von Haus aus oder jedenfalls schon vor
der Komposition des ganzen Totenbuchspruches mit Teil IV zusammengehangen
haben soll, wie das oben als möglich ausgesprochen wurde, dies nicht ohne
diesen überleitenden Abschnitt 10 der Fall gewesen sein kann. Anderseits
wird dieser Abschnitt 10, wenn Teil III etwa ebenso selbständiger Entstehung
gewesen sein sollte wie Teil IL die nachträgliche Zutat des Redaktors sein
müssen, der dem Totenbuchspruch die Gestalt gab, in der er jetzt vor uns
liegt, oder jedenfalls Teil III und Teil IV zusammensetzte.
Für einen ursprünglichen oder jedenfalls älteren Zusammenhang der Teile
III und IV spricht nun in der Tat manches. Was oben als stilistisch-termino-
logische Eigentümlichkeit des Teiles III festgestellt wurde, kehrt auch im Teile IV
wieder. Auch hier wird der Tote fortwährend in gleicher Weise als «Zauberer«
bezeichnet (171, 12. 172, 13. 173, 10. 174, 9. 175, 14. 177. 7. 14. 178, 7), und
die eigentümliche Form des Fragesatzes ~7r"[)(] d"y\ (D) oder B« "k^O y (B)
ist auch hier mehrmals zu belegen (173, 13. 174, 3. 177, 6. 13). Dagegen
findet sich der Anruf jp * hier nur einmal in Hs. D am Ende des Ab-
schnittes 11, der eine einfache wörtliche Wiederholung von Abschnitt 8 ist
und sich durch das Fehlen der für den Teil IV charakteristischen Besonderheit,
von der sogleich die Rede sein soll, von den Abschnitten 12 — 16 stark abhebt.
(Zu Abschnitt 15 s. u.)
Diese Besonderheit, die den Teil IV sowohl von Teil II wie von Teil III
unterscheidet, liegt in der Formulierung des Einwands, mit dem der angerufene
rhi dem Toten begegnet. Er ist jedesmal ebenso stereotyp gefaßt, wie diese
Anrufung selbst und lautet in der älteren Hs. B stets so : (1 /vww () ^(1 ^ { 0 y ® t\
in iw-j tr shm-kwj m tm in n-k hkf-j pw dp-t tn pw n wn-t -s »vermag
ich denn (nicht), (es) dir nicht zu bringen, o Zauberer? Es ist (der Fall), daß
dieses Schiff keine hat.« Die Frage, die hier der Angeredete stellt,
ist offenbar eine höfliche Form der Ablehnung der Bitte: sie hat den Sinn: du
mußt mir erlauben, das Schiff nicht zu bringen3. Wir müssen im Deutschen in
]j D. (I v\ [I ohne die Fragepartikel (1 ww\* , die in dieser Handschrift auch sonst öfter fehlt.
B) Var.^^H und ^s .
3) Der Satz scheint in der Hs. I) schon nicht mehr verstanden worden zu sein; sie schreibt
^as tm n ^, (I I > als ob es der Name des Gottes Atum oder die 1 . sing, des sdm-f sei, während
ohne Zweifel der Infinitiv vorliegt (abhängig von m, das das Objekt von shm »vermögen« anzu-
knüpfen ptlegt, und zwar das substantivische wie das infinitivische). — Das Fehlen des selbst-
verständlichen pronominalen Objekts (es) bei J] ist echt ägyptisch, vgl. nur aus unserem Texte:
»kennst du die beiden Städte?« »ich kenne (sie)« 177, 10 — 12, sowie Sethe-Partscii, Demot. Bürg-
schaftsurkunden, Urk. 7, § 19: auch im Koptischen ist noch dieselbe Eigentümlichkeit zu beobachten.
Zeitschr. f. Ägypt. Spr., 54. Band. 2
10 K. Sethe: Der Totehbuchspruch für das Herbei bringen der Fähre. [54. Hand.
dem Fragesatz, der die Antwort »ja« erwartet, ein »nicht« einschieben (wenigstens
wenn wir die Partikel ir mit »denn« übersetzen wollen). Der zweite Satz, ein
mit pic »c'est que« gebildeter Nominalsatz (Identitätssatz), dessen Prädikat ein
ganzer Satz ist1, gibt die Begründung für die Weigerung. Grapows Übersetzung
»Besitze ich es vollständig? Was ich dir bringe, das ist dieses Schiff« ist
grammatisch unmöglich2 und verfehlt den Sinn, der doch gerade eben darauf
hinausläuft, daß das Schiff nicht gebracht werden kann oder soll.
In der Aufzählung dessen, was dem Schiffe fehle, durch den ckn, und in
den Anweisungen, die ihm daraufhin der Tote für den Ersatz der fehlenden
Teile gibt, berührt sich der Text liier eng mit dem Teile II, der, wie das oben
ausgeführt wurde, aus einer selbständigen Parallelquelle von Teil III geflossen
sein muß. Hinsichtlich der äußeren stilistischen Gestaltung des Textes zeigt sich
eine auffällige Übereinstimmung; beiderseits werden dieselben mit ^-r^rfzkl • • • • I
»ihr .... ist nicht da« gebildeten Einwände (vgl. 172, 15. 173, 14 ff. 175, 16
qrj A/v\A^ /www r\ &.
J] »hol dir« und A o I v\
/VWSAA V^.^vO V ^0 T —11.
(bzw. I) (j 1\ I »setz dir es hinein« gebildeten Anweisungen gebraucht (vgl.
175,17—176,2. 172,16 —173,1 mit 154,9/10. 155,12. 156,6.12). Inhalt-
lich ergänzen sich dagegen Teil II und Teil IV; was hier dem Schiffe fehlen
soll und was als Ersatz dafür vorgeschlagen wird, ist nicht dasselbe wie. dort.
Während es sich im Teile II mehr um den Bau des eigentlichen Schiffes zu
handeln scheint, scheint hier nur von den Geräten die Rede zu sein, die man
zum Regieren des Schiffes beim Segeln und beim Landen gebraucht. In dem
einzigen Falle, wo ein und dasselbe Ding in jedem von den beiden Textteilen
zum Ersatz für einen anderen Schiffsteil bzw. ein anderes Schiffsgerät vorgeschlagen
erscheint (»die Schlange in der Hand des Hmn« 176,1 und 156,12) und wo
also ein direkter Widerspruch zwischen beiden Textteilen oder doch eine ihre
Zusammengehörigkeit ausschließende Parallelität vorzuliegen scheint, beruht die
Nennung des betreffenden Ersatzdinges an der zweiten Stelle (176. 1) erst auf
sekundärer Interpolation : der Name des Hm// erscheint hier erst in der jüngeren
Hs. D eingefügt.
1) Vgl. meinen Nominalsatz § 102 ff. Das Demonstrativ in dp-t tn »dieses Schiff« duldet keine
andere Erklärung. Diese Worte sollten eigentlich den Genitivausdruck eines Satzes ^-fW^S^ x-
»es ist niclit da das x. dieses Schiffes«, d. i. »dieses Schiff hat kein x.« (ÄZ. 50, 111)
U Ol AA/WVA
und dieser Satz selbst das Prädikat des ganzen Identitätssatzes bilden: sie sind aber hervorgehoben
und gehen daher dem Q v\ voraus, das nach den alten Wortstellungsgesetzen notwendig an die
zweite Stelle des ganzen Identitätssatzes hinter den ersten selbständigen Betonungskomplex gehörte.
2) »Besitze ich es vollständig« müßte doch heißen: \\ ^^ f\ %> j\ ^ { 0 6 ® t\ ^"^ h
(j ^ 'v^ M. Jll] 'n 'lu'-J tr shm-kii:j im-s tm-tj; »was ich dir bringe« aber J\ /VWVVA (1
AVWVN f. /WWVA
Band ">4.| K. Skthk: Der Totenbuchspruch für das Eierbeibringen der Fähre.
Unter diesen Urnständen wäre es schließlich nicht ganz unmöglich, daß
die stilistisch übereinstimmenden und sich inhaltlich gewissermaßen ergänzenden
Partien der Schiffsbeschreibung in den Teilen II und IV unseres Spruches letzten
Endes Trümmer eines und desselben größeren alten Textes gewesen seien, die
auf Umwegen in unserem Spruche wieder zusammengekommen sein würden,
nachdem sie zuvor getrennt, in verschiedenen Zusammenhang gesetzt, weiter
überliefert worden waren. In diesem Falle würde aber der Teil III, der sich
so scharf vom Teile II schied und als Parallelversion dazu herausstellte, und
ebenso die Worte des chi, die seine höfliche Weigerung enthalten und in denen
er den Toten als Zauberer anredet, erst sekundär nach der Trennung von Teil II
und Teil IV an den Teil IV herangetreten sein.
Eine besondere Bewandtnis hat es noch mit dem Abschnitt 15, dem allein
unter den Abschnitten des Teiles IV (abgesehen von dem oben besprochenen
besonderen Falle des Abschnittes 11) die für diesen charakteristische Einwands-
frage (S. 9) fehlt. Dieser Abschnitt 15 lautet so: »cht, bring mir dies, so wahr
du mit Leben versehen sein willst, siehe, ich komme.« — »Welches sind denn
jene beiden Städte, o Zauberer?« — »Es sind die lh-t (Horizont) und die
ssmt-t, so wähne ich.« — »Du kennst jene beiden Städte, o Zauberer?«
»Ich kenne (sie)«. — »Welches sind denn jene beiden Städte, o Zauberer?« —
»Es sind die dwl-t und das Binsenfeld.«
Hier nimmt die erste Frage des (Ten, die auf die stereotype Anrufung folgt,
anstatt wie sonst stets einen Einwand zu enthalten, auf den Schluß des vor-
hergehenden Abschnittes 14 Bezug, wo von »den beiden Seen zwischen jenen
beiden Städten« die Rede war. Das ist schon sehr auffallend; eine solche Be-
zugnahme auf das Vorhergehende findet sich sonst nie, vielmehr hebt in je-
dem Abschnitt, wie das ja auch der jedesmaligen Wiederholung der stereotypen
Anrufungsformel entspricht, das Gespräch wieder von neuem an.
Der ganze Abschnitt 15 liegt uns nun aber überhaupt nur in der alten
Hs. B vor. Die Hs. D, die einzige, die wir daneben für diesen Teil unseres
Spruches noch besitzen, bietet davon nur die Schlußsätze: »Welches sind denn
jene beiden Städte?« »Es sind die dwl-t und das Binsenfeld«. Und zwar
bilden diese Sätze dort einfach den Schluß des Abschnittes 14, indem sie sich
ganz sinngemäß an den dort vorkommenden Satz, der »jene beiden Städte«
nannte (176, 7 — 10), anschließen.
Dort (in D) ist der Text also offenbar in Ordnung; in B, das sich hier
trotz seines höheren Alters einmal als minder gut erweist als D, ist er er-
weitert. Und diese Erweiterung ist recht durchsichtiger Natur. Die ersten
Sätze, die in Abschnitt 15 auf die Anrufung des chi folgen (»welches sind denn
jene beiden Städte, o Zauberer?« — »es sind die th-t und die ssmt-t«) sind
nämlich eine einfache Dublette des eben zitierten Wortwechsels, der in B den
Schluß des Abschnittes 15, in D den Schluß des Abschnittes 14 bildet (»welches
sind denn jene beiden Städte, o Zauberer?« — »es sind die dwl-t und das
12 K. Sit mi:: Der Totenbuchspruch für das Herbeibringen der Fähre. [54. Band.
Binsenfeld«). Die Frage ist beidemal die gleiche, die Antwort eine andere;
es liegen also wieder einmal zwei Parallelversionen vor, die durch den Redaktor
des Spruches hintereinander gesetzt worden sind, als ob sie sich fortsetzten,
gerade wie das oben bei den Teilen II und III unseres Spruches zu beob-
achten war.
Beide Versionen hintereinander in einem und demselben Gespräch (Ab-
schnitt) sind eigentlich geradezu widersinnig. Der Tote kann doch vernünftiger-
weise dieselbe Frage nicht einmal so, gleich darauf aber so beantworten. Diesen
Widerspruch auszugleichen, war augenscheinlich der Zweck der Sätze, die
zwischen die beiden Dubletten eingeschoben sind. Der erste j) J & v& h 0 <===>
»so wähne ich1« läßt einen Zweifel des Antwortenden über die Richtigkeit seiner
Antwort erkennen und gibt dem Fragenden Anlaß, die fast drohend klingende
Zwischenfrage zu stellen: »du kennst (doch) jene beiden Städte?«. Darauf die
Antwort: »ich kenne (sie)« und dann die Wiederholung der Frage »welches
sind denn jene beiden Städte?«, worauf nun die endgültige richtige Antwort
erfolgt, wie sie in D allein am Ende des Abschnittes 14 gegeben ist.
Mit Abschnitt 16 endigt unser Text in beiden Handschriften ohne rechten
Abschluß. Der clpn hat ein Bedenken geäußert, den Toten als Mann, der seine
Finger nicht zählen könne, überzusetzen ; darauf versichert der Tote, er könne
sie zählen, und führt das, wie ich unten in einem besonderen Aufsatz zeis'e,
auch aus". Man erwartet nun irgendeine Erklärung des cfrn, daß er zur Über-
fahrt bereit sei, aber nichts dergleichen steht da. Dabei bricht der Text in
beiden Handschriften nicht etwa aus Raummangel mit dem Ende der Schrift-
fläche ab, wie das bei Totb. Kap. 17 so oft der Fall ist, sondern es folgt auf
den Schluß unseres Textes sogleich ein anderer Text, in B sogar in der näm-
lichen Zeile nach vorhergehendem Schlußstrich. Man sieht daraus, daß unserem
Texte hier nichts fehlt. Als natürlicher Abschluß des Gespräches wird wohl
die Handlung des Fährmannes, der nun nach Widerlegung seines letzten Ein-
wandes sein Schiff herbeibringt, gedacht sein.
Ergebnis.
Als sicheres Ergebnis der vorstehenden Untersuchung darf wohl betrachtet
werden, daß der uns beschäftigende Totenbuchspruch aus den folgenden 4 Be-
standteilen zusammengesetzt ist:
') Daß »wähnen« die Bedeutung des Verbums ib ist, geht aus der Stelle in der Geschichte
des Schiffbrüchigen deutlich hervor: »ich wähnte, es sei die Brandung des Meeres« (in Wahrheit
war es die Schlange, die durch die Bäume brach), vgl. Vogelsang, Komm, zur Bauerngeschichfe S. 227.
2) Es ist möglich, daß dieses Textstück, dem in I) die übliche Abschnittseinleitung fehlt (sowohl
die den Teilen II— IV gemeinsame Anrufung des (Ten als die für Teil IV charakteristische höfliche
Ablehnung in Gestalt der auf S. 9 besprochenen Frage), ursprünglich auch selbständig bestanden
hat und erst sekundär in den Teil IV hineingekommen ist, also gewissermaßen einen Teil V dar-
stellt. Siehe hierzu (hu erwähnten Aufsatz.
Band ")4.] K. Sethb: Der Totenbuchspruch für das Herbeiln-ingen der Fähre. 1 H
I. einer kurzen Anrufung des Fährmannes zum Überholen ohne Nennung
seines Namens, die aus den Pyramidentexten stammt (Abschnitt 1);
II. einer ähnlichen längeren, in Abschnitte (2 — 6) gegliederten Anrufung
an den Ilimmelsfahrmann Mf-hf-f (»der sich umsieht«), der ursprünglich
ebenfalls dem Toten sein Schiff bringen sollte, allerlei Fragen an ihn stellte
und die mangelhafte Beschaffenheit seines Schiffes als Einwand vorbrachte, um
nicht zu fahren, jetzt aber nach dem Muster von III nur noch aufgefordert
wird, den in IV auftretenden Fährmann chi aufzuwecken;
III. einem Text (Abschnitt 7 — 9), der ein ähnliches Zwiegespräch zwischen
dem als Zauberer bezeichneten Toten und einem Wesen, dem er bei seiner
Ankunft im Himmel begegnete, enthält. Der Angeredete ist jetzt nach dem
Muster von II Ml-fyi-f genannt, obwohl er nicht selbst das Amt des Fährmannes
versieht, sondern diesen, den in IV genannten ckn, nur aufwecken soll;
IV. einer in Abschnitte (11 — 16) gegliederten Anrufung des ckn genannten
Himmelsfährmannes, ähnlicher Art wie II und anscheinend verwandte Textele-
mente enthaltend. Der Text, der sich durch eine besonders formulierte höf-
liche Weigerung, den Toten zu fahren, von II unterscheidet, bezeichnet den
Toten als Zauberer wie in III, vielleicht nach dessen Muster. Er ist mit III
durch eine sinngemäße Überleitung verbunden (Abschnitt 10), die vielleicht älter
als die Zusammensetzung mit I und II sein könnte.
Der Endredaktion, die das Stück II mit den Stücken III und IV zu dem
jetzt vorliegenden Gesamtspruch vereinigte und jedenfalls auch die erwähnten
Ausgleichungen zwischen II und III vornahm, wird vermutlich die uniforme
Gestaltung der Anrufung mit ihrer Bittbeschwörung in allen Sprüchen von 2 — 16:
»N. N., tu mir das und das, wenn du mit Leben versehen sein willst. Siehe,
ich komme« angehören. Diese Form der Anrufung mag trotzdem schon vor-
her einem der Teilstücke angehört haben, dem sie entnommen wurde. Ihr
unregelmäßiges Fehlen vor der 2. Hälfte des Abschnittes 8 (S. 6 Anm. 1) scheint
dafür zu sprechen, daß das jedenfalls nicht Teil III gewesen ist.
Der mutmaßliche Stammbaum der Stücke wird sich auf Grund des eben
Gesagten etwa so darstellen:
ii + rv(?) m
>v
\
in + IV
1 + II + III + IV
Anhang.
Den vorstehenden Auseinandersetzungen seien im folgenden noch einige
Bemerkungen angefügt, welche die Erklärung einzelner Punkte des Textes be-
treffen und oben im Gange der Untersuchung keinen Platz finden konnten.
14 I\. Si im;: Der Totenbuchspruch für das Herbeibringen der Fähre. [54. Band.
151,17. =>'^\(|0ci \\Jj\ (B) — nebenbei eine Übergangsschreibung von
altem < >^o zu jüngerem ^(jfjo (so C, D)wie^^(j(jv O^ll U' *' ~~
kann nicht mit dem folgenden Namen des Horus verbunden werden, wie Grapow
wollte (»Statue des Horus«), da das Wort immer nur die weibliche Statue be-
zeichnet. Es wird der Name der Göttin sein, die griechisch Tplcpig heißt. Der
Name des Horus wird zum folgenden Satz gehören und dem »Auge des Horus«
parallel sein (Subjekt eines nominalen Nominalsatzes, in dem das aktive Partizip
das Prädikat ist).
156,2/3. Die Worte M^llJfin1- WSOfS° ^ sin"
gewiß nicht mit Grapow zu übersetzen: »mit was ist es (ausgerüstet)?« — »es
ist (ausgerüstet) mit den Flügeln des #-w/-Tieres«, sondern: »womit geschieht
es? « - » es geschieht mit den Flügeln des tt-mr-wj-TieTes. « Das bezieht sich nämlich
auf das unmittelbar vorhergehende »das tl-mr-wj-Tier ist in sein (des Schiffes)
Vorderteil gesetzt, es (dieses Tier) führt es (das Schiff) zu dem Orte, wo du
bist«. Die obengenannte Frage, die sich daran anschließt, will wissen, wie dies
geschieht: die Antwort lautet: mit seinen Flügeln. Das II von /w-.s ist also wie
so oft (z. B. im Koptischen eic) unpersönlich zu fassen. Genau ebenso ist auch
im N.-R.-Text das entsprechende (j ^ !) ^ ^J) JJ_^|j) Ij ^^^^^" 1^^'
zu übersetzen, ob das Suffix in der Frage nun nur versehentlich fehlt oder ob
das unpersönliche suffixlose h%\ beabsichtigt ist. Grapow's Wiedergabe an
dieser Stelle »ich bin mit was?« — »es ist der Flügel des . . . .« hat offenbar
das h von h* > verkannt und gibt keinen Sinn.
157,3/4. Das llJZt^^' das ^kapow Schwierigkeit machte, ist doch
wohl einfach »dieses alles« und bezeichnet wie später in den Sonnenhymnen
sein Synonym 1 .1 <==> <0> ^ 3 «die ganze Schöpfung«.
161,3. In dem Satze [1 & Js% "=^^ | f^PXP ™ "^P™^
liegt wohl ein Gegenstück zu den Sätzen mit f " und dem Pseudopartizip
vor. Mr »die Nacht verbringen« dient hier als Hilfsverbum ; es wird zu über-
setzen sein: »in der Nacht wurden ihre Rinder geschlachtet, ihre Gänse erwürgt«
(eigtl. »ihre Rinder brachten die Nacht zu, geschlachtet« usw.). Grapow's Über-
setzung »ich habe gemacht (irfr)« ignoriert zwei Tatsachen, nämlich daß
Sdr sonst ein intransitives Verbum ist und daß das Suffix 1. sing, in unserem
Texte sonst bezeichnet zu werden pflegt.
161, 17. In der Hs. D sind die Worte f "J™^1k1^^ ^ dUFCh
rote Schrift als Worte (Zwischenfrage?) des angeredeten Ml-ht-f charakterisiert.
') Es folgt das oben S. 1 erwähnte firj\ *]]&,■
Band 54.] K. Sethe: Der Totenbuchspruch für das Herbeibringen der Fähre. 1 •>
Sie gehören also auch nicht mit dem vorhergehenden ^K\ — <? I »sie
mähen« zusammen, sondern bilden wohl einen selbständigen Satz: »ihr Spelt
war fomwt-t.« Das Wort ktm-wt-t, für das Grapow eine Parallele aus dem
»Amduat« beibringt, wo es, mit ^ determiniert, dem npr »Korn« gegenüber-
steht, wird wohl ein Seitenstück zu «^ v^ JL, (1 v\ JL, ' <v y ILk
sein: wie diese Ausdrücke wird es eine göttliche Personifikation, etwa des Ernte-
segens, bezeichnen, das personifizierte kirn, wie Rnn-wt-t das personifizierte rnn
»Nahrung« ist. Ob von k!m »Garten« (^wm)? Das bei B darauffolgende ^ ^z^>
wird durch das, übrigens schwarz geschriebene, also wieder die Rede des Toten
aufnehmende ^^^ bei D als »du entfernst« erwiesen.
166,6. (l-o=-(l (1 (I /wws^*^- <g\ ( ) kann doch nur »ich bereite euch ein
1 /www ^ — rr\^> | | |
Mahl« bedeuten; nicht »mir wird von euch ein Mahl bereitet« (Grapow); das
»endungslose« Passiv lautet ja <e>- v\ und die Präposition (j/vwwv wird in geschieht-
f\ f /wwv\ 1
licher Zeit nicht mehr mit Suffixen verbunden. Die Variante in D -ca>- (I I
»ich bereite dir«, die das »euch« durch »dir« ersetzt hat, bestätigt meine Auf-
fassung. Auch an der Parallelstelle 162, 9 ist die angeredete Person (J//-A/-/), nicht
der Tote, der Empfänger des Mahles. Zur Schreibung von frj-jvgl. ob. S. 4 Anm. 2.
168,16. ^^ ^^ U£7 y£7 c± Jn nicht »der Königszwillingssohn« (Grapow),
sondern »das Königskinderpaar«, d. i. Schu und Tefnut, zu lesen st-tj bjtj, wie in
der Var. bei D 5>= Jgfo : vgl. meine Bemerkungen bei Steindorff, Grabfunde II 18,
Anm. 2. Daß der dualische Ausdruck für das Paar hier in der älteren Fassung
von B als mask. Singularis behandelt ist (R^^l\ c ^ »es führt«), hat sein Gegen-
stück in Totb. 17, Abschnitt 14 (Urk. V 28,1/2), wo man liest: »^\V<^
D^il^lll i Ä ^klX*- "daS ist die »Mg«M^W -üe
beiden Türflügel), durch die mein Vater Atum ging« und vor allem in der Be-
handlung des ganz gleichartigen Ausdrucks für dasselbe Götterpaar Schu und
Tefnut Rw-tj »das Löwenpaar«, ebenda Abschnitt 33 (Urk. V 86, 3) : AAAW ©%^
Jl — i^^* os^, jl^rVf "wie gegründet ist dein Haus, o Löwen paar« (hier noch im
Neuen Reich!).
169, 2. J/vwwn ^| /www ^z^ Jn Y& vs\ $ nicht »der Bruder des ältesten Sokaris«
r\ ~ J!s /WWW . R
(Grapow), sondern »der älteste Bruder des Soker«, vgl. I ^\ ^=* Y% »der äl-
teste leibliche Sohn des Königs « .
170,12. In ^==^(1 liegt wohl eine Fehlschreibung für die sdm-f-
AA/WNA X /VWW\ I
Form snsn-j vor, wie sie bei Verben, die auf n ausgehen, so häufig sind (Ver-
bum II § 290. 297. 380).
172, 16. | , »Feuerbohrer?«
L6 K. Skihk: Ein altägyptischer Fingerzählreim. |">4. Band.
Ein altägyptischer Fingerzählreim.
Von Kurt Sethe.
L
Uer von Naville als Einleitung zum Kap. 99 bezeichnete Totenbuchspruch
für das »Herbeibringen der Fähre«, über dessen Zusammensetzung ich im An-
schluß an die neue Ausgabe von Grapow (Urk. des ägypt. Altert. V 145 ff.) oben
gehandelt habe, endigt mit einem Abschnitt (16 bei Grapow), in dem der Himmels-
fährmann cku dem Verlangen des Toten, ihm die Fähre zu bringen, den Ein-
wand entgegenhält, er dürfe eine Person, die ihre Finger nicht zählen könne,
nicht zu »jenem herrlichen Gotte«, d. i. vermutlich Osiris, überfahren.
Die Fassung des Zwiegespräches, das in dieser merkwürdigen Spitze gipfelt,
weicht in den beiden Handschriften des Mittleren Reichs, die wir von dem Texte
hier allein besitzen (B und D nach Grapow's Bezeichnung), stark voneinander ab.
In der älteren B (Harhotep) ist es eingeleitet durch die Anrufung des ckn und
seine in die Gestalt einer Frage gekleidete Weigerung, beides in der stereotypen
Form, die den letzten Teil des in Rede stehenden Totenbuchspruches1 charakte-
risiert: »ckn, bring' mir dies, so wahr du mit Leben versehen sein willst. Siehe
ich komme«. — »Vermag ich denn (nicht), (es) dir nicht zu bringen, o Zauberer?«
Der begründende Satz, der diesen Worten des Fährmanns nach dem Brauche
des Textes folgt (Grapow 178, 8 — 10), hat im vorliegenden Falle aber eine
andere Fassung als sonst. Nicht die mangelhafte Ausrüstung des Schiffes wird
hier geltend gemacht, sondern eben die vermeintliche Unwissenheit des Toten,
der nicht einmal seine Finger zählen könne (wir würden sagen: der nicht ein-
mal bis drei zählen kann) : ]) h ^ | 3 ^ä 0 ■-w-- (j /WWNA |
A/WW\ /WWW
18' J^\^ JV^MIK' 'Dieser herriiche Gott
wird sagen: ,Hast du mir einen Mann übergefahren, der seine Finger nicht
zählen kann?'«2
') In der genannten Arbeit über die Koniposition des Spruches von mir als Teil IV bezeichnet.
2) n rh-f ist Zustandssatz, der hier genau wie im Koptischen den Relativsatz nach dem in-
determinierten s «ein Mann« vertritt. In tnw liegt vermutlich nicht der Infinitiv des Verbums tnj
-unterscheiden', vor, der weiblich sein müßte, sondern ein Nomen »Zahl«, »Zählung«, das aus der
Verbindung <=> , ^ , „l)ei jedesmaligem« (als Konjunktion »sooft als«) bekannt ist. Das
gewöhnliche Wort für »Zählung«, das z. B. in den amtlichen Benennungen der Jahre nach den
Vermögenszählungen gebraucht wird, ist dagegen auch weiblich: ^^=j .
ü c±
iJ.ind .')4.| k Skthe: Ein altagyptiscber Fingerzahlreim. 1/
Hierauf folgt dann eine längere Entgegnung des Toten, die nach der Lage
der Dinge die Beweisführung, daß er seine Finger zählen kann, enthalten wird
(Grapow 178, 11 — 179, 2). Dieses letztere Textstück ist es, das den eigentlichen
Gegenstand der nachstehenden Untersuchung bilden wird.
In der jüngeren Hs. D (Berliner Sarg des Alentuhotep) fehlt dagegen die dem
obigen Satze in B vorangehende stereotype Gesprächseinleitung (Anrufung des
'hu und seine Gegenfrage) ganz, wie das in derselben Hs. D gleicherweise auch
bei dem vorhergehenden Abschnitt 15 der Fall war. Dort war es aber augen-
scheinlieh, daß der scheinbar rudimentäre Zustand, in dem der Text in der
jüngeren Hs. D vorliegt, tatsächlich der ursprünglichere war, und daß die Fassung
der älteren Hs. B eine sekundäre Erweiterung dieses älteren Zustandes darstellt.
Es wäre an sich möglich, daß auch in unserm Falle etwas Ähnliches geschehen
sei, und daß der Text ebenso wie dort erst durch den B-Redaktor künstlich
den anderen Abschnitten 12 — 14 angepaßt worden sei. Doch ist die Überlieferung
des Textes in dem weiterhin folgenden Stück (Grapow 178, 11 ff. — 179, Uff.), das
uns hier speziell beschäftigen soll, im allgemeinen in der Hs. B augenscheinlich
besser als in der Hs. D. Auch läßt sich nicht verkennen, daß der Text, wie
er jetzt in D dasteht, eigentlich in der Luft schwebt. Man vermißt dort ent-
schieden eine Einleitung in der Art, wie sie bei B vorhanden ist. Die unver-
mittelte Einführung unseres Textstückes, das bei D als Fortsetzung des in sich
abgeschlossenen Abschnittes 14 15 erscheint, könnte ja noch ein Zeugnis für
seine fremde Herkunft, eine Folge seiner einstigen Selbständigkeit sein; in der
Zusammensetzung mit dem aus den verschiedensten Elementen aufgebauten Ge-
vnntspruche wirkt sie jedenfalls störend und bedurfte notwendig einer Um-
redigierung, wie sie in B vorliegt.
Der Text in D (Grapow 179, 4 —8) lautet einfach so: PfPP'^^JIV
*w_^3* ^K\ h^^ »[Sagst] du, daß du zu dem Aufenthaltsorte jenes herrlichen
Gottes überfahren willst? Er wird sagen: , Fährst du einen Mann über, [der]
seine Finger [nicht] zählen [kann]?' So wird er sagen4.«
Zwischen diese Rede des Fährmanns, die inhaltlich der oben aus B mit-
geteilten genau entspricht, und die längere Entgegnung des Toten, in der er,
-=o»c
1 Lepsius ergänzt (nach Passalacqua's Kopie?) am Anfang der Lücke (I (I . Man erwartet
nach den Parallelstelh-n M'vww |K a> (Grapow 169,8) oder nur *^| v. x> (ib. 168. 3). In Ab-
schnitt 3 (ib. 149. 8) hatte die Hs. offenbar fehlerhaft ^^ '
'-) Lepsius ergänzt (nach Passalacqua ?)
!) Lepsius ergänzt die ganze Lücke (nach Passalacqua ?i . Lies <^> ,-^-V. Oder
sollte ein Wort für »vergessen«, »nicht wissen« darin stecken? c=
4) Das Jci-f hat hier noch deutlich die futurische Bedeutung, die dem Tempus sdm-kl-f und
dem partikelhaften Gebrauch von ks eigen ist.
Zcitselir. f. Aitypr. Spr„ 54. Hand. 3
18 K.Si im: Kin altägyptischer Fingerzählreim. |54. Band.
wie gesagt, vermutlich den Beweis dafür antreten wird, daß er seine Finger
zählen könne, schiebt sich hier in I) noch eine kurze, ans zwei Sätzen bestehende
Wechselrede ein, die diese Vermutung augenscheinlich geradezu bestätigt (Grapow
179, i) — 10). Der Tote erwidert nämlich auf die obigen Worte des Fährmanns:
|% q ^z^Kljl^ 1 vfi \ Micn kann [meine Finger] zählen« und erhält
darauf zur Antwort: ~ 31 <£f=~= t\ "" D<=>|jCß\^>¥\ ii »so zähle (sie) [mir]
doch auf nach Finger, nach Zehe, damit [ich] (es) höre«1.
Was nun folgt (Grapow 179, 11 ff.) — eben jene längere Entgegnung des Toten,
von der oben angekündigt wurde, daß sie der eigentliche Gegenstand dieser
Zeilen sein werde, hier in D durch die schwarze Farbe der Schrift als Worte
des Toten charakterisiert — wird hiernach nichts anderes enthalten können, als
eine Aufzählung der Finger bzw. Finger und Zehen in irgendeiner Form.
IL.
Dieses Textstück, dem wir uns nunmehr zuwenden wollen, besteht aus einer
Reihe kurzer Sätze oder, um es gleich zu sagen, Verse (Stichoi), die in der 2.Pers.
mask. sing, gefaßt sind, und die mit dem übrigen Inhalt des Totenbuchspruch.es
in keinerlei Zusammenhang oder Beziehung stehen. Man denkt dabei, wenn man
sich den mutmaßlichen Zweck dieses Textstückes vor Augen hält, unwillkürlich
an etwas wie die Reime, mit denen wir unsern Kindern die Finger zählen":
v\ | PI ^ I ^K^ ! V\ I G-Tl^x X 4 N_ " du nast ^ie Götterneunheit (um dich) versammelt
mit deinen beiden Händen als zehn Götter (dich eingerechnet), gezählt an deinen Fingern, als zehn
Götter, gezählt an deinen Zehen«, Berl. Pap. 3055, 15, 2/3 (Amonsritual); ähnlich ib. 16, 9/10;
ff] ^\(| »zähle meine^') Kinder«, Pyr. 1871 b (Rede des Atum an Schu). V\ ü wird an
unserer Stelle die bei Imperativen gebräuchliche enklitische Partikel sein. Was dahinter fehlt,
wird nur vw« als defektive Schreibung für /www M | »mir«, wie die Hs. für gewöhnlich schreibt,
oder »sie« (die Finger), wozu der Raum auch ausreichen würde, gewesen sein können. Das
folgende <cr>, das über den beiden nebeneinandergestellten Zeichen der demnach wohl koordiniert
zu nehmenden Worte für »Finger« und »Zehe« steht (vielleicht beim Lesen von sth »Zehe« zu
wiederholen), wird distributive Bedeutung haben (x«r« bcty.TvXov yjtoos y.cci y.ara hctx.7vy.ov ~oboo).
Zu der Verbindung dbc s>h »Finger und Zehe« vgl. Harhotep 415: ^l^a* ^T ^\ [Tt -" flll
VL> ^ ^Jv »ich bin eingetreten in Finger und Zehe des Osiris«. In unserem Falle wird
/vww\ -CP^>- \ — /
die Koordination nicht die Bedeutung von »und., sondern von »oder« haben, da der nachher
folgende Text, wie sein Wortlaut zeigt, nur die Finger, nicht die Zehen zählt. Hinter sdm »hören«,
dessen m noch in Passalacqua's Kopie als erhalten gegeben zu sein scheint, ist gerade Raum für
das Suffix 1. sing. (I | : Das selbstverständliche pronominale Objekt »es« ist (ebenso wie eventuell
vorher beim Imperativ tnj »zähle« und wie sicher bei Grapow 172, 13. 177,12) unbezeichnet, vgl.
dazu kopt. ÜTepoY-c(oTM -^e üa'i-uecmrY »als die Brüder (es) gehört hatten«, Steindorff, Kopt.
Gramm.8 S. 20*.
-\ Vgl. hierzu Wilhelm Grimm's Kleinere Schriften III. 449.
Band 54.]
h. Sinn: Kin altägyptischer Fingerzählreim.
IS)
1. »Das ist der Daumen.«
2. »Der schüttelt die Pflaumen.«
3. »Der liest sie auf.«
4. »Der trägt sie nach Haus.«
5. »Und der kleine Schelm ißt sie alle miteinander auf.«
Soll eine solche Deutung für unsern Text zutreffen, so wird die Zahl der
Verse, aus denen er besteht, entweder 5 oder 10 oder, falls Finger und Zehen
gezählt werden sollen, 20 gewesen sein müssen. Grapow, der nach dem Zweck
des Ganzen gar nicht gefragt zu haben scheint1, unterschied, lediglich nach dem
Satzbau, in der Fassung der Hs. D 8, in der der älteren Hs. B aber 9 Satzzeilen.
Schon ein flüchtiger Blick auf den Text von B, wie er bei Grapow abgedruckt
ist, überzeugt aber davon, daß der 5. Satz (Grapow 178,15) doppelt so lang
als die andern ist. Teilt man ihn da, wo bei Grapow der Buchstabe d steht,
so hat man in B die erforderlichen 10 Verszeilen, deren jede aus 2 bis 3 He-
bungen zu bestehen scheint".
B.
1).
I. Ü^P
I _^r
^
fM
»Du hast die eine genommen.«
»Du hast die eine genommen.«
2. ^P
<<~^ a
^5P
»Du hast [als zweiteri die eine ge- »Du hast die einen zwei (oder Schwestern)
nommen.« (?).
genommen.«
itka^:fteM3' i
»Du hast ausgelöscht, was du getan »Du annullierst es (fem.) am Kopfe des
hast« [lies: es ausgelöscht an ihm]. Horus.«
v AAA/V
L=4
»Du hast es (fem.) abgewischt an
ihm. «
5 ^jk^ \ &
»Gib mir doch«
/WWNA /WVAAA 9
•/'
6.
;
»Ich habe dir gegeben das W{asser](?)«
»was (gern) gerochen wird, an mein »der beiden (fem.), die sich deinem Ge-
Gesicht.« sichte zugesellen in ... .«
»Löse dich nicht los von ihm (fem.).« »Löse dich nicht los von ihm (fem.).«
') Er begnügt sich damit, zu sagen, daß die Übersetzung, die er gibt, sehr problematisch
sei. — 2) Die fetten Buchstaben (a, b. c . . . .) verweisen auf die Bemerkungen, die dem Texte folgen.
3*
20 K. Sinn:: Ein altägyptischer Fingerzählreim. [54. Hand.
»Du hast das Auge aufgebrochen.«
. L,
B. D.
»Schone1 seiner (fem.) nicht.« »Schone seiner (fem.) nicht.«
'•'• mä'~r; PST
»Du hast das Auge erleuchtet.«
MAMA ^T-r-^
10. A-ü/1 vft ,
»Gib mir das Auge.« »Gib mir das Auge.«
Bemerkungen zum Text.
a) /um Wechsel der Schreibungen h^jp ^4 und ^Jp h$ vgl. (j c ^ ^jj H neben
^R Harhotep 189—190.
b) Die Determinierung von | a »die eine«, das auf das Auge (ägypt.
fem.) des Horus zu gehen scheint (s. u.), als göttliche Person mittels des Zeichens
der Frau bei B entspricht der allgemeinen Tendenz der Handschrift, die sich im
Determinieren kaum genug tun kann.
c) Das w bei | J] in B ist sehr zweifelhaft. Es sieht aus, als ob es
getilgt (ausgestrichen) wäre. Das würde zu dem nur einmal gesetzten Deter-
minativ Jj passen, das bei einer wirklichen dualischen Form wc-tj kaum er-
■ /www
laubt wäre. - Das Element , das dem Texte in B fehlt, wird dort ieden-
falls nach D herzustellen sein, da das Wortspiel ein solches Element notwendig
fordert (s. u. Abschnitt IV). Da dieses sn-tj bei D vor dem Worte ,.
' t o 1 1 J o 1 1
steht, und da der in unserm Texte herrschende Strophenbau die gleiche Wort-
folge auch für B erwarten läßt (s. u. Abschnitt III), so kann es nicht wohl das Kar-
dinalzahlwort »zwei« selbst sein, sofern man es mit ,, zu einem Zahlaus-
druck verbinden will, sondern es wird in diesem Falle nur selbst das gezählte
Wort sein können, sodaß man also wohl oder übel »die einen zwei« oder »die
einen beiden Schwestern« zu übersetzen hätte. Das klingt recht seltsam und
wenig glaublich, gibt auch keinen vernünftigen Sinn. So sieht man sich denn
| /WWW > r-i^ s->.
auf den Weg der Emendation verwiesen. Diese kann bei , oder bei . .
bzw. | 3 einsetzen. Das Nächstliegende ist, daran zu denken, daß das
letztere aus einem alten * ~ jl jj wt-tj, defektiv geschrieben a, verderbt sein
könne, der 2. Sing, des Pseudopartizips von wc »allein sein«, das ja bekanntlich
im Ägypt. der gewöhnliche Ausdruck für unser adverbielles »allein« (solus, seul)
ist: it-n-k sn-tj w^-tj »du hast die beiden (Augen) allein genommen«. Doch würde
r) Oder »habe Mitleid«, »erbarme dich«, s. u. Abschnitt VI.
Band .')4.| I\. Si im : Kin altägyptischer Fingerzählreim. 21
ein solcher Wortlaut im Widerspruch zum Verse 1 stellen, der ja schon den
ersten Finger »die eine« nehmen ließ. — Demnächst wäre an eine Emendation
I AWW
des | in das Ordinalzahlwort in-nw-t »die zweite«, in der Orthographie von B
iAAAAAA . AAAAAA H
„ \\ (vgl. J nV\\D © »das zweite Mal« Harhotep 405), zu
denken »die zweite der einen«, d. i. das Auge, das das zweite zu dem »einen«
in Vers 1 genannten bildete.
Schließlich bietet sich noch eine dritte Möglichkeit, die das Gegenstück zu
der an erster Stelle erörterten Emendation mit dem Pseudopartizip wc-tj bildet,
nämlich anzunehmen, daß wirklich, wie es der Befund in B nahelegt, '7 oJ)
zu lesen sei, wie in Vers 1, und daß dies wie dort als singularisches nominales
i/wwv\
seiner-
seits eine derartige Pseudopartizipialform von dem Zahlverbum |~ »zwei machen«,
»der zweite sein« enthalte, das ich in meiner Arbeit: »Von Zahlen und Zahl-
worten bei den Ägyptern« S. 119 aus den Pyramidentexten nachgewiesen habe,
wo es im Parallelismus zu jenem andern Verbum , »allein sein« vorkommt
(»er läßt dich allein sein« . . . »er läßt dich zweiter, d.i. zuzweit, sein« Pyr. 232c).
Unser Satz würde dann also lauten: »du hast, indem du zweiter warst (d. i. selb-
zweit), die eine genommen«. Der zweite Finger wäre damit als Helfershelfer des
ersten Fingers beim Nehmen hingestellt, was in der Tat am Platze w^äre, da der
erste Finger das Nehmen schwerlich allein hätte bewerkstelligen können (s. hierzu
Abschnitt VII). Dieser Lösung, die wohl in jeder Hinsicht die beste ist, wäre
nur das eine nachzusagen, daß das Pseudopartizip eine unregelmäßige Stellung
im Satze hätte. Nach den Wortstellungsgesetzen wäre es eigentlich hinter dem
mutmaßlichen Objekt k<4 zu erwarten1. Der Vers mit seinem Reim (s. u. Ab-
schnitt III) würde diese Durchbrechung der allgemeinen Regel aber wohl recht-
fertigen.
Es scheint aber auch nicht an analogen Beispielen einer solchen Durch-
brechung bei dem entsprechend gebrauchten Verbum wc »allein sein« zu fehlen, vgl.
AAAAAA AAAAAA
Cf
s^ | j m w yy „ er bringt dir allein (eig. indem du eins bist) die Doppel-
1
kröne« Pyr. 1381; JLZj<&^6 ^ ö D %^\~ ^ ^>~~~ ^ »du issest dir dies
dein Brot, du allein (eig. indem du eins bist) das eine« Pyr. 1226 (nach M. ; bei
P. durch Ersetzung der 2. sing, durch den Namen des Toten und die 3. sing,
gestört; bei N. ganz mißverstanden). Hier liegt beidemal ein deutlicher Gegen-
satz des w--tj »du allein« zu einem nachfolgenden Zahlausdruck vor; auf ihm
dürfte die unregelmäßige Wortstellung beruhen, die auf eine Art Hervorhebung
des »du allein« hinausläuft. Unser Fall scheint nun ganz ähnlich zu liegen;
SA tk X> V- a "iß dieses allein" Pyr. 1941: es folgt: »gib
/wwvs Sil' ^ — * ü _zr _zr a i
(es) nicht deD Menschen«.
22 K. Sethe: Hin altSgyptischer Fingerzählreim. [54. Band.
denn auch in ihm ist das auf das vorangestellte »du zuzweit« folgende Wort
(Objekt des Satzes) ein Zahlausdruck »die eine«, der in gewissem Gegensatz dazu
stehen könnte. Insbesondere ist die Analogie zu der Stelle Pyr. 1226, woiC-tj
iC" »du allein das eine« unserm sn-tj irr-l »du zuzweit die eine« genau entspricht.
geradezu schlagend.
Ich möchte denken, daß diese Analogien aus den Pyramidentexten eigent-
lich geeignet sein sollten, den letzten Zweifel an der Richtigkeit der oben zu-
letzt vorgeschlagenen Deutung der in Rede stehenden Worte unseres Verses zu
beheben. Was schließlich die Orthographie des Wortes j anlangt, so würde
sie gar nicht einmal der Berichtigung bedürfen; sie würde der korrekten Defektiv-
schreibung . für vf-tj »du bist allein« entsprechen, indem sie wie diese das
Determinativ des Verbalstammes, das Zahlzeichen, richtig hinter der defektiv
geschriebenen Endung a zeigte.
(I) In B endet hier eine Zeile, daher ist das letzte Wort infolge Raum-
-<E>-
mangels stark gedrängt geschrieben. Die von Maspero herrührende Lesung
für die unter (1 I nebeneinander stehenden Zeichen ist von Lacau bei seiner Kolla-
tion mit Recht angezweifelt worden. Sie wird nach der Photographie zu ur-
teilen, was das ^r^> anlangt, sicher falsch, hinsichtlich des <u>- möglicherweise
unrichtig sein. Falls wirklich -o^ dasteht, wäre (1 > »was gegen ihn ge-
tan worden ist« (oder (I »was du gegen ihn getan hast«?) zu er-
warten und so dürfte der Text in dem Falle gewiß zu emendieren sein (s. u.
Abschnitt IV). Ich möchte aber nach der Photographie denken, daß ij '
dastehe, und daß dies 1(P > zu lesen sei (vgl. Pyr. 86a; und 89c?); es scheint
nicht unmöglich, daß das so seltsam gestellte (I erst nachträglich zu dem
bereits (ziemlich in der Mitte der Zeile) dastehenden I hinzugesetzt sei. Damit
würde das immerhin seltsame (11 aus dem Satze verschwinden und dieser würde
genau seinem Zwillingsbruder, dem Satze 4, entsprechend gebaut sein. Auch
der abweichende Text von D (tljm-k ij) würde zu der Lesung <7////-//-/.- ij ir-f vor-
trefflich passen. Zu dem Worte ihm, das in I) das chm von B vertritt, s. u.
Abschnitt IV.
e) Line besondere, vom Buchstaben r verschiedene Form des o, die die
Hs. sowohl für ; i\ wie in der Verbindung 1\ -Q. fl w gebraucht, z. B. in t\
»siehe«, UA/WWV1$\ ü fl htm »wer?«.
f) Das o fehlt irrigerweise bei Grapow. Dasselbe Verbum in gleicher
Schreibung Harhotep 242/3 : »erfreut ist die Nase der Götter« II /ww^ | /» Q7\ I
r^^Wv ^ "si(> riecncn Sern den -^"ft ^er Göttin [//'/]-//"/•/«. An sich
Band 54.] K. Sjethe: Ein altägyptischer Fingerzählreim. 2B
könnte die Form $n§n-t auch aktives Partizip »was riecht«, also die Nase, sein,
doch zeigt gerade die eben angeführte Stelle das Verbnm nicht von der Nase
selbst, sondern von den Lebewesen, die mittels der Nase riechen, gebraucht.
g) Lies 'w^™ ? Oder ob ^z^> NL. bzw. ^=^> ^ NL. zu lesen und zu über-
AAAAAA A/VWNA ^ZJ A/WV\A ^£-1
setzen ist »gib mir das Verletzte«? Dann wäre eine partitive Genitivverbindung
mit dem Anfangsworte des folgenden Verses anzunehmen. Das * »dein Ge-
sicht« des 6. Verses spricht aber entschieden dafür, daß hier »dir« zu
lesen ist.
//) Fehlt hier etwas oder ist das v\ überhaupt nur Dittographie? Oder
ist es defektive Schreibung für 0^, »da«?
i) Die Lesung shd scheint sicher.
III.
Die oben vorgeschlagene Teilung des fünften Satzes findet ihre Bestätigung,
wie man sie sich schöner kaum denken kann, durch eine Beobachtung, die einer
meiner Zuhörer, Herr Drd. Adriaan de Bück aus Holland, machte, als ich die
Sache im Kolleg vortrug. Er sah, daß die Glieder des dritten Satzpaares, wie
es durch diese Teilung entstanden ist, die Verse 5 und 6, in der Fassung von
B sich reimen1, ebenso wie die Glieder der beiden folgenden Satzpaare:
5 endigt auf n-j »mir« (um), () auf hr-j »mein Gesicht« (gp&t).
7 und 8 endigen beide auf im-i »von ihm« (mmoc).
9 und 10 endigen beide auf jr-t »Auge« (*ßret, tpi bei Plutarch).
Zum mindesten ein unechter, wenn nicht ein echter, Reim wird auch bei
dem ersten Satzpaar vorgelegen haben, in welchem Satz.l auf wc-t »die eine«
(oyev < *ewcift) ausgeht, Satz 2 aber nach der handschriftlichen Überlieferung
anscheinend auf den Dualis desselben Wortes wc-tj ausgehen würde. Diesen
Dualis, dessen Existenz bei einem Worte wie wc-t »die eine« von vornherein
recht fraglich erscheinen muß, könnte man sich nach dem Muster von ujoyeiT
< *Swejtej etwa *o<YeiT < *w^ejtej vokalisiert denken, sodaß sich beide Wort-
formen etwa auf einer Aussprache *cw^7t, *ewclte berührt haben könnten. Indessen
bedarf der überlieferte Text von Vers 2, wie oben ausgeführt wurde, notwendig
der Emendation. Unter den Vorschlägen, die dafür gemacht werden konnten,
war einer, bei dem das Schlußwort des Verses eben die Vokalisation der eben
angezogenen Form ujo^cit haben würde; bei den beiden anderen würde es da-
gegen mit dem des ersten Verses völlig übereingestimmt haben. Zu diesen
*) Sie würden sich auch in D reimen, wenn man bei (rwvK.) und * ' (^pa^u) teilen
könnte oder wenn in Vers 5 wirklich aa/vwa «Wasser« (Mooy, achmim. M&y) zu lesen und in
Vers 6 das ^\ wirklich im »da« (jüM^y. achmim. ÄiAio) vorstellen sollte. — Dieser Text bei D ist
aber /weifellos stark verderbt.
24 K. Sinn: Ein altagyptischer Fingerzählreim. [54. Band.
letzteren beiden Emendationen gehörte nun auch diejenige, die entschieden das
höchste, nahezu an Gewißheit grenzende Maß von Wahrscheinlichkeit besaß.
Bei dem schließlich noch übrigbleibenden zweiten Paare, den Sätzen 3
und 4, ist leider die Überlieferung bei B unsicher; bei I), wo zudem einer der
beiden Sätze zu fehlen scheint, weicht die Textfassung stark von B ab. Daß
die Richtigkeit der de BucK'schen Beobachtung durch diesen einen Fall nicht in
Frage gestellt werden könnte, selbst wenn er sich wirklich als Ausnahme her-
ausstellen sollte, scheint klar. Tatsächlich läßt sich für den Satz 3 aber, wie wir
sehen werden (Abschn. IV), so oder so wohl der richtige Text von B herstellen,
und dabei scheint es auf alle Fälle sicher daß auch dieser Satz mit demselben
Worte n tr-f »an ihm« (epoq) endigte wie sein Zwillingsbruder, der Satz 4.
Wie dem aber auch sein mag, es kann kein Zweifel sein, daß wir es in
unserm Fingerzähltext mit dem ältesten Beispiel des Beinies in Ägypten und
aller Wahrscheinlichkeit nach auch dem ältesten Reime auf Erden überhaupt zu
tun haben. Dabei handelt es sich, im Gegensatz zu den altarabischen Reim-
gedichten, nicht um einen durch das ganze Gedicht fortlaufenden Reim, sondern
um Reimpaare mit wechselndem Reim.
Die sich reimenden Verse gehen in drei, wenn man den (im Grunde kaum
noch) zweifelhaften Fall des Verses 2 hinzunimmt, sogar in vier von den fünf
Fällen, die das Gedicht aufweist, auf ein und dasselbe Wort aus, sodaß also
jedesmal das betreffende Wort nicht auf ein anderes gleich endigendes Wort,
sondern auf sein eigenes Duplikat reimt. Der einzige Fall, der eine Ausnahme
bildet, indem in ihm zwei verschiedene Wörter den Reim bilden (5 K&.I, 0 £P*^)-
ist das B. Verspaar. Es wird kein Zufall sein, daß dies gerade das Verspaar ist,
in dem sich beim Zählen der Finger der Übergang von der einen Hand zur
andern vollzieht.
Man kann den Tatbestand demnach dahin feststellen, daß unser Text beim
Zählen der Finger einer Hand nur den Reim mit gleichem Reimworte anwendet
und nur zugleich mit dem Wechsel der Hand auch das Reimwort wechselt.
Danach wird nunmehr auch die oben noch immer als offen behandelte Frage
nach der Herstellung des zweiten Verses mit aller Bestimmtheit dahin zu be-
antworten sein, daß dieser Vers notwendig gleich dem ersten Vers auf den
Singularis i oj) geendigt haben muß. wie das die wahrscheinlichste der vor-
geschlagenen Emendationen ja auch voraussetzte.
Noch etwas anderes ist an den Reimen unseres Textes zu beobachten, das
leichtlich ein wesentliches Charakteristikum der hier angewendeten Reimtechnik
sein könnte. Wenn man die Reimworte der verschiedenen Verspaare miteinander
vergleicht, so zeigt sich ein eigentümliches Verhältnis zwischen ihnen, und zwar
sowohl hinsichtlich ihrer Vokalisation wie ihres sonstigen Baues.
Das erste Verspaar hat einen klingenden Reim; das Reim wort ist ein vorn
betontes zweisilbiges Wort "'eirrlft mit dem Vokal % in der offenen Tonsilbe und
Band 54.] K. Sethe: Ein altägyptischer Fingerzahlreim.
ausgehend auf die unbetonte Femininalendung -pt (alt vielleicht -al). Das gleiche
ist bei dem letzten (5.) Verspaar der Fall, dessen Reimwort *jtret (alt vielleicht
\jirat) lautet.
Dagegen hat das 2. und ebenso das 4. Verspaar einen stumpfen Reim; das
Reimwort ist beidemal ein hinten betontes Wort, das im Koptischen nach Ver-
lust eines anlautenden (j mit einer durch den Hilfsvokal e (Vorschlagsvokal vor
der anlautenden Doppelkonsonanz) gebildeten Nebensilbe e beginnt und in der
— nebenbei beidemal durch ein Pronominalsuffix — geschlossenen Tonsilbe den
Vokal ö (alt vielleicht a) enthält. Das 2. Verspaar endigt auf *ejröf »an ihm«
(alt vielleicht *ejräf), das 4. Verspaar auf *ejmö* »von ihr« (alt vielleicht *fjmas).
Es scheint sich hier also außer dem völligen Gleichklang der Reimworte,
der innerhalb eines und desselben Verspaares besteht, noch eine Art Assonanz
oder innerer Reim zwischen den Reimworten der verschiedenen Verspaare zu
zeigen, ähnlich den Assonanzen der von Littmann. Sardis VI S. 58 ff. nachge-
wiesenen altlydischen Gedichte aus der Achämenidenzeit. Und zwar folgen sich
diese Assonanzen in der 2. Hälfte des Gedichtes in umgekehrter Folge als ihre
Korrelata in der 1. Hälfte: ab — b' a'.
Eine merkwürdige Stellung nimmt auch in dieser Hinsicht wieder das die
Mitte des Gedichtes, gewissermaßen seine Wende bildende 3. Verspaar ein. Man
kann sagen, daß es in sich den innerhalb der einzelnen Verspaare bestehenden
Reim mit der zwischen den Reimworten der verschiedenen korrelaten Verspaare
bestehenden Assonanz (näj, ehraj) vereinigt. Dabei sind die beiden hier auftreten-
den Reimworte wieder in gleicher Weise gebaut; sie sind beide mit demselben
Pronominalsuffix j gebildet, das mit seiner halbvokalischen Aussprache i dem
Reim auch noch ein unterscheidendes Merkmal gegenüber den anderen Reimen
gegeben haben wird.
Alles dies könnte mit dem besonderen Zwecke des Textes zusammenhängen.
Beim Zählen der Finger wird man naturgemäß, wenn man beide Hände gleicher-
weise hält, an der zweiten Hand die Finger in umgekehrter Folge zählen als
an der ersten (s. u. Abschn. VII). Bei der Verteilung der Assonanzen, wie sie
oben festgestellt wurde, würden in diesem Falle die sich entsprechenden Finger
der beiden Hände durch eine Assonanz miteinander verbunden gewesen sein,
der erste und zweite (*ew^tjef) mit dem zehnten und neunten Cß/^t), der dritte und
vierte {*ejröf) mit dem achten und siebenten (*ejmös), während der fünfte und der
sechste geradezu, aber mit verschiedenen Wörtern, aufeinander reimten (näj, ehräj).
Das Schema des ganzen Gedichtes, das demnach einen recht kunstvollen
Bau aufzuweisen scheint, stellt sich also so dar: aa bb c c' b'b' a'a'.
Was im übrigen den Bau der Verse im einzelnen anlangt, so ist er, wenn
man den unsicheren Fall des Verses 3 hinzunimmt, in drei von den fünf Fällen
(1 — 2. 3 — 4. 7 — 8) innerhalb desselben Verspaares so streng parallel gestaltet, daß
nur je ein Wort in den beiden aufeinander reimenden Versen verschieden war.
Zeitschr. f. Ägypt. Spr., .i4. Band. 4
26
K.Siiin: Ein altägyptischer Fingerzählreim.
[54. Band.
IV.
Die Deutung als Fingerzähltext, die dem uns beschäftigenden Textstücke
oben gegeben wurde, im allgemeinen und die Teilung des fünften und sechsten
Verses im besonderen, erfährt aber noch in einem anderen Punkte ihre Be-
stätigung. Wer sich die Verse, wie sie oben abgedruckt sind, etwas genauer
betrachtet, wird sogleich bemerken, daß sie in der bei den Ägyptern so be-
liebten Manier mit einem Wortspiel oder Wortanklang auf den Namen der ihnen
entsprechenden Ordnungszahl Bezug nehmen. Vgl.
I ^Jl wC't »die eine«
l wc »eins«
a
sn-fj »indem du zweiter bist« (?).
rhin »löschen« (B),
ihm »annullieren« (D).
~ * — 1\ fd » abwischen « .
A ü dj » geben « . er:
|/wwva| I <(Pöh iii&n-t »was gern ge- I-
rochen wird« (B),
II II susn-tj »die beiden, die sich ge-
sellen zu« (D)1.
' ^ ^ J\ sfhh » sich loslösen « .
I ü® •' ~~ I
h>ll> »schonen« (o. ä.). ®
e=a
sn »zwei«.
, ////// »drei«.
\\\ fd » vier « .
, dir »fünf«
sra.
4tS »sechs«
III ifh »sieben«.
^^
hmn »acht«
9. P?^^ W »erleuchten« (B),
1 -31 id, »aufbrechen« (D).
D [1 )) Ml jisd » neun >
10. A o dj »geben«.
k^
md »zehn«.
Wie man sieht, widersteht hier der Vergleichung eigentlich nur eines der
in Frage kommenden Zahlwörter, das an letzter Stelle genannte Zahlwort für 10.
Der ihm entsprechende Vers ist dem fünften Verse in Form und Inhalt gleich-
artig gebaut; er hat das gleiche Kennwort, das zum Namen der Zahl 5 und
nicht zu dem gewöhnlichen Namen der Zahl 10, wie er uns sonst bekannt
ist, paßt.
') Zu beachten die Wiedergabe des doppelten s, das in den verschiedenen Formen des Zahl-
wortes infolge Wegfalls des trennenden r bzw. i früh zu einem 8 zusammengefallen zu sein scheint.
Band 54.] K. Sethe: Ein altägyptischer Fingerzählreim. 2/
5. A flls*. •& flQ $ dj m n-j »gib mir doch«.
10. A o Q vÄ " djn-jjr-t »gib mir das Auge1«.
Vielleicht darf man daraus den Schluß ziehen, daß hier bei der Zählung
der Finger beim zehnten Finger an Stelle des gewöhnlichen Zahlwortes md »zehn«
an einen anderen Ausdruck gedacht war, der wie das Zahlwort für 5 mit dem
Worte für »Hand« zusammenhing, also etwa den Dualis »beide Hände« oder
auch den Singularis »Hand«, weil mit dem zehnten Finger wieder eine Hand
vollständig wurde".
Von den übrigen Wortspielen sind uns zwei auch anderwärts bekannt, näm-
lich die mit ihm und fd der beiden Verse 3 und 4, die ein kongruent gebautes Paar
bilden. Sie kommen bereits in den Pyramiden texten zusammen vor; nur geht
dort das erstere {ihm) nicht auf die Zahl 3 {hnit), sondern auf die mit den gleichen
Konsonanten beginnende Zahl 8 (hmn). Pyr. 1978 (= Harhotep 79) heißt es von
Horus mit Bezug auf den als Osiris gedachten Toten:
.« p^ I
d
qTv--HH1
Ö IT] 'SXQ
'| Den [mperativ & 0 »gib« hier etwa nach alter Weise imj (moi) zu lesen, verbietet sich,
da der Text dieses Wort nach seinem sonstigen Schreibgebrauch mit V\ und mit anderem _ o-
Zeichen schreiben würde, wie er das ja auch mit der enklitischen Partikel m im fünften Verse
tat. Harhotep 344 findet sich für imj in der Tat die Schreibuna; ( V\ . Denkbar wäre
also höchstens, daß eine alte Schreibung ü, ß . che ursprünglich imj bedeuten sollte, später von
den Schreibern des Mittleren Reiches fälschlich als dj gedeutet worden sei. Daß das gleiche Ver-
sehen alier in den beiden so stark voneinander abweichenden Handschriften B und D vorliegen
sollte, macht diesen Ausweg nicht eben wahrscheinlich.
-) Es sei hierbei an . die Vermutung erinnert, die ich in meiner Arbeit »Von Zahlen und
Zahlworten bei den Ägyptern« 8. 23 u. "24 über ein verlorenes altes Urzahlwort für 10. das dem
ägyptischen und dem semitischen Sprachzweige gemein gewesen sei. ausgesprochen habe. Ich
forderte dafür damals ein Wort, das entweder »die beiden Hände« (vom selben Stammele? wie
das Zahlwort 5) oder die Finger (wie db' »10000«) bezeichnete, und wies auf die Möglichkeit hin.
eine in der letzteren Richtung verlaufende Spur in -so^eoT »zwanzig« zu finden, das der Dualis
davon sein könnte. Jetzt könnte jemand auf den Gedanken kommen, unsere obige Stelle viel-
mehr als Spur in der anderen Richtung zu deuten. -xo-yioT. das ich etymologisch mit dhc »Finger«
verbinden wollte, könnte die Zahl der Finger und Zehen bezeichnet haben, doch kenne ich db<-
sonst nur in der Bedeutung »Finger«. Auch würde die Erhaltung des t am Ende von •soyioT
unerklärlich sein, wenn es sich etwa um ein Kollektivuin *db6c*t handelte: sie würde eben Hin-
durch die Erklärung als Dualis ihre Begründung finden. — übrigens könnte ein Wortspiel zwischen
einem alten Zahlwort für 10 dbr-t und dem Verbum & Q »geben« wohl nur dann in Frage
kommen, wenn entweder der Text noch aus dem Alten Reich stammte (s. dazu unten Abschnitt IX).
oder dieses eventuelle dbc-K wie dbr »Finger« sonst in allen seinen andern Ableitungen, im
[Mittleren Reich zu dbc-t geworden wäre.
:i) Der Schluß nach dem Paralleltexte im Grabe des Psammetich (Rec. de trav. 17) ergänzt,
wo das Verbum — ebenso wie bei Harhotep und in dem gleich zu zitierenden Texte Pyr. 746
durch ersetzt ist: dadurch ist das Wortspiel zerstört.
28 K. Sinn: Kin altägyptischer Fingerzählreim. [Ö4. Band.
»er hat abgewischt [fd) das Schlechte, das an N.N. war, an seinem vierten
(fd-iiw) Tage,
»er hat annulliert (hm) das, was gegen ihn getan worden ist, an seinem
achten (hnnt-iiw) Tage«.
Dasselbe Wortspiel findet sich in entstellter Form noch einmal Pyr. 74(),
wo einmal Horus, das andere Mal Seth als Handelnder auftritt:
® Ollll
^ A/VSAAA IUI
»Horus hat getilgt (dr) das Schlechte, das an N.N. war, in seinen vier
Tagen ((fd-t),
»Seth hat annulliert {ijim) das, was er gegen N.N. getan hat, in seinen
acht Tagen (hmii-t)«.
Hier erscheint, in Übereinstimmung mit der Fassung D unseres Textes, statt
des Verbums ^ l\ chm »auslöschen« im Parallelismus mit " »abwischen«
ein mit dem Zeichen der Negation versehenes, dem Verbum ® ¥\ ~-n-~ J}>" "nicht
wissen« ähnelndes, in der defektiven Schreibung der ersten Stelle Pyr. 1978
sogar völlig gleichendes Verbum (j^¥l •*-"-" ihm, das oben provisorisch mit »an-
nullieren« übersetzt wurde. Es könnte darin unter Umständen wohl eine ältere
Form eben jenes Wortes chn »auslöschen« gesucht werden, wenn man an die
Entwicklung der Wörter ü ® ¥^ »Ufer« und (1 ^K *=g=> »Dämmerung« zu
späteren 1\ . und ^K f=^=i denkt. Zu der Bedeutung »auslöschen«
würde das Determinativ der Negation, das man in alter Zeit ja auch bei
(1 __n_^, »verbergen« findet, gut passen, ja besser als das spätere }}. In der
1 /vwws "5?
Tat kann das (1 des Verbums ihn nicht wohl das (1 prostheticum sein, da dieses
weder in den Pyramiden im Tempus sdm-n-f (wie an der Stelle Pyr. 746) noch
im Mittleren Reich im Tempus sdm-f (wie in unserer Hs. D) am Platze ist.
Bedenklich ist nur, daß die Form ^ 1\ , die bei einer solchen Erklärung ja
jünger als ihm sein müßte, doch gleichfalls schon in den Pyramiden belegt ist1.
Die oben angeführten Parallelen ans den Pyramidentexten sind in mehr-
facher Hinsieht wertvoll. Nicht nur, daß sie eine klare Bestätigung für das Wort-
spiel geben, sie verhelfen uns auch zur Herstellung des in der Hs. B unsicher
überlieferten Satzschlusses in unserm Verse 3. Dieser wird danach, falls nicht
^ (^ via^ ^l'Jl^^/^/A \ j £&, "gelöscht ist die Flamme, nicht wird gefunden
das Licht« Pyr. 247 a. Aiicli in dem sehr alten Text der Hausweihe, der sich in den Tempeln der
18. Dyn. von Luksor und von Medinet Habu aufgezeichnet findet, kommt das Verbum bereits in <\n-
Schreibung _ v\ £ /] vor (Gayet, Louxor pL 12,2/3. Dümichen, Hist. [nschr. 2.36a1, 2).
Band ">4.| K. Sethe: Hin altägyptischer Fingerzählreim. 29
die oben Abschn. II, Note d ins Auge gefaßte, dem parallelen ~; i\
am besten entsprechende Lesung «^11. 'ü möglich sein sollte, so
lauten müssen: ^M^l (b*H0S^-*-^I) IPT'C '*" ^
ausgelöscht (bzw. annulliert) das, was gegen ihn getan worden ist«, eventuell
mit dieser Abänderung des Schlusses: (I »was du gegen ihn getan
d V « 1 as^
hast«, falls Maspeho's Lesung; auf besserem Grunde beruhen sollte, als es
der Fall zu sein scheint. Auf jeden Fall gewährleisten uns jene alten Paral-
lelen, daß unser Vers 3 wie sein Zwillingsbruder, der Vers 4, auf (1 * endigte.
V.
Diese Parallelen aus den Pyramidentexten führen uns zugleich aber auch
in den Gedankenkreis, in dem sich unser Text bewegt.. Es ist der Mythus des
Osirisgeschlechtes, um den es sich in beiden Fällen handelt. Dort in den Pyra-
midentexten ist von der Übeltat die Rede, die Seth an Osiris begangen hat, und
die von Horus bzw. von Horus und Seth wieder gutgemacht wird. Hier in
unserem Texte handelt es sich augenscheinlich um das Auge des Horus, das Seth
ihm beim Kampfe ausgerissen hat. Li den Sätzen 9 und 10, also in dem letzten
Verspaar des Textes, wird »das Auge« geradezu genannt. In Satz 10 wird auch
gesagt, daß es dem Redenden gegeben werden solle, was man auf die Rückgabe
des Auges an Horus durch Thoth beziehen könnte (s. jedoch unten).
Dieses mythische Auge ist unverkennbar auch gemeint, wenn es in Vers 1
und anscheinend auch in Vers 2 heißt, der Angeredete habe »die eine« genommen.
Diese eine, die in der Hs. B als Göttin determiniert ist, ist das eine Auge (im
Ägyptischen Femininum) des Horus, das ihm durch Seth geraubt wurde.
In den übrigen Versen, die zwischen diesen Anfangs- und jenen Schluß-
versen des Textes stehen, ist das Auge zwar nicht direkt mit Namen genannt,
aber Pronomina personalia der 3. fem. sing, nehmen wiederholentlich darauf Be-
zug. So ganz deutlich in den Versen 7 und 8, von denen noch unten näher
zu reden sein wird. Auch in Vers 4 und vermutlich auch in Vers 3 kommt ein
solches Pronomen als Objekt vor. Hier würde man nach den oben zitierten
alten Parallelen aus den Pyramidentexten aber eher an das Üble, das Seth dem
Osiris oder Horus getan hat, denken : doch belehrt uns die Fassung, die Vers 3
in der Hs. D hat, »du annullierst es oder löschst es aus am Kopfe des Horus«,
daß wenigstens dieser Redaktor das \\ »es« des Textes auch hier persönlich ge-
faßt und auf das ja unmittelbar vorher als »die eine« genannte Auge des Horus
bezogen hat, der hier sogar selbst geradezu mit seinem Namen genannt wird.
In Vers 6, der mit Vers 5 zusammen einen Satz bildet, scheint dagegen von
einem wohlriechenden Gegenstande die Rede zu sein, der in oder an das Gesicht
des Redenden gesetzt werden soll. Daß auch das keineswegs die Beziehung auf
.50 K. Sethe: Ein altägyptischer Ffngerzäblreim. [54. Hand.
das Horusauge ausschließt, lehren die Pyramidentexte, die fortwährend von dem
Wohlgeruch II ^ I des Horusauges reden, der seinem Besitzer oder Empfänger
anhafte (Pyr. I8d. 19. 20. 1803. 2072ff. usw.) und die Nase der Götter erfreue:
wird doch auch der Weihrauch wie das wohlriechende Öl (Parfüm) geradezu als
I [orusauge bezeichnet ' .
So scheint denn das Auge des Horus in der Tat überall den Gegenstand
unseres Textes zu bilden. Daß seine direkte Nennung erst ganz zum Schluß
erfolgt, wird beabsichtigt sein, sozusagen ein Kunstgriff des Verfassers. Was
vorher nur geheimnisvoll angedeutet wurde, wird zum Schluß verraten. Me-
trische Gründe können dafür wohl kaum in Betracht kommen.
VI.
Wir kommen nun zu der Frage: wer ist der in der 1. Person Redende und
wer der in der 2. Person mask. sing. Angeredete in unserm Text? Die Verse 10
»gib mir das Auge« und 5/6 »gib mir was gern gerochen wird, an mein Ge-
sicht« könnten so gedeutet werden, daß Horus der Redende sei, insofern man
dabei unwillkürlich an die Rückgabe des geraubten Auges an ihn denkt. Doch
sollte man dann in Vers i) und 10 wohl »mein Auge« statt »das Auge« er-
warten. Dies Bedenken wird durch die Fassung, die Vers 3 bei D hat, unter-
stützt; denn dort ist der »Kopf des Horus« genannt, Horus selbst also sicher
nicht als redend gedacht. Da die Fassung von D aber auch sonst Veränderungen
in der Personenverteilung aufweist, wie z. B. die 2. sing, statt der 1. sing, in
Vers 6 und anscheinend umgekehrt die 1. sing, statt der 2. sing, in Vers 5, so
kann dies nicht allzu schwer ins Gewicht fallen.
Suchen wir, ehe wir diese Frage weiter verfolgen, erst mal die andere zu
beantworten, wer mit der angeredeten Person, die in sämtlichen 10 Versen vor-
kommt, gemeint ist. Dabei haben wir uns angesichts dessen, was eben für die
Hs. D festgestellt werden mußte, zunächst nur an die Hs. B zu halten. Nach
den beiden ersten Sätzen würde man an Seth denken ; er ist es ja, der das Auge
genommen hat. Auch bei Vers 3 »du hast es ausgelöscht an ihm« würde nach
der oben zitierten Stelle Pyr. 746 an Seth gedacht werden können, der dort als
Tilger des von ihm verübten Frevels erschien; indes war es ja recht zweifel-
haft, ob bei uns hier nicht das Horusauge selbst als Objekt der Tilgung ge-
meint war. Immerhin würde ja aber auch in diesem Falle die Beziehung der
2. Person auf Seth nicht unpassend sein.
Anderseits würde Vers 10 »gib mir das Auge« eher an Thoth denken lassen.
der dem Horus das geraubte Auge wiederbrachte, vorausgesetzt, daß man den
Satz trotz der oben geäußerten Bedenken noch dem Horus in den Mund legen
darf. Die Beziehung auf Thoth würde bei den Versen 7 und 8 zu einer be-
') Das Ol \\r\\M daher oft auch HrQ \si »das an der Stirn des Horus befindliche«,
SIT o I Ä
z. B. ÄZ. 13.91.
Bond '>4.| K. S : Ein altägyptischer Fingerzählreim. 31
achtenswerten Übereinstimmung mit den Pyramidentexten führen; dort kommen
dieselben Sätze mit ihrem ganz eigentümlichen, höchst altertümlichen Bau, den
die Schreiber unserer Handschriften kaum noch verstanden haben dürften (s. u.
Abschnitt IX), gerade an diesen selben Gott gerichtet vor.
»Thoth, eile, nimm den. der dem Osiris schadete I 1 \\), hole den, der
über den Namen des X. X. übel redete, tu ihn in deine Hand — viermal zu
rezitieren -., ^J^H^"- -»"^k^^^lk^ "löse
dich nicht los von ihm, hüte dich, daß du dich nicht loslösest von ihm«,
; Pyr. 16'.
»Thoth« f\ 0 T ^ fl ^z^6 N v\ |1 ^^ Y\ ^Zv'ilo »verschone (od. ä.) nicht
irgend jemand, der den König gehaßt hat«, Pyr. 1336a.
Zum letzten Satze vergleiche auch :
»Thoth hat dir deinen Feind niedergeworfen, geköpft zusammen mit seinem
q r-i AAAAAA r\ es
Gefolge« ^n^T^i I (1 v\ ^^. »nicht gibt es einen, den er verschont (od.ä.)
hätte«, Pyr. 635".
Daß die verschiedenen Verse unseres Textes aber bald an diese, bald an
jene Person gerichtet sein sollten, ohne daß dies irgendwie zu erkennen ge-
geben wäre, ist nicht eben wahrscheinlich. So finden wir denn auch das in
der ersten dieser Stellen (Pyr. 16) vorkommende Wort m sfhh-1: im-f, das mit
unserem Verse 7 fast wörtlich übereinstimmt, in den Pyramiden anderwärts
auch in der Anrede an Osiris gebraucht:
»Osiris N. N., empfange das Wasser, das im Auge des Horus war«, ls\ M
*!rtr^z^|jl\ I »löse dich nicht los von ihm (dem Auge)«. Pyr. 43 <v (ergänzt
, s. Nachtrag zu meiner Ausgabe).
»Horus hat dir deinen Gregner unter dich gelegt, damit er dich trage«
Vv ,_/w l^~^-^6(] ¥\*~ »löse dich nicht los von ihm«, Pyr. 642 (sehr alter
Text mit ^s^ für »dich«); vgl. Pyr. 1890.
Das zeigt, wie zu erwarten, daß tatsächlich eine Notwendigkeit, ein solches
altheiliges, gewissermaßen geflügeltes Wort stets nur auf ein und dieselbe Person
zu beziehen oder an ein und dieselbe Person zu richten, nicht vorlag.
Sieht man von allen solchen mythologischen und literarischen Rücksichten
ab und sucht die angeredete Person unseres Textes nur aus diesem selbst her-
aus zu bestimmen, so wird es das Wahrscheinlichste sein, daß es eben die ein-
i) | v^* offenbar dem späteren (] j^^ entsprechend. Vgl. ^ j^_^*|f ^f)
■^ in einci- Abschrift aus ptolemäischer Zeit. Ann. du serv. 15, *2U'2.
-| Der Paralleltext Harhotep 44 hat [ ^.^ J O (1 ¥\ *~ • wo das Deter-
minativ des Herzens auf eine Bedeutung; wie »Mitleid haben- hinweist.
32 K.Sitiik: Ein altägyptischer Fingerzählreim, [54. Band.
zelnen Finger selbst sind, die in den »Sätzen angeredet werden; das Wort dit
»Finger« ist ja Maskulinum. Gerade so geht ja auch in unserem deutschen
Fingerzählreim das Demonstrativum »der« auf den betreffenden Finger. Nur
so kommt eine innere Beziehung zwischen den Sätzen, die die Finger aufzählen,
und diesen selbst zustande neben der äußerlichen durch die Wortspiele gege-
benen Beziehung zu den Zahlen. Jeder Finger würde dann gewissermaßen seine
besondere Rolle haben, die er im Mythus vom Horusauge gespielt haben sollte.
Bezieht man demgemäß die 2. Person in unserm Texte auf die Finger, so
erinnert der Vers 7 ¥^ü fl ' ^ ^ U «r^l' "löse dich nicht los von ihm (dem
Auge)«, der einen der Finger des Seth anzureden scheint, an eine gewiß recht
alte Spruchformel, die im Tempelritual beim Öffnen des Götterschreines ge-
braucht wurde:
\\ 3 | %\ : lo »(iezogen wird der Finger des Seth aus dem Auge des Horus,
sodaß es gesund wird. Es löst sich der Finger des Seth vom Auge des Horus,
sodaß es gesund wird«, Berlin P. 3055, 3,8/9 (Moret, Rituel du culte divin S. 42).
Vers 9 aber mit seinem 1} "y Q]\ »du hast das Auge erleuchtet«
L- erinnert an Pyr. 48, ergänzt nach dem Paralleltexte der T 7^ (s. die Ersatz-
stücke zum Einkleben, die ich meiner Ausgabe der Pyramidentexte in einem
Nachtrag beigegeben habe). Dort wird dem Toten angeboten
im ersten Verse: | Pl M — ^ ~%\ l^^^^v j^ >>a^er Finger des Seth, der
das weiße Auge des Horus sehen macht«, Pyr. 48<7,
im zweiten Verse: <s>u^|q I? "^)@|[l «das Aveiße Auge des Horus,
das auf dem Finger des Seth leuchtet (oder erleuchtet wird?)«, Pyr. 486. y^
Auch hier ist von einem Finger des Seth die Rede, den er, wie es scheint,
in das weiße Auge des Horus — d. i. das Mondauge, eben das, welches er
raubte — gestoßen und der dieses Auge zum Leuchten und Sehen gebracht
haben soll.
Daß der Vers 9 auch in der abweichenden Fassung bei D I IT1 <s>-
»du hast das Auge aufgebrochen« an einen Finger des Seth gerichtet ist, ist
ohne weiteres anzunehmen, da es sich dabei um einen ausgesprochen feind-
seligen Akt gegen das Horusauge zu handeln scheint. Doch ist diese Fassung,
wie so oft bei D, wieder stark verdächtig, verderbt zu sein.
Ein Finger des Seth wird auch in dem Verse 1 angeredet sein müssen, der
von dem Raube des Horusauges durch den Angeredeten spricht: »du hast das
eine (d. i. das eine Auge des Horus) genommen«. Und ebenso wird voraussicht-
lich auch der Vers 8 nur an einen Finger desselben Gottes gerichtet sein können,
da der negative Satz mit Jittb, ob er nun »schone seiner nicht« oder sonstwie
Hand .')4.| I\. Sethk: Hin altägyptischer Fingerzählreim. Ho
zu übersetzen sein möge, jedenfalls nach den zitierten Stellen aus den Pyramiden-
texten (Pyr. 1336. 635) wieder eine feindselige Handlung gegen das Auge enthält.
Daß auch die Verse 3 und 4, selbst wenn sie von der Tilgung eines Un-
rechtes reden sollten und nicht, wie es vielmehr den Anschein hat, von der
Auslöschung und Abwischung des Auges selbst redeten, sehr wohl an einen
Finger des Seth gerichtet sein könnten, lehrt die oben zitierte Parallele Pyr. 746,
in der Seth selbst das von ihm verübte Böse getilgt haben soll.
So kommen wir denn bei nicht weniger als 6 Versen unseres Fingerzähl-
reimes (1. 3. 4. 7. 8. 9) zu der Beziehung auf einen Finger des Seth, und es fragt
sicli nun, ob die gleiche Deutung nicht auch auf die übrigen 4 Verse anwend-
bar ist. Ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Sätze unseres kleinen Textes
an die Finger verschiedener Personen richten, an sich schon sehr gering, so wird
sie es noch mehr durch das Fehlen jedweder Andeutung in dieser Richtung
und durch die unregelmäßige Verteilung der auf Finger des Seth zu deutenden
Verse innerhalb der Reihe der 10 Verse1. In der Tat besteht denn wohl auch
kein ernstliches Bedenken gegen die Beziehung der übrigen Verse auf Finger
desselben Gottes.
Vers 10, der zur Übergabe des geraubten Auges an den Redenden aufzu-
fordern scheint, »gib mir das Auge« würde, wenn er von Horus gesprochen
wäre, wie gesagt am besten auf den Finger des Thoth bezogen werden, der dem
Horus das geraubte Auge wiedergebracht haben soll. Doch hindert nichts, auch
eine Aufforderung an den Räuber selbst darin zu sehen, der den Raub heraus-
geben soll, von einer andern Möglichkeit ganz zu geschweigen, von der nach-
her noch die Rede sein soll.
Das gleiche gilt auch von den Versen 5 und 6, die, wie das Grapow richtig ge-
sehen hat, zusammen einen Satz zu bilden scheinen, der etwas Ähnliches aussprach.
Vers 2 endlich, dessen Wortlaut nicht ganz richtig überliefert zu sein scheint
und oben zu verschiedenen Deutungsversuchen Anlaß gab, ist seinem Zwillings-
satze 1 so ähnlich und gleichgebaut, daß auch bei ihm die Beziehung auf die
gleiche Person, d. h. ebenfalls auf einen Finger des Seth, von vornherein wahr-
scheinlich ist. Sie wäre sicher, wenn die oben S. 6 an letzter Stelle vorgeschlagene
Auffassung des überlieferten Textes »du hast selbzweit eine genommen«, wie ich
denken möchte, als gesichert gelten darf; denn nach dieser würde der zweite
Finger ja ausdrücklich als Mitschuldiger des ersten Fingers bezeichnet sein.
Das Ganze darf nach alledem wohl für einen Spruch gelten, in dem die
Finger des Seth angeredet werden. Wer ist nun aber der Redende? Es wurde
oben zunächst an Horus gedacht, und der Gedanke hätte unzweifelhaft etwas Ver-
lockendes, den Fingerzählreim dem Horuskinde in den Mund zu legen. Das
scheitert ja aber schon daran, daß Horus hier nicht als Kind gedacht sein kann,
'l Je drei in den beiden Hälften der Reihe, unterbrochen einmal an zweiter und fünfter,
das andere Mal an erster und fünfter Stelle der je einer Hand entsprechenden Reihenhälfte.
ZeiUchr. f. Agypt. Spr., 54. Band. 5
34 K. Sethe: Ein altägyptischer Fingerzählreim. |">4. Hand.
\
sondern als Mann gedacht sein muß, der im Kampfe mit Seth sein Auge ver-
loren hat. Andere Gründe, die gegen die Beziehung der ersten Person in unserem
Texte auf Horus sprechen, wurden schon oben geltend gemacht. Wer aber kann
dann noch der Redende sein? Die Antwort ist wohl einfach: da der Spruch
vom Toten angewendet wird, um seine Finger zu zählen, so wird gewiß auch
die mythische Person, der er eigentlich in den Mund gelegt war, ihre eigenen
Finger damit gezählt und apostrophiert haben.
Es wird also im Verfolge unseres oben gewonnenen Ergebnisses Seth selber
dahinter zu suchen sein. Und das hat denn auch nicht die mindeste Schwierig-
keit. Im Gegenteil: die Sätze 7 und 8, die ein Verbot zuungunsten des Horus-
auges enthalten, »löse dich nicht los von ihm« und »schone seiner nicht«, be-
kommen überhaupt erst Sinn, wenn es Seth selbst ist, der so seine Finger anredet.
Er fordert sie darin auf, das geraubte Auge festzuhalten und nicht zu schonen.
Im Verse 1 0 aber, der zunächst von der Rückgabe des Auges an Horus zu
handeln schien, ist nun davon die Rede, daß der betreffende Finger des Seth
diesem das erbeutete Auge geben soll, d. h. in den Mund stecken, damit er es
verschlucke (vgl. Pyr. 61a. 88 c. 92c), oder an seine Stirne setzen (vgl. Pyr. 84«)
nach dem Muster des Sonnenauges, um seine Feinde zu schrecken (vgl. Pyr. 53.
2073 r), sei es nun als wirkliches Auge zum Sehen, sei es symbolisch als Uräus-
schlange, Krone, Salbe oder Schminke.
Der letztere Gedanke, das Setzen an die Stirne, scheint deutlich in Vers 5/6
ausgesprochen zu sein, wo Seth nach der Fassung von B zu seinem fünften und
sechsten Finger sagt: »gib (oder gebt?) mir doch was (gern) gerochen wird, an
mein Gesicht1«.
Man könnte hiernach daran denken, daß dort bei Vers 10 der eine Gedanke,
das in den Mund stecken, hier bei Vers 5 der andere, das an die Stirne setzen,
gemeint sei, indem es sich um die beiden Augen des Horus handele, von denen
das eine von der einen Hand des Seth (10. Finger) in seinen Mund gesteckt,
das andere von der andern (5. Finger) an seine Stirn gesetzt sei.
Außer der 1. und 2. Person, die hier (wenigstens für die Fassung von B)
als Seth und seine Finger ermittelt worden sind, und dem Pronomen 3. fem.
sing., das sich auf das Horusauge bezieht, kommt in unserm Texte auch noch
die 3. masc. sing, vor in den Versen 3 und 4: »du hast es ausgelöscht an ihm«
und »du hast es abgewischt an ihm«, falls das hier mit »an ihm« übersetzte
ir-f nicht etwa die emphatisierende Partikel sein sollte, was nicht eben wahr-
scheinlich ist. Gemeint kann damit nach dem Zusammenhange wohl nur Horus
sein; das wird denn auch durch die Variante, die die Hs. D in Vers 3 dafür
bietet, bestätigt: »an dem Kopfe des Horus«.
M Die Passung von I) mit ihrem »dein Gesicht«, kann natürlich nicht zu einem Finger
gesagt sein sollen. Der Text ist hier offenbar verderbt oder der ursprüngliche Sinn des Ganzen
vergessen. Hier könnten höchstens die Rollen vertauscht sein, indem der Finger den Seth an-
redete: »ich halte dir gegeben das Wasser (?) der beiden, die sich deinem Gesichl zugesellen«.
Band .">j.| K.Si mik: Ein altägyptischer Fingerzählreim. 35
VII.
Für die Ermittlung der Reihenfolge, in der unser Text die Finger abzählt,
bieten uns wohl die beiden letzten Verse des Textes einen Ausgangspunkt.
Wenn die Deutung, die oben (Abschnitt VI) dem Verse 9 »du hast das Auge
erleuchtet« auf Grund einer Stelle aus den Pyramidentexten gegeben wurde,
zutrifft und hier von einem Stoß in das Horusauge die Rede ist, so wird der
Finger, um den es sich hier handelt, wohl ein Zeigefinger gewesen sein.
Hierzu stimmt, daß zum zehnten Finger gesagt wird: »gib mir das Auge«.
Denn das paßt nur auf den Daumen, der den andern Fingern gegenüber beim
Greifen eine besondere Rolle spielt und daher von den Griechen als atvTiVetp,
von andern Völkern als großer, starker oder männlicher Finger bezeichnet, auch
wohl gar nicht zu den Fingern gerechnet wird. Nur vom Daumen kann man
mit einigem Rechte sagen, daß er etwas tue wie das Geben des Auges, wozu
tatsächlich zum mindesten zwei Finger gehören ; denn er muß ja unter allen
Umständen einer von diesen beiden Fingern sein, während die Rolle seines
Partners von jedem der andern Finger oder auch von allen zusammen über-
nommen werden kann.
Ist das richtig, so muß der Finger, auf den der sechste Vers geht, der
kleine Finger derselben Hand sein. Nun bildet aber dieser Vers als einziger
unter allen mit seinem Paargefährten, dem vorhergehenden fünften Verse, zu-
sammen einen Satz, in dem also beide Finger zu demselben Tun aufgefordert
werden. Es wird daher dieser fünfte Finger, der letzte der andern (zuerst ab-
gezählten) Hand, voraussichtlich ebenfalls ein kleiner Finger und nicht etwa
der Daumen gewesen sein. Es ist anzunehmen, daß eben die Gleichheit der
beiden Finger, die beim Übergange von einer Hand zur andern aufeinander-
folgten, zur Zusammenfassung ihrer Sprüchlein in einen Satz geführt hat.
Diese Kombination wird durch den Inhalt des Doppelverses in überraschen-
der Weise bestätigt: »gib mir doch, was gern gerochen wird, an mein Gesicht«.
Das scheint zwar auf den ersten Blick im Widerspruch zu stehen mit dem, was
soeben über die Rolle des Daumens beim Geben uesas-t wurde. In Wahrheit
ist das Objekt des Gebens hier aber ein anderes, das unter ganz besonderen
Verhältnissen steht: »Was gern gerochen wird« ist offenbar die Salbe, das
wohlriechende Öl, das dein Ägypter, wie gesagt (Abschnitt V), als Verkörperung
des Horusauges oder aus ihm kommend galt1. Diese Form des Horusauges,
x) Auch in der abweichenden, vermutlich verderbten Fassung der Hs. D könnte »das W[asser]
der beiden, die sich deinem Gesichte zugesellen«, falls die Ergänzung »Wasser« richtig ist. auf
das öl als Ausfluß der beiden Horusaugen "eben. Vielleicht ist der Dualis hier aber
^ :^_ o m m o 1 1
ebenso unrichtig wie in \ eis 2 der Dualis , . . so daß auch hier nur von dem einen Horus-
auge die Rede wäre. Das Verbum »sich gesellen- könnte dagegen unter Umständen das
ältere gewesen und erst später in das anscheinend jüngere Verbum l/wwv\ II /& QT\ »gern riechen«
umgedeutet worden sein. s. u. Abschnitt IX.
B6
K. Sinn: Ein altägyptischer Fingerzahl reim.
[54. Band.
die Salbe, das öl, wird nun, wie die ägyptischen Tempelbilder immer wieder
zeigen1, tatsächlich mittels des ausgestreckten kleinen Fingers der geballten
Faust an das Gesicht der damit zu versehenden Person geführt. Es hängt das
mit der natürlichen Kolle des kleinen Fingers zusammen, den der Mensch un-
willkürlich gebraucht, wenn er etwas
wie Salbe, Mus oder Honig ohne
Löffel oder anderes Gerät aus einem
engen Topf nimmt. F]ben dieser Fin-
ger ist es ja auch, dessen man sich
bedient, um sich ins Ohr zu fahren,
daher der kleine Finger in vielen
Sprachen geradezu »Ohrfinger« (di-
gitus auriculäris) heißt.
War der fünfte Finger gleich
dem sechsten ein kleiner Finger, so
muß der erste Finger wieder ein
Daumen gewesen sein. Und in der
Tat wird zu ihm wieder etwas ge-
sagt, was ebenso wie das zum zehn-
ten Finger Gesagte wohl nur zum
Daumen paßt: »du hast die eine (d.i.
das eine Auge) genommen«. Wenn
zu seinein Nachbar, dem zweiten Fin-
ger, etwas Ähnliches, wahrscheinlich
damit Zusammenhängendes, gesagt
wird, so wird er als Zeigefinger mit dem Daumen zusammen die Tat getan haben
sollen, die hier jedem einzelnen von ihnen zugeschrieben wird. So führen auch
diese Erwägungen auf dieselbe Deutung des Satzes, die oben (Abschnitt II, Be-
merkung c) an letzter Stelle als die innerlich wahrscheinlichste und grammatisch
einfachste vorgeschlagen wurde: »du hast als zweiter die eine genommen.«
Ein ähnliches Verhältnis, wie es hier zwischen Daumen und Zeigefinger
angenommen wurde, kann übrigens auch in dem entsprechenden Falle des neunten
und zehnten Fingers vorliegen. Nachdem der neunte als Zeigefinger das Auge
aufgespießt hat oder — das wäre nun auch wohl möglich — mit der Spitze
berührt hat, soll nun der Daumen zufassen, um es mit dem Zeigefinger zu-
sammen dem Redenden zu geben.
Nach diesen Feststellungen können wir uns nun wirklich ein genaues Bild
von der Art machen, in der beim Gebrauch unseres Textes die Finger abgezählt
Der König salbt den Gott.
') Z. B. Lepsius, Denkmäler, Text IV 80 (danach die obige Abbildung). Moret, Caractere
religieux de la royaute S. 166. Lepsius, Wandgemälde Tai". 6. 14. Karaak Chonstempel mit der
Beischrift "■ — \ ^ -öl opfern seinem Vater« (nach eigener Abschrift).
I5;mh1 54.] K. Skuik: Hin altägyptischer Fingerzählreim. 37
wurden. Der Zählende nimmt die innern Flächen der Hände und beginnt mit
dem Daumen der einen Hand, zählt die übrigen Finger dieser Hand bis zum
kleinen Finger, geht dann zum kleinen Finger der andern Hand über, zählt
deren Finger bis zum Zeigefinger und endigt wieder mit dem Daumen.
VIII.
Hören wir nun, nachdem unsere Sinne so nach verschiedenen Richtungen
hin geschärft sind, noch einmal den ganzen Text, wie er aus dem Munde des
Seth an seine Finger gesprochen worden sein soll:
1. (Daumen der 1. Hand): »du hast das eine (Auge des Horus) genommen« ;
2. (Zeigefinger): »du hast selbzweit das eine (Auge) genommen«;
3. (Mittelfinger): »du hast es (das Auge) ausgelöscht an ihm (dem Horus)1« ;
4. (Ringfinger): »du hast es (das Auge) abgewischt an ihm (dem Horus)2« ;
5. (kleiner Finger): »gib mir doch«
6. (kleiner Finger der 2. Hand): »was gern gerochen wird (das Horusauge
als Salbe) an mein Gesicht3«;
7. (Ringfinger): »löse dich nicht los von ihm (dem Auge)«;
8. (Mittelfinger): »schone seiner (des Auges) nicht«;
9. (Zeigefinger): »du hast das Auge erleuchtet (mit deiner Spitze)4«;
10. (Daumen): »gib mir das Auge«.
IX.
Es bleibt nunmehr noch ein Wort über die zeitliche und literarische Stellung
unseres Textes zu sagen. Bei nicht weniger als 5 von den 10 Versen, aus
denen er besteht (3, 4, 7, 8, 9), konnte auf direkte Parallelen aus den Pyramiden-
texten verwiesen werden5. Es fragt sich nun, wie hat man sich den litera-
rischen Zusammenhang zwischen diesen Parallelen und unserm Texte zu denken?
Handelt es sich bei ihm um eine spätere Zusammenstellung einzelner alter Verse
oder Versteile aus der alten religiösen Literatur, wie sie sich uns in den Pyra-
midentexten repräsentiert oder richtiger in ihnen niedergeschlagen hat — denn
die Pyramidentexte selbst stellen schon eine solche Zusammenstellung derartiger
oft sehr verschiedenartiger und verschieden alter Elemente zu bestimmten sekun-
dären Zwecken des Totenglaubens dar; sie enthalten oft einzelne alte Sätze, die
in herkömmlicher fester Form überliefert waren und sich in dem Zusammenhang
des Totentextes, in dem sie uns entgegentreten, wie Bibelzitate in einer mo-
dernen Predigt oder Erbauungsschrift ausnehmen — oder gehört unser Text
als Ganzes etwa selbst noch dieser uns vielfach nur in solchen Fragmenten er-
l) Var. in D: »du löschst es aus am Kopfe des Horus«. -- 2) Fehlt in D. — 3) Bei D ver-
derbt: »ich habe dir gegeben das "Wasser (?) der beiden (Augen), die sich deinem Gesichte zuge-
sellen in . . . .«. — 4j Var. in D: »du hast das Auge aufgebrochen«. - •"') In einem sechsten Falle (2)
war eine auffallende sprachliche Analogie grammatischer und lexikalischer Natur mit den Pyramiden-
texten zu konstatieren hinsichtlich des Gebrauchs des mutmaßlichen Zahlverbums sn »zweiter sein«.
88 K.Skiiik: Kin altägyptischer FingerzäMreim. |54. Band.
haltenen alten Literatur au und reicht er nocli in die Zeiten des Alten Reichs
oder gar in die vorhergehende Zeit zurück, wie z. B. die Texte von Der el bahri,
die die Geburt und die Thronbesteig'ung des Königs betreffen, und wie das
»Denkmal memphitischer Theologie«? Ist er vielleicht gar seinerseits die Quelle
gewesen, aus denen jene oben als Parallelen zitierten Stellen in den Pyramiden-
texten geflossen waren?
Eine Handhabe zur Beantwortung dieser Frage könnte in gewissen sprach-
liehen Erscheinungen gesucht werden. So könnte das Wort I^a« Mi ^ gj|\ »gerne
riechen« in Vers 6, vorausgesetzt daß es vor dem Hu des ja jedenfalls
verderbten D-Textes den Vorzug verdient, für eine jüngere Entstehung des Textes
geltend gemacht werden. Das reduplizierte, anscheinend vom Simplex II y&
sn »küssen« abgeleitete Verbum SnSn tritt erst im Mittleren Reich statt des älteren
Kausativs INI (&■ ssn »einatmen« (mit der Nase, auch von der Nase selbst ge-
sagt) auf. Während es nun später aber durchaus den Eindruck macht, als ob
dieses reduplizierte Verbum nur eine falsch etymologisierende Schreibung eben
dieses isn sei (wie man ja auch I ^\M ¥i p=$ smsrn für t\ P=jp s.sti/ »Pferd«,
| dd für altes ]t ddj »dauern« usw. schreibt, in dem Glauben, daß Wörter, die
mit zwei aufeinander folgenden gleichen Konsonanten beginnen, notwendig Re-
duplikationen sein müßten), kommt jenes 1/vwwJ 1 /» Kh im Grabe des Harhotep
neben der alten Form R jl I iS qa (ib. 344. 346) vor, scheint also für den Schreiber
dieses Grabes keineswegs damit identisch zu sein. Beweisend kann aber das Vor-
kommen jenes Verbums s/ts//, selbst wenn es erst dem Mittleren Reich ange-
hörte, für das Alter unseres Textes auch nicht sein, da die Möglichkeit besteht,
daß es an unserer Stelle nur auf falscher, wenn auch in den Zusammenhang-
passender Ausdeutung des alten ijPJ snin »sich gesellen zu« beruhe, das der
zwar im einzelnen vielfach minder gut überlieferte, aber in der Orthographie
zum Teil altertümlichere Text von D statt dessen bietet; »das Avas sich gesellt
meinem Gesichte« würde ja auch für das Horusauge als Salbe passen.
Ein besseres Kriterium enthält vielleicht der fünfte Vers, der mittels des
Verbums & 0 dj »geben« auf das Zahlwort <=s» \\ , , dw »fünf« anzuspielen
scheint. Da das genannte Verbum im Alten Reich augenscheinlich noch seinen
ursprünglichen Lautwert ^*1 \\ dj gehabt hat1 und erst im Mittleren Reich mit
der allgemeinen Lautverschiebung von ^^ d zu c^> d zu seinem späteren Laut-
wert dj gekommen ist, der sich z. B. in den Varianten \N© für Ddw »Busiris«,
l) ÄZ. 39, 135. Vgl auch die Schreibung A 8 ^\ . ■ für ^"1 f }> 1 1' den Namen des
Gottes Thoth, Proc. Soc. bibl. arch. 36,36, allerdings aus einer Zeit, in der das d wohl schon zu d
geworden war.
Band ">4.] K. Sethe: Ein altägyptischer Fingerzahlreim. 39
für Ihl-f-hr (alt *j[ ^ jj*_ /M:/"-//r wie ojj*^- IM/-?*) ver-
rät1, so scheint das Wortspiel in unserem Falle dafür zu sprechen, daß der Text
erst im Mittleren Reich entstanden sei. Das würde dann aber, da das (Jrab des
Harhotep spätestens in die 11. Dynastie gehören dürfte, nur kurz vor der ältesten
uns erhaltenen Aufzeichnung des Textes gewesen sein können. Es fragt sich
indeß, ob der ursprünglich durch ~^j bezeichnete Laut des Stammes A o dj
»geben« nicht von jeher dem <^> so nahegestanden hat, daß auch ein solches
Wortspiel, das ja bekanntlich oft nur auf ziemlich losen Anklängen beruht,
zwischen beiden Lauten möglich war.
Für ein wesentlich höheres Alter unseres Textes, als es sich aus diesen
nicht beweiskräftigen Indizien ergeben würde, scheint mir nun aber neben der
Schreibung j\ © ^v.^-^? (^e sich m D m Übereinstimmung mit der Parallele aus
den Pyramidentexten (Pyr. 74(5) für das t\ jl von B findet, die Behandlung
der alten Negation v\ in den Versen 7 und 8 zu sprechen. Ihre Schreibung
in B ¥\ a ü zeigt doch wohl, daß man sie damals (in Dyn. 11) hier nicht
mehr erkannte. Anderseits läßt der Zusammenhang doch wohl annehmen, daß,
als die Verse in den Text gelangten, das Gegenteil der Fall war. Damals wird
man sicherlich den Sinn dieser Sätze noch richtig verstanden haben.
In der Tat hat die Annahme, daß wir es mit einem Text der älteren mytho-
logischen Literatur zu tun haben, der sich hier in einem Totentext des früheren
Mittleren Reichs in sekundärer Anwendung erhalten hat, wohl auch mehr innere
Wahrscheinlichkeit, als die, daß es sich um eine aus alten Brocken zusammen-
gestoppelte Schöpfung des Mittleren Reichs handle. Der ganze Text macht denn
doch zu sehr den Eindruck der Homogenität; er sieht aus, wie aus einem (iusse.
So möchte ich denn die Entstehung unseres Fingerzählreimes zum mindesten
in das Alte Reich, wenn nicht in noch frühere Zeit zurückweisen. Dieser älteste
aller bekannten Reime dürfte also, wenn man Borchardt's neuen chronologischen
Ansätzen folgt, jedenfalls noch in das 4. Jahrtausend v. Chr. gehören.
') Verbuin I S 457.
40 K. Skthe: Das Pronomen 1. sing. n-nk. [54. Band.
Das Pronomen 1. sing, n-nk und die Eingangsworte
zum 17. Kapitel des Totenbuches.
Von Kurt Sethe.
In der ältesten Fassung des 17. Kapitels des Totenbuches, wie sie uns auf den
Särgen des Mittleren Reiches — dort auch schon in mehreren deutlich unterscheid-
baren Entwicklungsstufen — entgegentritt, lesen wir an zwei Stellen (am Ein-
gang des Textes, in Abschnitt 1 der neuen Ausgabe von Grapow1, und weiter-
hin in Abschnitt 5) da, wo später das Pronomen personale absolutum 1. sing.
^^T M^cn<< erscheint, eine Form ^-^vfo mit den Varianten ^Ow (B), ™~^_\ (Q,
'WWA (A, E, F, G), je nachdem die betreffende Handschrift die 1. Person durch
$r ' H yf ' ' 0(^er §ar nicl1t bezeichnet. Und zwar stimmen in diesem Punkte
alle Exemplare, die uns bisher aus dem Mittleren Reiche bekanntgeworden sind,
üb er ein.
Man hat in diesem Worte n-nk (oder n-nlcj?) bisher allgemein, nicht anders
als es die Ägypter selbst später getan haben, eine orthographische Variante
jenes Pronomens ^f erblickt, die für die Feststellung seines, bekanntlich noch
vielfach bezweifelten Lautwertes wertvoll sein könne. So noch jüngst Lacau,
Rec. de trav. 35, 70 und Gardiner, Proc. Soc. bibl. arch. 37, 255, und so auch
Grapow in seiner genannten Ausgabe des Textes.
Die beiden in Rede stehenden Stellen lauten in der von Grapow herge-
stellten bzw. rezipierten Fassung und in der von ihm dazu gegebenen Über-
setzung, die beide, wie sich zeigen wird, in Einzelheiten der Berichtigung be-
dürfen, so:
1. Grapow 4,3 + 6,6 und 4,15 + 6,10.
»Die Rede geschieht. Ich bin Atum, der ich allein war2.«
') Urkunden des ägyptischen Altertums V. Religiöse Urkunden Heft 1, im folgenden zitiert
Grapow mit Seiten- und Zeilenziffer. — Auf diese Ausgabe beziehen sich auch die Siglen A, B, C usw.
für die Handschriften des Mittleren Reiches. — 2) Grammatisch richtiger und logischer wäre:
»ich war Atum. als ich allein war«.
Band 54.] K.Skihk: Das Pronomen 1. sing. n-nk. 41
TK F\7\ WWW
/WVW
»Die Rede geschieht für den Herrn Atom1. Ich bin Atum, als ich im
Urgewässer allein war".«
2. Grapow 11. lö und 12.2.
/wwvr
m.r. — pj= 1M2S*kM
n.r. ^ffi^ (M2S*M>G
»ich war gestern3, ich kenne morgen.«
Dazu die Glosse: »das istOsiris«; später in der Hs. H und im Text der
Königin Mentuhotep (Dyn. 13 14) 4 erweitert: »das Gestern das ist Osiris, das
Morgen das ist Schu (im Neuen Reich: Rec)«
2.
Daß die Auffassung von der Identität des Ausdrucks ■WA™ Vir mit dem Pro-
nomen ' )& , durch das er hier im Neuen Reich ersetzt erscheint, schwerlich
richtig sein kann, zeigt schon der Befund an der ersten Stelle. Denn dort
folgt dem oben mitgeteilten, mit ^w m£ beginnenden Satze überall ein zweiter
ffi O J "ich bin Re'«, der das Pronomen 1. sing. Mf selbst ebenso
regelmäßig überall in seiner gewöhnlichen Schreibung (mit den Varianten Q j\ vfö ,
TT TT - /VWW\ ^
u I , u ) aufweist, wie der erste Satz stattdessen überall sein "^™ ür (unc*
Var.) zeigte. Es leuchtet danach ohne weiteres ein, daß zwischen beiden Wort-
formen notwendig ein Unterschied bestanden haben muß.
Auf denselben Schluß führt aber auch das doppelte n der Form """" ^ ,
das bei VJr völlig unerklärlich wäre, denn dieses Pronomen zeigt in seiner
alten phonetischen Schreibung (I (Pvr.) schon ebenso nur ein n wie in der
Form *etnök, auf die seine koptische Form miok, ^i\<7- zurückgehen muß.
Anderseits läßt die Übereinstimmung beider Wortformen in der Konso-
nantenfolge nk am Ende und in der Determinierung durch das Personendeter-
') So Grapow. meines Erachtens völlig unägyptisch, s. u. Abschnitt 4. 5. — '-) Grammatisch
richtiger und logischer wäre: »ich war Atum. als ich allein war«.
3) Richtiger: »ich bin das Gestern«, denn es liegt, wo } Mr das Subjekt bildet, ein No-
minalsatz mit nominalem Prädikat (Identitätssatz) vor. nicht einer mit adverbialem Prädikat »ich
war (existierte) gestern« (s. meine Arbeit über den Nominalsatz § 8. 9. 56 ff.). Die Glosse be-
stätigt das ja auch. Grapow's Übersetzung würde ein m sf statt des einfachen sf als Prädikat
erfordern.
4) Dieser Text, den Grapow unter die Handschriften des Neuen Reiches einordnet, geht
bis zum Abschnitt 19 ganz mit denen des Mittleren Reiches.
Zeitschr. f. Ägypt Sprn 54. Rand. 6
4*2 K. Sethe: Das Pronomen 1. sing, n-nk. |.">4. Hand.
minativ aber auch kaum daran zweifeln, daß tatsächlich ein Zusammenhang
zwischen ihnen bestanden haben wird. Der Ausdruck n-nk wird danach wahr-
scheinlich eine Ableitung von oder eine Zusammensetzung mit dem Pronomen
ink »ich«, für das man ihn später genommen hat, darstellen und also selbst
auch den Begriff' dieses Pronomens als wesentlichsten Bestandteil enthalten haben.
3.
Betrachtet man die zweite der beiden Totenbuchstellen ohne Rücksicht auf
die Ausdeutung, die sie im Laufe der Zeit durch die Ägypter erfahren hat
(»ich bin das Gestern«) und die sich nicht nur in der Orthographie des Neuen
Reiches ( _Vjf [' r\ )• sondern auch schon in der Glossierung des Mittleren
Reiches (»das Gestern das ist Osiris«) verrät, so läßt der Parallelismus zu dem
folgenden Satze »ich kenne das Morgen« für unsern Satz n-nk sf wohl am ehesten
ein »mir gehört das Gestern«, erwarten, eine Bedeutung, die das im Neuen
Reich dafür eintretende af ' r in späteren Zeiten in der Tat hätte haben
können1.
Diese lediglich nach dem Zusammenhange zu erratende Bedeutung scheint
der pronominale Ausdruck n-nk nun auch wirklich überall da zu haben, wo
wir ihn sonst in den Totentexten des Mittleren Reiches, und zwar in gleicher
Weise neben af und von ihm streng unterschieden, antreffen; vgl.
Oft o i -n. -^"-H- r^ a n f\ a \\ /wvw 0 r-i /ww 0 ■— ... ■
u r^r o k^\ ■== 3t ^ | — I 1^.= — ■3 j Xf yl cJr i>r
»ich bin der, welcher den Hof mit seinen Sohlen durchkreuzt , mir ge-
hört der Himmel, mir gehört die Erde«, Harhotep 561/2.
"") »mir ist P gegeben, mir gehört 7J*p«, Lacau,
Text relig. 75, 11.
AAAAAA q r~| t AAAAAA q . r ■ AAAAAA Q r\ g§& rtrtA AAAAAA I — I «ery
™^m^ * ^™$r n i© r^ ffi ^rwvi J^ >>inir sen°rt ^J> mir
gehört Dp, mir gehört das shn, das vor dem Hause des Horus ist«, ib. 72, 2(>.
/VWVNA V5r <^^ Jr "^^na -s^r »mir gehört die Große (Buto oder die unter-
ägyptische Krone), mir gehört das große Auge«, ib. 72. 33 (ebenda Z. 35
A/WW\ gl OCTX C\ AWM .^XT^».
»mir gehört die Ringelschlange, mir ge-
hört mein Auge«, ib. 80, 32; es folgt .^ffe^. v"" *~ »ich bin Horus,
der sein Auge (d. i. die Uräusschlange oder die Krone) aufgesetzt hat«.
/wwv\ q . . . aaaaaa
A/Wvw Vff1 n «mir gehört das sw/;-/-Haus«, ib. 77,25 (ebenda Z. 29
ö V& »ich«).
]) Siehe Erman, ÄZ. 34. .">0 und vor allem Gardiner, ÄZ. 41, 135, wo die Erscheinung zu-
erst richtig erkannt ist.
Band .")4.| K. Sbthe: Das Pronomen 1. sing. n-nk. 43
»mir gehört das Schreiben«, ib. 72. 30 (ebenda ) v& »ich«).
Diesen völlig eindeutigen Stellen steht nur eine scheinbar zweideutige gegen-
über, die uns direkt zu dem oben an erster Stelle angeführten Totenbuchzitat
aus dem Anfange des Kapitels 1 7 hinüberführt :
ü A/WNAA I
^n=n:.
IM
»ich kam, damit ich meine in Besitz nähme und meine Würde
empfinge, (n-nk im), als ihr noch nicht entstanden wäret, o Götter«,
Lacau, Text, relig. 78, 25.
Es ist klar, daß hier die Übersetzung »ich war Atum. als ihr noch nicht
entstanden wäret, o Götter« ebensowenig einen vernünftigen Sinn gäbe, wie
an jener Totenbuchstelle das anscheinend dort stehende »ich war Atum, als ich
allein war«. In beiden Fällen wäre in diesen Sätzen, wenn sie wirklich von
Haus aus so zu verstehen gewesen wären, gesagt, daß der Redende zur Zeit
der Weltschöpfimg Atum gewesen sei, mithin es in der Gegenwart nicht mehr
sei. Tatsächlich denkt aber in dem Lac Aussehen Totentext der Redende gar nicht
daran, sich mit Atum oder auch dem Sonnengott überhaupt zu identifizieren.
Er setzt sich darin vielmehr dem Gotte Hki3 der Personifikation des Zaubers1,
gleich und bezeichnet sich u. a. als »Erben des Ref-Atum« (Z. 28), »den der
Alleinherr (d. i. der Sonnengott) geschaffen hat, als es noch nicht zwei Dinge
(d. h. nichts außer ihm) gab, als er sein eines Auge aussandte, als er noch allein
war ( jbv ^e^=_ j mit dem, was aus seinem Munde gekommen war (d. i.
seinem Worte)«. So heißt es dort in Z. 5 ff. mit offenkundigem Anklang an die
A/VWV
\\ orte, die im Eingange des Totenbuchkapitels den Worten *"**
\Jn\ C1 r\
(var. ohne 3, s.u.) folgen, »als ich noch allein war« (;^fe^ *" ^^%>^)
bzw. »als ich noch allein im Urgewässer war« ( f^, 7^$ ^f < "' ^^ ^=^> ^> )&
?r tk tx aaaaaa
AA-VW.
4.
In Wahrheit ist an der einen Stelle wie an der andern, bei Lacau a. a. 0.
wie im Totenbuch Kap. 17, gar nicht vom Gotte Atum die Rede, sondern es liegt
das Wort /^ j^ »Alles«, »das All«, vor, das sich aus dem attributiven Ge-
brauch im Pseudopartizip, wie er in c Iv^ »alle Götter« (Pyr. 1465a; desgl.
998 mit t\ geschrieben), S ^ f\ {] »die ganzen beiden Länder«, »das
ganze Land«, »alle Welt« (oft determiniert mit ^jS) und ähnlichen Ausdrücken
iii
vorliegt", zu selbständigem, substantivischem Gebrauch entwickelt hat, gerade
l) Vgl. dazu Gakdinkr, Proc. Soc. bibl. arch. 37, 255tf". — -) Verbum II § 1004.
6*
44 K. Sinn : Das Pronomen I. sinn. u-nk. [54. Band.
wie in dem seit dem Mittleren Reich nachweisbaren Prädikat des Sonnengottes
oder des Osiris -^ JN »Herr des Alls«, das ans dem attributiven Gebrauch
von <z=> -^ *~ »ganz« hervorgegangen ist, wie es in -5™ ^_ »das ganze
Land« (eig. »das Land bis zu seinem Ende«) vorliegt. Auch ein aus dem ana-
logen y^ n *~ abgeleitetes synonymes Substantiv für »Alles« mj-kd kommt
gelegentlich vor1.
Das substantivisch gebrauchte im »das All« ist vereinzelt bereits in den
Pyramiden zu belegen:
www ,-« EL
v\ »dir gehört Alles, Pyr. 1489 ft; es folgt einmal »so sagen die
Götter«, das andere Mal »so sagst du«, nämlich du Horus zu mir dem ver-
storbenen König.
¥\ »dir gehört Alles«, Var. ««« ( p ] vK »diesem P. gc-
hört Alles«, Pyr. 9426.
Häufig ist es in der von Lacau gesammelten Totenliteratur des Mittleren
Reiches und der vorhergehenden Übergangszeit:
fl^K jÄ . C\ _ »mir ist das All ganz gegeben«, Lacau, Text, relig.
72, 342.
p A/WVW a /WWW s\ _ , . n g -j _^\ /WWW ^-^ p-\
A \> M^> ^^^ /L_ t\ »dem Alles geholt, dem Alles
gebracht wird«, Lacau, Ann. du serv. 5, 239 (von Osiris gesagt).
Speziell ist der Ausdruck ^37 1\ »der Herr des Alls«, der als Vorläufer
des obenerwähnten ^ 3 anzusehen ist, als Titel des weltbeherrschenden
Sonnengottes öfters zu belegen; dabei wird der ganze Ausdruck dann ebenso
wie dieses Nb-r-dr nicht selten mit dem Determinativ des Gottes versehen, so
daß man dann dasselbe Schriftbild vor sich hat, das Grapow zu der irrigen, ganz
und gar unägyptisch klingenden Übersetzung »der Herr Atum« verführt hat:
s Jn ^^7 v/~L t\ ,7 "ich bin Atum, der Herr des ganzen Alls«, Lacau,
Text, relig. 4, 14.
ß- nTr-\rn|lfln j^ jji/wvsAA ^^_^ fn »es jubelt das Gefolge des Herrn des Alls«,
ib. 86, 53.
Q(]^37S^=n: 3 »wie der Herr des Alls«, ib. 86, 161, wo die Parallelstellen
die Sinnvariante y (] y-n- fx Jft »wie Atum« haben.
i ^37 ^m _?} »die vor dem Herrn des Alls seienden«, ib. 78,3,
vielleicht auch schon ebenso aus einem ursprünglichen »alle meine Vorfahren
J) Siehe unten (Lacau, Ann. du serv. 5, 239). Vgl. Urk. I 107. 108; ganz ähnlich in der von
Keisnkr aufgefundenen Biographie des Nhbu\
<- — -^ ww\aa ^-. ca ,.,
-) Ebenso a . \\ ^ . . »dem das All ganz gegeben ist« als Prädikat des
_ o *^^^rj^©l I &°
Sonnengottes. Berlin P;ip. 3055, 17, 4 (Am'onsritual).
Band 54.]
K. Sethe: Das Pronomen 1. sing. n-nk.
4ö
insgesamt« mißverstanden, wie Totb. 17 (Grapow 30, 6) der Ausdruck inij-ir-blh,
der ursprünglich die »Vorfahren« des redenden Toten bezeichnete, in »die Götter,
die vor Re' sind« umgedeutet worden ist (Grapow 30,8.17).
n
D
c± a c
» in dieser seiner (dieses N. N .)
fW WWNA N . N . '-' /VWWl V / ^S\
Würde als Herr des Alls«, Gautier-Jequier, Fouilles de Licht pl. 28, 37.
Als Beispiele dieses Ausdrucks nb tm »Herr des Alls« aus späterer Zeit seien
folgende Stellen genannt:
Mar. Abyd. I S. 37.
«erschienen als Herr des Alls«, von Amun gesagt,
v\ 2Js!l »deine Augen sind der Herr des Alls (lies nb
\\ j^- ^II=ir js«ä -ii i i i
tm-w)« Erman, Zaubersprüche für Mutter und Kind, Rs. 5, 1
AJU
/wvsaa
»Herr des Alls, im Nun
geschaffen«, von Ptah als ältestem aller Götter und Weltschöpfer gesagt, Berlin
Pap. 3048, 10, 3/4 (Hierat. Pap. II Taf. 44).
Hier scheint das tm unter dem Einfluß des später zu . 1\ zfcw zusammen-
gezogenen ^^ K\ üftu »alle Welt« (s. o.) als »die Menschheit« gedeutet
•=== fCI Jir^l II °
zu sein.
5.
Daß wir eben diesen Ausdruck nb tm »Herr des Alls«, zum Teil in der-
gleichen Umdeutung des tm, auch im Eingange des Totenbuchkapitels 1 7 in dem
ersten, mit hpr mä-t beginnenden Satze, wie er in der erweiterten Fassung des Neuen
Reiches sich darstellt, <$ \ Q7\ i _ . t\ J, vor uns haben, ist klar. Die
<czr> U ^ £-1' I ^Z7 ^pruz JP^. iU
Varianten, die sich dort für das von Grapow rezipierte
Cc. ;
^nr
Ta.
^nzar.
so nur
Ja. La. An. Juiya) in der Mehrzahl der Hand-
schriften finden, zeigen das so deutlich, daß sie von Rechts wegen auch Grapow
hätten stutzig machen und vor seiner unmöglichen Übersetzung »der Herr Atum«
hätten bewahren sollen:
^n=n:_M^
Pd.
i l i
Pe.
j^M Da. (ebenso mit dop-
i i i
peltem m Ag.
$^Ä8 Nu.
\fA
Bb.
1\ 2M Ap. Le. (ebenso
mit doppeltem m Ba
Auch die Fassung der Spätzeit, die das Wort nb »Herr« über Bord ge-
worfen hat, | c" a/\iv^ f\ t\ äjH »es geschieht das Reden der Mensch-
«d^ (J a 1 21/ ! ~^n=n: _fi^ J^ f ■ i °
heit«, hat, so unsinnig sie an sich auch ist, doch noch richtig das Bewußtsein
bewahrt, daß hier der Name des Gottes Atum nicht genannt war.
4() K. Sk riii-: : Das Pronomen 1. sing. n-nk. [54. Band.
Das ™aaaa ^37 s 1b\ JH »für den Herrn des Alls«, das hier im Neuen Reiche
den alten Eingangsworten des Textes ^ fl ^7\ i »es geschieht, daß (von mir)
geredet wird«1 recht sinnlos zugefügt erscheint, ist nun aber selbst offenbar
nichts weiter als eine irrige Verdopplung der Worte des unmittelbar darauf
folgenden zweiten Satzes *a^vca \<\ jje schon dem alten Texte des Mitt-
leren Reiches angehörten und die ihrerseits — daran kann jetzt kein Zweifel
mehr sein — ursprünglich »mir gehört das All«, bzw. im Zusammenhang der
Stelle »mir gehörte das All, als ich allein war«, bedeutet haben müssen.
Dieser Deutung der Worte n-nk tm des zweiten Satzes unserer Totenbuch-
stclle entspricht denn auch die Schreibung, die das Wort tm hier in den älteren
und besseren Handschriften des Mittleren Reiches aufweist: v\ B, C, G,
^ f\ v\ D. Es fei dt ihm also das Götterdeterminativ, das dieselben Hand-
schriften anderwärts bei dem Gottesnamen Atum ebenso regelmäßig wie
bei anderen Götternamen, jede in ihrer Art, zu geben pflegen L ^ J B,
^n=n: £5» *v_ ¥i 0 G). Nur die beiden Handschriften E und F, deren Text sich
auch sonst vielfach als jünger erweist und nicht selten zu der Auffassung des Neuen
Reiches hinüberführt, haben an unserer Stelle die von Grapow rezipierte Schrei-
bung Vv Jn, und der Sarg der Königin Mentuhotep aus der 13./ 14. Dynastie,
der wie gesagt mit den Texten des Mittleren Reiches geht, aber zeitlich dem
Neuen Reiche schon ganz nahesteht, hat ^n=n: v\ ^\ JH .
Von diesen jüngeren Texten, die das tm von n-nk tm »mir gehörte das All«
also wirklich schon für den Namen des Gottes Atum genommen haben, hat der
zuletzt genannte auch das alte ^"w bereits durch ° ersetzt; er liest also
schon ganz wie der Text des Neuen Reiches »ich war Atum«. Auch die Hand-
schrift E hat nach Grapows Angabe dieses ^ nfl; dort ist es aber korrigiert,
entweder aus ursprünglichem WAA* ■ yf oder in dieses (Grapow 7, 17).
') Diese Worte gehören im Mittleren Reiche, wie schon ihre Schreibung mit schwarzer Farbe
zeigt, noch nicht wie später zum Kapiteltitel, der seinerseits rot geschrieben ist, sondern noch zum
Texte selbst. Es sind Worte, die der Tote spricht ; vgl. dazu die Fassung in den Handschriften E
und F: »Spruch für das Herausgehen am Tage aus dem Totenreich durch den N. N.j er sagt:
„Ks geschieht, daß geredet wird'.« Grapows Auffassung, daß sie der gewöhnlichen Formel ^
dd mdw »Worte sprechen« entsprächen, wird aber auch durch die Fassung der Handschrift B
widerlegt, wo der Titel »Herausgehen am Tage« selbständig in einer wagerechten Zeile über dem
Text steht, der selbst in senkrechten Kolumnen geschrieben ist und so beginnt: j| $$ I QÄ
-Worte sprechen: ,Es geschieht, daß geredet wird'.« Daß als latentes logisches Subjekt des
Infinitivs md-i »Reden« nur die 1. Person sing, zu verstehen ist, findet in den Varianten %$ I
SA I ^r "(>s geschieht, daß ich rede« der Hs. Aa., einer der besten und ältesten Handschriften des
Neuen Reiches, und ^ Vjri "^ gerate ms Reden« (d. i. ich beginne zu reden) der Hs.
Ag. seinen deutlichen Ausdruck durch den ägyptischen Schreiber.
Band 54.] K. Sethe: Das Pronomen I. sing. n-nk. 4f
c± &
Obwohl hiernach die Umdeutung des alten ^"^ ^x »mir gehörte das
All« in das wenig; sinnvolle ^ Wi. ^\ Jn »ich war Atum« noch bis ins
Mittlere Reich hinein zurückzuverfolgen ist — wie ja auch die Umdeutung
des alten ^Mf I _ »mir gehört das Gestern« in das spätere u nft I _
»ich bin das Gestern« nach Ausweis der zugehörigen Glosse schon im Mittleren
Reiche eingetreten sein mußte — , hat dennoch eine der Handschriften des Neuen
Reiches, die sich vielfach als alt erweisende Hs. Aa.. in ihrer Wiedergabe der
Eingangsworte des Kapitels den ursprünglichen Wortlaut noch treuer bewahrt
und läßt seine eigentliche Bedeutung zum Teil noch deutlich erkennen. Sie
A/vV"vV\
hat so: ~: ! Qß ' ür "22^$^- J\ , also bis auf das Gottesdeter-
minativ noch ganz korrekt; auch das dem ersten Satze angehängte unsinnige
// nb tm «für den Herrn des Alls«, das durch Verdopplung des n-nk tm hervor-
gegangen zu sein schien, fehlt hier noch.
Diese eben erwähnte Verdopplung wird übrigens selbst wohl eine derartige
/wvw\
konservative Schreibung, die das ~ * des alten n-nk tm noch bewahrte und die
zugleich auch die Umdeutung des tm in Atum noch nicht aufwies, zur Voraus-
setzung haben. Ja vielleicht darf man noch einen Schritt weitergehen und auf
eine hieroglyphische Handschrift als Quelle dieses Versehens schließen; denn
nur im Hieroglyphischen sieht ja ein ^^ mit ungenau ohne Henkel geschrie-
enem ^zz^ einem ^—j gleich.
6.
A/WW\
Wie an der hier besprochenen Stelle des Totenbuches das
£^q$ ^^v\W (so wird man mit den besten Handschriften jetzt lesen) »mir
gehörte das All (oder Alles), als ich noch allein war« bedeutet, so sind natürlich
auch an der analogen Stelle Lagau, Text, relig. 78. 25, die oben in Abschnitt 3
mitgeteilt wurde, die Worte """" afs. f\ ^j^O | zu übersetzen:
»mir gehörte das All, als ihr noch nicht entstanden wäret, o Götter«. Die Variante
AAAAAA
" ^_o^ v\ , die der Paralleltext hier für das n-nk tm bietet und die mit
der Schreibung des Prädikates ^37 Jjj nb tm »Herr des Alls« an der oben
in Abschnitt 4 zitierten Stelle Lacau, Text, relig. 80, 161 zu vergleichen ist, zeigt
gleichfalls, daß es sich auch hier keineswegs um eine Nennung des Gottes Atum
handelt. Das schienen ja auch andere Stellen des Textes auszuschließen, in denen
sich der Redende als Geschöpf des Sonnengottes und Erben des Atum bezeichnete.
7.
Wie ist der Ausdruck ^22 ua »mir gehört«, den wir im vorstehenden
kennengelernt haben, nun aber sprachlich zu erklären'? Es kann wohl kein
l> K. Sethe: Das Pronomen 1. sing. n-nk. [54. Band.
Zweifel sein, daß er in seinem Endbestandteile nk das Pronomen absolutum
1. sing. ® ^ffi ink, mit dem er später verwechselt worden oder zusammengefallen
ist, enthält. Der übrigbleibende Anfangsbestandteil n aber wird dasselbe besitz-
anzeigende Element sein, das wir in der Präposition des Dativs // (ü-, \\&*), in
dem Genitivexponenten nj (S-), eigentlich die von dieser Präposition abgeleitete
AAAAAA r\ ä
Nisbeform nj »gehörig (dem und dem)«, und in dem Ausdruck ^ I y\ n-.&w
»er gehört (dem und dem)«, eigentlich »ein Gehöriger ist er (in bezug auf den
und den)«, vor uns haben.
Dem zuletzt genannten Ausdruck n-iir und dem zugehörigen ^V^W »ich
gehöre« (dem und dem oder zu der und der Gesellschaft), das ein Pronomen
1. sing, als Gegenstand des Besitzes enthält und dem der Name des Besitzers
zu folgen pflegt, steht unser ™~* M£ »mir gehört (das und das)«, das eben-
falls ein Pronomen 1. sing., aber als Besitzer, enthält und dem der Gegenstand
des Besitzes zu folgen pflegt, als Gegenteil gegenüber. Während dort in it-sw,
ii-ivj das besitzanzeigende Element ^^ voraussichtlich dasselbe Nisbeadjektiv
ist, das attributiv gebraucht als Genitivexponent dient (prj nj iii-k »das Haus
deines Bruders«, eigentlich »das deinem Bruder gehörige Haus«), hier aber prädi-
kativ gebraucht ist (nj-wj ümi-ir-k »ich gehöre zu deinem Gefolge«, eigentlich »ein
Gehöriger bin ich zu deinem Gefolge«), wird bei uns in n-nk die Präposition
des Dativs n selbst vorliegen.
Unregelmäßig ist dabei nur die Voranstellung des dativischen Prädikats vor
das Subjekt im adverbialen Nominalsatze und die Verbindung der Präposition
mit einem Pronomen absolutum, das dabei wie ein Substantiv behandelt erscheint,
anstatt der sonst üblichen Suffixverbindung. Beides wird miteinander zusammen-
hängen und in der starken Betonung des Pronomens seinen Grund haben.
Für die Voranstellung des Dativs ist das oben Abschnitt 4 zitierte n-k Im.
»dir gehört Alles« der Pyramidentexte zu vergleichen. Zu der Verwendung des
Pronomens ink nach Art eines genitivischen Substantivs aber bilden die neu-
ägyptischen Ausdrücke wie /JX^^WQM a| ^ ^ »dieser Diener von mir«,
|l n [L "ein Diener von dir« eine Parallele.
Entwicklungsgeschichtlich betrachtet ist die Suffixverbindung, wie sie das
eben erwähnte ii-k »dir« (h^k) enthält, ja als starke Verkürzung eines ursprüng-
glichen Ausdrucks *n-kw »für dich« anzusehen, in dem das alte Pronomen ab-
solutum Ine »du« dem in n-nk »mir gehört« enthaltenen Pronomen absolutum
ink »ich« entsprach. Während nun das kurze, nur einen starken Konsonanten
enthaltende km sich als Enklitikon wie von selbst zu k verkürzte, mußte eine
entsprechende Verkürzung von ink, das zwei starke Konsonanten enthielt, nk
ergeben, eben wie wir es wirklich ohne das i in unserm n-nk finden. Daß in
diesem n-nk aber nicht das dem kw in Form und Gebrauch sonst entsprechende
kürzere Pronomen 1. sing, wj (alt Jw), das verkürzt als »Suffix« j in dem gewöhn-
Band .">4.| K. Sethe: Das Pronomen 1. sing. n-nk. 49
liehen n-j »mir« (na».i) vorliegt, sondern die ganz eigenartig gebildete und unter
den alten Pronomina absoluta isoliert dastehende vollere Form uik verwendet ist,
wird eben in den Betonungsverhältnissen seinen Grund haben, ink (^hok) ist ja
überall die emphatisehe Ausdrucksform für das stark betonte »ich«.
8.
Auf eine etwas abweichende Erklärung des Ausdrucks ^^W> »mir gehört«
wird man geführt, wenn man das Koptische und die semitischen Sprachen zum
Vergleich heranzieht. Dort wird das betonte »mir« nicht durch die direkte
Verbindung der Dativpräposition mit dem Pronomen absolutum ausgedrückt, wie
sie nach der oben ins Auge gefaßten Erklärung in unserem Falle vorliegen würde,
sondern das Pronomen absolutum wird dem regelmäßig mittels des Suffixes gebil-
deten Ausdruck für »mir« zur Verstärkung, gleichsam als Apposition, zugefügt.
Man sagt um ^uok, X»\ \ , 13» tol. Hiernach könnte in unserm ™^tä die Zu-
sammenziehung eines entsprechend gebildeten 'wwa v& ö v& nj ink gesucht werden,
bei der das im Innern der Wortverbindung stehende doppelte (] vokalische Aus-
sprache angenommen haben oder gar ganz verschwunden gewesen sein könnte.
Im Semitischen findet sich auch die Voranstellung des dativischen Prädi-
kats, wie sie in dem oben zitierten . ' t\ und in unserm ~^™ vfo festzu-
stellen war, nicht selten, doch genügt alsdann meist eben diese Voranstellung
zur Hervorhebung, und es bedarf daher der Hinzufügung des Pronomen abso-
lutum nicht mehr2.
Der eigenartige Gebrauch, der uns in unserm ™v^vfo »mir gehört« ent-
gegengetreten ist, hat übrigens offenbar nur ein kurzes Leben gehabt. Wir
konnten ihn nur in der religiösen Literatur des Mittleren Reiches nachweisen.
Die Behandlung der beiden Stellen aus dem 17. Kapitel des Totenbuches zeigte
deutlich, daß er noch innerhalb dieser Periode wieder abgekommen ist, Es wäre
wohl möglich, daß der oben in Abschnitt 3 erwähnte Gebrauch von Q v&
»ich« und anderen Pronomina absoluta (wie q »du«, tP »er« usw.) im Sinne
von »mein ist«, »mir gehört«, der seit dem Neuen Reiche zu beobachten ist, die
direkte Fortsetzung davon gewesen sei. An sich unsinnig, wie dieser Gebrauch ist,
würde er daraus seine Erklärung finden; er würde dann eine Verstümmlung der
AA/NAAA q
durch unser ~^Vw vertretenen Ausdrucksweise des Mittleren Reiches darstellen.
Nachtrag: Erman weist mich auf den männlichen Personennamen A/Wvw| V^
(Xewbekry, Benihasan I S. 15) hin, der gewiß »mir gehört er (der Junge)« be-
deuten und somit unser n-nk enthalten wird.
l) Z. B. ans ta\ .euch«, Hagg. 1,4 (vorher das Subjekt des Satzes). — 2) Z. B. sores -tV »ihm
gehören wir«, Psalm 100, 3.
Zeitsclir. f. Ägypt Spr., 54. Band.
oO K. Sethe: Die angeblichen Schmiede des Horns von Edtäujf [54. Hand
Die angeblichen Schmiede des Horus von Edfu.
Von Kurt Sethe.
In dem Mythus des Horus von Edfu. wie er uns durch die von Brugsch und
Naville veröffentlichten Texte des Tempels von Edfu1 bekannt ist, spielen die
(HP V U >ih U oder M7M (selte»er auch i \$, odM' I f1 TM i «-
schrieben) des Gottes, nach denen auch einer seiner Priester den Titel h ^
oder |j| 3 ^ führte2, eine gewisse Rolle. Es sind die Leute, die den Gott
beim Kampf gegen seinen Feind, das Nilpferd, begleiten und unterstützen.
( )bwohl sie in den Texten und Darstellungen überall nur in dieser Weise
als bewaffnete Jagd- oder Kampfgenossen des Gottes auftreten und obwohl das
Wort m§n nach seiner ganzen Anwendung und nach der Determinierung, die
es an einzelnen Stellen erfährt, gerade eben diese Funktion der Leute, ihre
Arbeit (~~) -. das Harpunieren, zu bezeichnen scheint:!, hat Brugsch die Be-
zeichnung dennoch einerseits mit dem koptischen Worte &^ciiht (ßecttiT) %*AxsJc,
anderseits mit der altägyptischen Berufsbezeichnung | v HO identifiziert und dem-
zufolge die in in- ic des Horus von Edfu für »Schmiede«, »Metallarbeiter« erklärt1.
Maspero hat hieraus dann in einer Abhandlung, die er dem Gegenstande
gewidmet hata, scharfsinnige Schlüsse gezogen, deren Ergebnis, wenn es zu-
träfe, merkwürdig genug wäre. Er glaubte in der Sage von den »Schmieden
des Horus von Edfu«, mit denen dieser Gott den Kampf gegen Seth ausge-
fochten haben sollte, das ferne Echo vorgeschichtlicher Begebnisse zu vernehmen :
es sollte sich darin, so meinte er, eine Erinnerung an das Eindringen eines im
Besitze des Kupfers oder gar des Eisens befindlichen afrikanischen Stammes in
das selbst noch im Steinzeitalter lebende Ägypten erhalten haben.
:j Brugsch, Die Sage von (\av geflügelten Sonnenscheibe. Naville. Textes relatifs an mythe
d'Horus. -) Dümichen, XZ. 18(i7. 6 Anni.
:ij "Horus von Edfu kam, seine Begleiter hinter ihm als msn-w, das Göttererz und der Strick
<2| in ihren Händen, wc genannt, sie schlagen die Krokodile und Nilpferde.. Naville. a. a. O.
pl. 13,8, vgl. ib. 22, 2 und 14.2. 8. 17.!) (s. u.) ; »der gute mm, der an der Spitze (des Schiffes)
steht« als Beischrifi eines Mannes, der dabei ist. das Nilpferd zu erstechen, ib. pl. 13. - Der
Ausdruck oj |1\N J)T kommt auch auf Horus von Edfu selbst angewendet vor und ist dabei
durch ein Bild determiniert, das diesen Gott beim Harpunieren zeigt: Brugsch. Dict. geogr. 378.
4) Brugsch, a. a. O. S. 31. Wb. 704. -- 5) Les forgerons d'Horus et la legende de l'Horus
d'Edfou, erschienen in der Zeitschrift L 'Anthropologie II 401 ff., wiederabgedruckt in M.'s Etudes
de mythologie ei d'archeologie (BibL egyptologique) II 313 ff.
Band '>4.| K. Sethe: Die angeblichen Schmiede des Horus von Edfu. 51
Dieser geistvolle Gedanke ist auf fruchtbaren Boden gefallen. Die »for-
gerons d'Horus« und die »invasion Horienne«, ausgeführt von einer »tribu du
faucon«, spuken seitdem in den Arbeiten, die sich mit der Vor- und Urge-
schichte Ägyptens beschäftigen, immer wieder herum.
Tatsächlich beruht die ganze Hypothese aber nur auf jenen beiden, auf
Brugsch zurückgehenden Identifikationen des Wortes m&i und diese sind offen-
bar unrichtig.
Das Wort 3 * J] )& , in seiner älteren Schreibung | | , anscheinend die
wie ^ nw-tj »der Städter« geschriebene Nisbeform eines Femininums, mit
dem auf tj-tc ausgehenden Pluralis 3 %, ^ oder | *f \ i /l ^§ , hat mit der Me-
tallarbeit nicht das Mindeste zu tun, sondern bezeichnet den »Bildhauer«, der
Statuen oder Figuren (Rundskulpturen) lebender Wesen in Holz oder Stein
meißelt. So finden wir das Wort in den Beischriften der Grabbilder des Alten
Reichs1, so auch im Mittleren Reich z.B. in der Inschrift des Bildhauers
(Louvre C. 14) und in der Geschichte des Sinuhe (B. 302, Ostrak. Lond. 5629)
verwendet. So ist es auch in dem Ritual, das den Dienst an der Statue des
Toten betrifft, gemeint", und so ist es endlich auch in der Rosettana und den
verwandten Dekreten aus der Zeit des Ptolemaios Epiphanes gebraucht3.
Dabei ist das Wort, soviel mir bekannt, immer nur in der oben ange-
führten Weise, d. h. mit dem Wortzeichen des Knochens, ohne andere phone-
tische Komplemente als die Endung tj (bzw. tj-w), geschrie] >en. Dafür, daß es
den gleichen Stamm msn gehabt habe Mae die Bezeichnung der Leute des Horus
von Edfu und daß es also mm-tj zu lesen sei, fehlt es demnach an jedem An-
halt. Da der Knochen selbst ks (k^c) hieß und sein Bild als Hieroglyphe den
phonetischen Wert ks (vgl. km »elend«) hat, so würde man das uns beschäf-
tigende Wort a priori ks-tj lesen und darin ein Derivat von ks »Knochen« er-
blicken: »der Knochenarbeiter«, eine Benennung, die der Bildhauer von der
Knochenschnitzerei oder von dem Arbeiten mit Knochenwerkzeugen bekommen
haben könnte.
Fällt somit die Identifikation von 3^^=/]^ und kopt. &*cnHT in sich
zusammen, so ist damit auch der Gleichsetzung des Wortes fft fl \J 3 v& bzw.
■ ^t AAAA/VA t rt I I I I S N £_JL
mit {Whht der Grund entzogen, denn sie war ja nur über das
o \\
lieh. Hierzu kommt noch eins: die Bezeichnung der Leute des Horus von Edfu
gleichfalls mit dem Zeichen des Knochens geschriebene Wort | ° £ i\ ^ mög-
*ö
') LD. Text I 59. Steindobff, Ti 133. 134. C'apart. Rue de fcombeaux 33. Davies, Deir
el Gebrawi I 14. Vgl. ürk. I 65. -- 2) Schiaparelli. Libro dei ftmerali I 68ff. (Memorie acad.
dei lincei vol. VIII, 1883): II :>(J9ft-. (a.a.O. vol. VII. sei'. 4a. 1885). — 3) ürk. II 196,2. 226,9,
wo es von der Statue des Königs und des Gottes, der ihm das Siegesschwert reicht, heißt, sie
sollen gemacht sein «in dei' Arbeit der Bildhauer Ägyptens., (toi» tu» AlyvTTTtu
T30—OV
ö2 K. Seihe: Die angeblichen Schmiede des Boras von Edfu. [54. Band.
wird meist, in den von Naville veröffentlichten mythologischen Texten sogar
stets, ohne das ^ tj geschrieben, das doch für die Identifikation mit &&.ci\ht
die notwendige Voraussetzung sein müßte. Es scheint nach dem tatsächlichen
Befunde durchaus möglich, daß das in Varianten wie [fil^ j$ > fM' Im usw-
gelegentlich auftretende, meist aber fehlende ^ bei msn keine ernstliche Be-
deutung hatte, sondern nur als ein entwerteter Zusatz anzusehen ist1, wie das
in hieroglyphischen Texten der griechisch-römischen Zeit so häufig der Fall
ist2. Auf jeden Fall würde die Form nisn-tj, falls sie dennoch wirklich neben
min (bzw. msn-tc) existierte, nach dem tatsächlichen. Befunde wohl nur eine
seltenere Nebenform, nicht die gewöhnliche Form des Ausdrucks gewesen sein
können.
In der Tat finden wir das Wort, wo es uns hieratisch geschrieben be-
— . i r\ /WWW -J
gegnet, ohne geschrieben: j|| 1 9 I ^^ ^aP- ^e B°ulak I pl- 14. 1. 3 (röm.
Zeit). So vor allem auch an der ältesten Stelle, an der es überhaupt bisher
belegt ist, Lacau, Text relig. 20,35 (M. R.):
t\ fhH 0*^111 J)^*> "du setzest dich in das Götterschiff (rlp-t ntr),
du jagst das Nilpferd in dem gewundenen See, jeder Gott ist dein msn-w«-.
Beachtenswert sind die Varianten, die das Wort msn-w in den Parallel-
en
1
texten zu dieser Stelle hat. Der eine schreibt es (Tj „ , 3 | 3 , also mit dem
Zeichen des Knochens, das es auch in den griechisch-römischen Texten des
Edfu-Tempels zu erhalten pflegt und das es auch in dem eben zitierten Bulaker
Papyrus hatte. Der andere Paralleltext schreibt dagegen |T| t=&* Mj mit dem
Zeichen c=äfc=> , mit dem wir unser Wort in den von Naville veröffentlichten
Texten vereinzelt einmal, und zwar ohne phonetische Komplemente, geschrieben
finden :
c=ajfc=a VrP i \ T "^z? I »die msn-w sind geschart um ihren Herrn«,
21 i <^>i I I i i i
Naville, Text. rel. au mythe d'Horus, pl. 14, 5, wo die Parallelstellen ib. 3. 8
(Fl 1 Sr ' naDen-
Mit dem Zeichen, das an dieser Stelle als Wortzeichen für unser Wort
msn verwendet erscheint, pflegt sonst die Ortsbezeichnung geschrieben zu
werden, die eine Kultstätte des Horus von Edfu bezeichnet und in den Texten
ständig im Zusammenhang mit den msn-rc des Horus von Edfu und mit der
Vernichtung seiner Feinde genannt wird. Wie die phonetischen Schreibungen
fl™^, flVin®' iVli® (Nayille- a-a-°- i)L 17>10ff-) leW' ist audl
x) Hiergegen könnte nur die oben S. 50 Anrn. 3 zitierte Schreibung mit "^ sprechen.
2) Vgl. Junker, Gramm, der Dendera-Texte § 45,2. 46 und ÄZ. 49,33.
Hand ")4.| K. Sethe: Die angeblichen Schmiede des Monis von Kdfu. 53
dieser Name mm oder msn-t zu lesen. Brugsch und Masfero sahen darin, in
folgerichtiger Konsequenz ihrer Deutung der ///m-w-heute, eine »Schmiede«
oder »Metallarbeiterwerkstatt«, die im Tempel von Edf'u wie an einigen andern
Orten Ägyptens für die »Schmiede« [forgerons) des Horus von Edfu eingerichtet
gewesen sei.
Das Zeichen c=ä=s , das wir in allen diesen Stellen mit dem Zeichen des
Knochens 3 abwechseln sehen, kommt in den Texten des Horus-Mythus von
Edfu noch zweimal vor als Ideogramm eines Wortes bb, das ein Gerät zur Nil-
pferdjagd zu bezeichnen scheint:
^ 011t I« i- — °^ »seine Begleiter waren mit ihm (dem Gotte) als
msn-ic, seine Schiffe, seine 6&-6eräte, seine Lanzen, sein Strick, sein mf6/-Spieß,
seine Waffen«, Naville, a. a. 0. pl. 22,22; vgl. pl. 25,58 mit der Variante
JJ.T.S-
I I I
fij^30T— ^!— öi
... n *^ / ^37 »seine msn-tu, seine Begleiter waren um ihn mit
seinem Erze, mit seinen bb-Geräten, mit allen seinen Stricken«, a. a. 0. pl. 17,9.
Statt des Zeichens <=&=*, dessen genauere Zweckbestimmung ich Archäologen
überlassen muß, scheint unser Wort msn durch das Zeichen des Holzes ^^-
. fj| I _ »Jfiw-Haus«, die Piehl,
Inscr. II 79 bezeugt und die Grai>ow irrig H-t-msnht lesen wollte1. Das gleiche
Determinativ findet sich in der oben zitierten Stelle Papyrus de Boulak I pl. 14, 1. 3,
wo es ganz ähnlich wie an der LACAu'schen Stelle und an der ersten der beiden
eben zitierten Edfu-Stellen heißt: »Horus von ist mit ihm v\ jb I 3|
v^^-T " »als guter min«.
Was diese und andere Stellen bereits erkennen lassen konnten (s. oben
S. 50 Anm. 3), das wird durch das oben angeführte älteste Zeugnis (Lacau a. a. 0.)
außer jeden Zweifel gesetzt: unser Wort msn kann nichts anderes bedeuten als
den Harpunierer oder Harpuniergehilfen bei der Nilpferdjagd. Die Konstruktion als
Prädikat eines Nominalsatzes mit dem l\ der Identität, wie sie hier und zum
Teil an den obengenannten andern Stellen vorliegt, läßt in dem Zusammen-
hange, in dem der ganze Satz auftritt, keine andere Deutung zu.
Ist dem so, so erklärt sich nun vielleicht auch das Zeichen des Knochens
bei unserm Worte. Die Harpunen der Ägypter hatten bekanntlich in der ältesten
Zeit Knochenspitzen; das lehren zahlreiche Funde aus den alten Gräbern und
') Wortbildungen mit dem Präfix m (Abh. Akad. Berl. 1914, 5) S. 29.
54 K. Sethe: Zum Inzest des Snefru. [54. Hand.
die Beschreibung der Harpune bzw. des Jagdspießes für die Nilpferdjagd in den
P\ ramidentexten (Pyr. 1212 d). Auch das Wort mhü-t »Stab«, das an dieser
Stelle den Schaft der Harpunierin nze bezeichnet, wird bekanntlich seit dem ."Mitt-
leren Reich wie andere Wörter für Rohr und Schilf mit dem Zeichen des Knochens
geschrieben. Das Wort msn-w »Harpunierer« selbst könnte seiner Bildung nach
eventuell eine Ableitung mit dem Präfix m von dem Namen des Zweizacks I in
gewesen sein, der in den Darstellungen des Edfu-Tempels die ständige Waffe
der m&h-w bei der Erlegung des Nilpferdes und sonst bildet. Freilich sollte
man dann aber erwarten, daß das Wort mm-ic auch mit dem phonetischen
Zeichen I m geschrieben werde; das ist indes nicht der Fall.
Jedenfalls hat aber das Wort min-w »Harpunierer« mit gj <; /i nft $•(/{?)
»Bildhauer« und mit £^ckht »Erzarbeiter« nicht das Mindeste zu tun.
Zum Inzest des Snefru.1
Von Kurt Sethe.
Meine Erklärung der genealogischen Inschrift im Grabe des Hr-f-Snfnr (LD.1I 1 fi)
und der Schluß, den ich daraus zog, daß der Prinz Nfr-mM von König Snefru
mit seiner eigenen Tochter erzeugt worden sei, ist neuerdings von H. Sottas
in einem Aufsatz, der mir erst kürzlich bekannt geworden ist (Rev. egyptol. 14.
150). angefochten worden. Nach ihm soll jene Inschrift, die wörtlich so lautet:
»le roi Snefrou, sa fille ainee de son sein Nfrt-Jctw, leur fils Nfr-m^t, son fils
fflf-Snjrw« nur besagen, daß Nfr-m^t der Enkel des Snefru gewesen sei, indem
das si-sn »leur fils« ihn gleichzeitig als Sohn seiner Mutter Nfrt-ltfw und —
gänzlich überflüssigerweise — als Enkel seines soeben erst als deren Vater ge-
nannten Großvaters Snefru bezeichnete.
Ich kann eine solche unnatürliche und doppelsinnige Auslegung des Wortes
§1 »Sohn« als Sohn und Enkel, zumal in einer solchen Genealogie, nicht als
möglich zugeben. Läge wirklich nur ein Abstammungs Verhältnis vor, wie es
Sottas annehmen will, so müßte für mich die Inschrift so abgefaßt sein: »König
Snefru, seine Tochter Xfrt-kJir, ihr Sohn {si-i »son fils«, nicht sS-Sn »leur fils«)
Nfr-mM, sein Sohn Qcf-Snfrw*. Das Fehlen einer anderweitigen Angabe des
Vaters des Nfr-mM in der Genealogie und die Tatsache, daß derselbe Nfr-mM
anderwärts wirklich den Titel »Königssohn« führt und ein Amt bekleidet, das
zu seiner Zeit nur Königssöhne bekleideten, das des Oberrichters und Wesirs,
') Vgl. ÄZ. 50,57.
Band 51.| K. Sethe: Zum Inzest des Snefru. 55
rechtfertigen in meinen Augen vollkommen die natürliche Auffassung der Ge-
nealogie, wie ich sie seinerzeit vertreten habe, d. h. daß das sl-sn »leur fils«
den Nßr-mict als Sohn der beiden vorhergenannten Personen bezeichne.
Alles, was Sottas zur Unterstützung seiner abweichenden Erklärung aus
späteren Zeiten der ägyptischen Geschichte zusammengetragen hat, beweist dem-
gegenüber nicht das geringste. Der erweiterte Gebrauch des Titels si nswt
»Königssohn«, wie er im Neuen Reich u. a. für die Statthalter Nubiens belegt
ist, ist für das Alte Reich völlig unbewiesen; die Kinder der Königskinder aber
führen in dieser Zeit, wie aus zahlreichen Fällen bekannt ist, stets den Titel
I <=> r-h-nswt, niemals den Titel sl-nswt, wie unser Nfr-mM1 . Die andern von
Sottas angeführten Beispiele, in denen sS »Sohn« den Nachkommen schlecht-
hin oder den Schwiegersohn (Urk. I 32) oder Pflegesohn (»sein geliebter Sohn,
der Sohn seines Bruders«, Moret, (atalogue du Musee Guimet pl. 4) bezeichnet,
sind Fälle eines ungenauen Gebrauchs, wie sie sich wohl in jeder Sprache unter
l) Die einzige Ausnahme, che es in dem bisher bekannten Material gibt, ist nur scheinbar.
Im Grabe des ^ v\{ j, mit «schönem Namen« X (I , bei Sakkara (Daressy, Le Mastaba
de Mera, Mem. de linst, egyptien tome III 1898, kollationiert von Erman), ist der den Toten und seine
Frau, eine "'älteste leibliche Königstochter«, als Kind begleitende (^^(]|y,'(|(| stets selbst als
«ältester leiblicher Königssohn« betitelt (a. a. 0. S. 527. 528. 532 usw.). Hier handelt es sich offen-
bar um einen Sohn der Prinzessin ( ' \g^ I r h ^ (j/1 *;— »ihr ältester und von ihr geliebter
Sohn« heißt er geradezu a. a. 0. S. 555), den sie dem Mrrw-kl mit in die Ehe gebracht hat und
der einer früheren Ehe mit einem König, sei es nun ihrem Bruder oder wieder ihrem Vater,
entstammte. Daher wird der Prinz im Grabe seines Stiefvaters in der Regel auch nicht als dessen
Sohn, sondern als »Königssohn« bezeichnet. (Ausnahme vielleicht a. a. 0. S. 541, falls es sich
dort nicht um eine andere Person gleichen Namens handelt oder, was noch wahrscheinlicher ist,
s \| ry. /WWV\
eine Verschreibung oder Verlesung für ( doö I tt ^ vorliegt, vgl. a. a. 0. S. 548: Erman hat
die in Rede stehende Stelle leider nicht kollationiert). Anders in seiner eigenen, an das Grab
des Mrrw-hi anstoßenden Grabanlage. Dort nennt er sich in der XZ. 49, 98 von mir besprochenen
Weise □ r (] ^«^Q \Vn r c=t[](]^=^. »Fürst Mrj sein leiblicher ältester und von
ihm geliebter Sohn«. Dabei sind aber die Worte r jj >>= nicht ursprünglich, sondern Palim-
psest, an Stelle älterer ausgemeißelter Zeichen nachträglich eingesetzt, und zwar nicht nur, wie
Daressy angab (a. a. 0. S. 561), der Name Mrj, sondern, wie zu erwarten war und durch Erman's
Kollation bestätigt wurde, auch das darauffolgende und darauf Bezug nehmende sl-f »sein Sohn«.
Es ist klar, was statt dessen ursprünglich dagestanden haben muß: '^^l^. »Graf, Königssohn«.
Mrjj-Ttj war dann hier ebenso betitelt wie sonst, wo er nicht «Mrfs Sohn« genannt ist: rj
__£) 1 ? "" — °
c==^ 1 A^ usw. »Fürst und Graf, ältester leiblicher Königssohn«. Daß die beiden so wieder-
herzustellenden Titel in den betreffenden Inschriften zum Teil noch einmal an anderer Stelle
wiederkehren, also doppelt genannt sind, ist nicht anstößig, wie ein Vergleich der bei Daressy,
a. a. O. S. 561 ff., gegebenen Titulaturen lehrt. Der wahre älteste Sohn des Mrrvc-k} = Mrj ist uns
auch bekannt; er heißt f\ f\ h (a. a. 0. S. 528. 535. 541).
56 II. van deb Leeuw: External Soul, Schutzgeist und der ägyptische Ka. [54. Band.
Umständen gelegentlich einmal finden, niemals aber in einer richtigen Genea-
logie auftreten werden1.
Sottas verweist am Schluß seines Aufsatzes noch auf eine von mir leider
übersehene Bemerkung Masperos (Hist. anc. I 50) über ähnliche Fälle königlicher
Ehen zwischen Vater und Tochter (Ramses IL und seine Töchter Bint-Canat und
Hnwt-tkcj, sowie eine persische Parallele), natürlich um sie zu verwerfen. Mit
Unrecht; die Zweifel, die früher gegen diese Fälle ausgesprochen worden sind,
und die Verlegenheitsdeutungen, die man dafür ersonnen hat, sind jetzt, wie
mir scheint, durch das von mir nachgewiesene gänzlich unzweideutige Beispiel
des Königs Snefru völlig grundlos geworden.
n
Extemal Soul, Schutzgeist und der ägyptische Ka.
Von G. van der Leeuw.
In einem Aufsatz »Macht, Seele, Gott«" hatte ich neulich Gelegenheit, auf die
verschiedenartigen Beziehungen hinzuweisen, welche zwischen den drei Vor-
stellungen oder vielmehr Vorstellungskreisen der unpersönlichen, göttlichen Macht,
der menschlichen Seele und der Gottheit bestehen.
Ich konnte dabei die Vorstellung der Seele außerhalb des Körpers, von
den Engländern gewöhnlich external soul genannt, nur ganz kurz streifen. Da-
her möchte ich an diesem Ort noch einmal darauf zurückkommen, um die Vor-
stellungen external soul und »Schutzgeist« auf ihre Verwandtschaft hin zu prüfen,
und das Ergebnis hauptsächlich zum besseren Verständnis des ägyptischen Ka
zu verwenden.
Es darf als genügend bekannt vorausgesetzt werden, wie bei nahezu allen
Völkern die menschliche Seele in verschiedenen Verkörperungen gedacht und
an verschiedenen Stellen des Körpers lokalisiert wird. Als Fliege, Vogel, Fleder-
maus, Biene, Maus. Schlange, Fisch, Eidechse, Schmetterling, schließlich in
Menschengestalt als Homuneulus oder Doppelgänger, erscheint die Seele in den
') Das von Sottas zitierte Beispiel aus dem Grabe des Wsr-htt ist keine genealogische In-
schrift, sondern dort sind (nach meinen eigenen Aufzeichnungen, die ich 1905 an Ort und Stelle
gemacht habe), hintereinander die nachstehenden Personen, jede mit ihrer selbständigen Beischrift,
im Bilde dargestellt: 1. der »Vorsteher der Hauptstadt und Wesir Imuthes«, 2. »sein geliebter
Sohn, der erste Prophet des Amun Hapu-seneb«, 3. «sein (des Imuthes) Vater, der erste Prophet
des Amun Cbons em-[ ]«, 4. »ihr Sohn (d. h ihr Nachkomme), der ihren Namen leben ließ,
der erste Prophet des Königsgeistes Thutmosis' I. User-het«.
2) Theologisch Tijdschrift, 1918.
Band .">4.| II. van deb I.kh u : Externa! Soul, Schutzgeist und der ägyptische AV/. 5/
Träumen des Schlafenden oder Wachenden. Im Odem, Schatten. Herz, Leber,
Blut, Haar, Phallus usw. wohnt das Leben des Menschen, seine Seele1.
Auch wissen wir seit langem, daß unsere Vorstellung von einer Seele
nicht für alle Zeiten und Völker selbstverständlich gewesen ist. Oft nimmt
man zwei oder mehrere, bisweilen recht viele Seelen an. So z. B. unterscheiden
die westafrikanischen Neger 1. die nach dem Tode überlebende Seele; 2. die
Seele, welche im Wald in einem Tier haust; 3. den Schatten; 4. die Traumseele2.
Gewöhnlich werden nun, wie auch im angeführten Fall, die verschiedenen
Seelen nach ihrer Art und Bestimmung auseinandergehalten. Und zwar lassen
sich hier, wie Nilsson und Kruyt nachgewiesen haben, zwei Haupttypen unter-
scheiden.
Zunächst die Seele, welche im Traum erscheint. Diese ist es auch, welche
gewöhnlich mit dem Leben nach dem Tode in Verbindung gesetzt wird. Traum-
seele und Seele des Abgestorbenen gehören zusammen. Auf sie baut sich die
animistische oder, wie Kruyt besser sagt, die spiritistische Theorie.
Es gibt aber noch eine zweite Seele, welche mit Traum oder Tod nicht
notwendig zu tun hat3. Das ist die innere Lebenskraft, welche den Menschen
beseelt, ihn zu allen seinen Handlungen befähigt, Man«. Von hier aus sind die
animatistischen, dynamistischen, präanimistischen Theorien entstanden4.
Beide Theorien sind natürlich im Recht. Insoweit sie nämlich keine Theorien
bleiben, sondern das selbständige sowie das vermischte Auftreten der beiden
Typen anerkennen. Denn eine reine Scheidung läßt sich nur in unserer Stu-
dierstube vollziehen. Schon die Traumseele ist nicht immer eins mit der Seele
des Dahingeschiedenen. Und anderseits werden die Vorstellungen vom Traum-
bild oder Doppelgänger hie und da in Verbindung gebracht mit denen von
der unpersönlichen Lebenskraft. Das werden wir unten am Ka verdeutlichen
können.
Diese Differenzierung gibt nun Anlaß zu der Vorstellung, daß eine (nicht
die) Seele den Körper verläßt, um in eine der obengenannten Gestalten einzu-
gehen. Bei einer einheitlichen Seelenvorstellung würde der Mensch sterben,
wenn die Seele den Körper verließe. Es sind aber, außer der Kraft, die ent-
weicht, mehrere Seelen oder seelenartige Substanzen da, welche die äußere Er-
scheinung des Betreffenden instand halten. Dies gilt, auch wenn es nicht aus-
') Eine Zusammenstellung, insonderheit für die Griechen, gibt 0. Waser, Über die äußere
Erscheinung der Seele in den Vorstellungen der Völker, zumal der alten Griechen. Archiv für
Religionswissenschaft 16, 1913, S. 336 — 388. Vgl. F. B. Jevons, An Introduction to the History
of Religion. London 1896, p. 44. -- 2) Mary H. Kingsley, West-African Studies. London 1899,
p. 199 sqq. Vgl. für weitere Beispiele u. a. J. G. Frazer, The Golden Bough :!. VII. Balder
the Beautiful. London 1914. 2. p. 196 sqq. J. Levy-Brühl, Les Fonctions mentales dans les
societes inferieures. Paris 1910, p. 92. — 3) Vgl. N. Söderjslom, Das Werden des Gqttesglaubens.
Leipzig 1916, S.löf. -- *) M. P. Nilsson, Primitive Religion. Tübingen 191 1. S. 16f. A. 0. Kruyt.
Het Animisme in den indischen Archipel, 's Gravenhage 1906, S. 1- — 5.
Zeitschr. f. Ägypt. Spr., 54. Band. «
58 H. van der Leeuw: External Soul, Schutzgeist und der ägyptische Ka. [54. Band.
drücklich gesagt wird. Unter Umständen kann sogar der Körper als eine der-
artige Seele fungieren1.
So kann eine Seele los vom Körper gedacht werden. Einen Rest derar-
tiger Trennung haben wir in gewissem Sinne vor uns, wenn Homer die »hei-
lige Kraft« seiner Helden als Hauptwort, sie selbst im zweiten Kasus anführt.
Denn wenn er immerfort redet von »kpov tJ.EVog'AXxivooic, lepyj ig TYiXeuoe,%oio « usw.,
so bedeutet dies zwar im Zusammenhang nichts anderes als »der kräftige Al-
kinoos« usw., ist aber doch ein deutlicher Hinweis auf eine Möglichkeit der
Trennung von Person und Seele. Alkinoos ist ein so großer Held, weil er
Ijlsvoq hat. Er bliebe aber ebensogut Alkinoos. wenn auch nicht ein großer Held,
wenn er kein jjlsvos hätte. Hier liegt der Unterschied mit unserer Seelenvor-
stellung: ohne Seele wären wir gar nicht, sie bildet gerade die Person. Ful-
das primitive Vorstellungsvermögen ist sie nur eine der oft zahlreichen ver-
schiedenartigen Kräfte, welche die Person zu dem machen, was sie ist2. Dieser
Gedanke liegt ja übrigens auch noch unseren Ausdrücken »Seine Majestät«,
»Seine Exzellenz« usw. zugrunde.
Wenn es nun dem primitiven Menschen möglich ist, sich die seelische
Kraft getrennt vom Besitzer vorzustellen, so hindert ihn nichts, diese Kraft
darzustellen als irgendwo aufbewahrt, außerhalb des Körpers. So konnten die
vielen Märchen aufkommen, in denen die external soul eine Rolle spielt.
Vornehmlich seit den Arbeiten Wilkens und Frazers sind diese uns wohl-
bekannt. Punchkin, der Zauberer, dessen Leben in einem Papagei hauste, mit
dem zusammen er schließlich sterben mußte :i; Koshchei und das Ei4: Bidasari
und der Goldfisch5; das norwegische Märchen vom Risen som havde noget hj&rte
paa äg*; das ägyptische von Bata, dessen Herz auf einem Zedernbaume lag':
das deutsche von des Teufels drei goldenen Haaren8; die Simsonsage9; die
Meleagersage 10 ; Balder und der Mistelzweig11 ; die Lykanthropic1'2; die Tierseele
in der Wildnis; der Geburtsbaum, mit dessen Leben das Leben eines Menschen
verknüpft ist13; das Amulett, Edelstein oder sonstiger Gegenstand, als Verbleibs-
ort der Seele14, das alles sind nur einzelne bekannte Erscheinungen aus der
Unmenge von Material, das hier vorliegt1".
l) Der ägyptische »Körper«, rj-t, wird als Lebenskraft, Seele im zweiten obengenannten
Sinne, gefaßt. Siehe meine: Godsvoorstellingen in de oud-aegyptische Pyramidetexten. Leiden
1916, blz. 32 und die dort angeführten Stellen. '-) Vgl. meinen obenerwähnten Aufsatz in
Theologisch Tijdschrift. — :i) G. A. Wii.ken, De verspreide Geschritten, verz. door Mr. F. D. E. van
Ossenbruggen, III. 's Gravenhage 1 912, blz. 291 v. — 4) Wii.ken blz. 293. :>) Wilken blz. 296 vv.
- <!) P. Chr. Asbjörnson, Norske Folke- og Huldre-Eventyr, 3. OpL, udg. af M. Moe. I. Kristiania
1909, p. 50. — 7) Wilken blz. 293v.; Frazer, Balder II p. 134sqq; M. Burchardt, Das Herz des
Bata, ÄZ. 50, 1912, S. H8f. — s) Kinder- und Hausmärchen Nr. 29. — 9) Wilken blz. 551— 579.
"') Wilken blz. 553. — ") Frazer, Balder II p. 96 sqq. ia) Wii.ken blz. 25 vv. — 13) Wilken
blz. 300 vv.: Frazer, Balder II p. 160 sqq.; Jevons, Introduction p. 207. - 14| Wii.ken blz. 299;
Frazer, Balder II p. 153 sqq. erklärt die »ssn -*$ von des. 3, 20 in diesem Sinne. -- ' ') Siehe weitere
Beispiele bei AVilken, blz. 291 30!) u. 551—579; Frazkr, Balder II p. 96sqq.
Band ">4.| II. \ \n dkk Leecw: External Said, Schutzgeist und der ägyptische ho. 5(.)
Der Grund, weshalb man seine Seele an einem gewissen Orte ver-
birgt, ist klar. Man wünscht sie zu sichern vor Gefahren und Feinden1.
Wenn man die Seele nicht im Leibe hat, so ist man unverwundbar. Bis
natürlich der Glücksheld des Märchens kommt und den verborgenen Schatz
auffindet.
Als external soul ist auch der Doppelgänger zu erklären, der in so vielen
Sagen und Vorstellungen auftritt2. Im Doppelgänger tritt die Seele des Men-
schen aus seinem Körper heraus.
In diesem Zusammenhange läßt sich nun auch verstehen, wie die Vorstellung
der external soul eine weitere Ausbildung erfuhr in derjenigen des Schutz-
geistes. Vielfach nämlich werden diese beiden Begriffe einander gleichgesetzt
oder sogar verwechselt. Das beruht darauf, daß, wenn die Lebenskraft
eines Menschen in der external soul geborgen ist, er selbst sicher
ist vor allen Nachstellungen. Noch einen Schritt weiter, und die selb-
ständig gewordene Seele, welche die Sicherheit ihres Besitzers ver-
bürgt, wird zur Schirmerin, zum Schutzgeist. Man kann auch so sagen:
die Lebenskraft (»Seele«) einer Person ist im Schutzgeist als external soul ; da-
her ist die Person gegen Übel aller Art gesichert.
Betrachten wir einige Beispiele dieser Art. Die altnordische Hamingja be-
deutet sowohl »Glücksvorrat und Schicksal des Geschlechts und des Einzelnen«,
wie Seele, (reist und auch Schutzgeist, »ohne daß der Übergang scharf
markiert wäre«:\ Den malakh Jahre hat uns Lods verstehen lassen als das
Gegenteil von einem Produkt später, Verrncnschlichung scheuender P^rwägungen4.
Der Sendbote Jahves ist ja, wie bekannt, nicht immer von Gott selbst scharf
unterschieden. Er ist die Person Jahves selbst, aber losgedacht von ihm,
eine external soul der Gottheit. Eins mit ihm', tritt er gesondert von ihm auf.
Ursprünglich ist der Malakh also wohl die gesicherte, verborgene Lebenskraft
des Gottes h. Später wird er dann zum bloßen Abgesandten, zum Engel. Und
noch später tritt in der griechisch-judaistischen Spekulation sein ursprünglicher
Charakter wieder an den Tag. indem er als Hypostase. Logos gilt: das Wesen
Gottes, nicht von ihm getrennt, sondern bloß unterschieden'.
Dieser Engel Jahves tritt nun sehr oft auf als Schutzgeist, und zwar
nicht mehr des Gottes selbst, sondern des Menschen. Die schirmende Lebens-
') Blrchardt a. a. 0. — -) Siehe z. B. H. G(aidoz), L/ämehors du corps et le double. Melu-
sine 11, 1912, p. -263 — 266. — :il Söderbi.om, Gottesglaube S. 66. — 4) Wie noch H. Günkhx,
Genesis, 3. Aufl. Göttingen 1910, S. 187. 5) Aussprüche wie Ex. 23. 21 (»Mein Name«, d. h-
mein Wesen, »ist in ihm») lassen, keinen Zweifel. - 6I Den Gegensatz, die ungeschirmte, so-
zusagen offene Seele bezeichnen gut die Ausdrücke »seine Seele in seine Hand nehmen«-
1. Sam. 19,5: »seine Seele vor sich hinwerfen«, Jdc. 9, 17. Man muß dann in der Tat die Seele
selbst hüten, und das ist sehr gefährlich. — ') A. Lous, L'Ange de Yahve et l'»äme exterieure«
(ZAW, Beiheft 27, 1914 S. 263— 278.
8*
(JO II. van der Leeuw: External Soul, Schutzgeist und >\cr ägyptische Ka. |.">4. Band.
kral't, die der Gott in der vorgeschrittenen Vorstellung nicht mehr braucht, hat
sicli zum Besten des Menschen gekehrt1.
So wird die external soul zum Schutzgeist. Auch bei den Engelvorstellungen
des jüdischen Volksglaubens ist ihr Charakter als Seele noch sehr wohl erkenn-
bar. Mt. 18,10 ist die Rede von den Engeln der Kinder, welche im Himmel
sind. Rhode, Acta 12, 15, glaubt den Engel des Petrus zu sehen. Das Iteruln
auf einer Anschauung, nach welcher der Engel eigentlich der Doppelgänger, die
Seele außerhalb des Körpers, dann auch der Schutzgeist ist". Auch auf Gott
wird das Wesen der Engel bezogen, indem z. B. die Erzengel als die hyposta-
sierten Eigenschaften Gottes gelten: Michael die Güte und Gnadenwaltung,
Gabriel die strafende Macht, Uriel der Glanz, Rafael das Heil3. Die Abgesandten
bilden also zu gleicher Zeit einen Teil des Senders; zwischen Doppelgänger und
Engel sind die Grenzen fließend4. In gewissem Sinne hat auch die christliche
Kirche mit diesem Problem gerungen, als sie die Sendboten Gottes, seine Offen-
barung im Logos und im Heiligen Geist, schließlich nur als wesenseinig mit
ihm in die Trinität unterzubringen wußte. Zumal der Heilige Geist ist nichts
anderes als eine selbständig gewordene, von Gott ßlioque ausgegangene Potenz.
Ein typisches Beispiel von Seele, Lebenskraft und Schutzgeist in eins ge-
dacht bilden der römische Genius und die iranische fravashi. Der erstere ist
Lebensprinzip, zumal der Familie, eine Art Familienseele: erscheint alter auch
als external sovl in Schlangenform: und schließlich hilft und schirmt er als ein
richtiger Schutzgeist5. Auch hier wird wohl so zu erklären sein: gerade als
Lebensprinzip vermag der Genius zu schützen.
Die fravashi ist eine Art persönlicher Schutzgeist, jedoch wurzelnd in der
Seelenvorstellung. Jedermann hat seine fravashi, die Lebenden, die Toten und so-
gar die künftigen Geschlechter: die Helden, auch die Götter; die Tiere, jedes
Naturding, Himmel. Wasser, Erde usw. Sie ist sozusagen der ideelle Teil des
Wesens, der sowohl vor seiner Geburt wie nach seinem Tode existiert. Später
hat alles seine fravashi; sie wird dann » Tarne, Fessence de tout ce qui existe«.
Sie tritt dann auf als der Schutzgeist holt etay^v, die Schirmerin alles Guten,
'| Umgekehrt kann auch der Schutzgeist als eine Art persönliche Seele aufgefaßt werden,
vgl. Theologisch Tijdschrift. und noch Wallensteins Lager, XI:
»Tat uns der Friedländer nicht formieren .'
Seine Fortuna soll uns führen.«
') Vgl. .1. Weiss, Die Schriften des Neuen Testaments, 2. Aufl. Göttingen 1907. I S. 350 f.
•leder hat einen oder zwei Schutzengel im Himmel, auch nach dem Talmud. A. Kohit. Jüdische
Angelologic und Dämonologie (Ahh. d. D. Morg. Ges. 4, 3). Leipzig 1866, S. 19. 32. I Kohut,
Angelologie S. 25. Genau so die Amesha spento's des Parsismus S. 21 f. u. A. 13. — *) Wie in
der Magie nicht immer festzustellen ist, ob der Doppelgänger des Zauberes er selbst ist, oder nur
sein Sendbote, vgl. H. Hiisert et M. Mauss. Fsquisse d'une theorie generale de la Magie. (Ann.
soeiol. 7, 1 — 14li|. — ') W. Warde Fowi.er, The Religious Experience of the Koman people.
London 1911. p. 74 sq. Jevons, Introduction p. 186 sqq. Frazer. Haider II p. '212, n. 2. In der
Armee: A, von Dom aszkwski, Die Religion des römischen Heeres. Trier 1895, S. 114.
I>;iik1 54.] II. van der Leeuw: Externa! Soul, Schutzgeisl und der ägyptische Ka. 61
der Widersacher alles Bösen. Die Seele, auf sich gestellt, die Quelle aller Lebens-
kraft, als external soul, wird notwendig zum Schutzgeist1.
Wir sind jetzt genugsam darauf vorbereitet, im ägyptischen Ka sowohl die
Züge des Schutzgeistes als auch diejenigen der Seele, des Lebensprinzips, nament-
lich der selbständig gedachten Seele zu entdecken. Von jeher hat die schillernde
Bedeutung des Wortes stutzen gemacht. Wir können hier nicht die ganze, ziem-
lich umfangreiche Literatur anführen2. Es genüge, die drei wichtigsten An-
schauungen hervorzuheben, die meines Erachtens alle drei Wahrheitsmomente
enthalten.
1. Der Ka ist das Lebensprinzip, unpersönliche Seelenkraft5.
2. Er ist »double«, ein Doppelgänger4.
3. Er ist ein Schutzgeist5.
Die Vertreter der drei genannten Anschauungen haben sich oft bekämpft,
als ob ein Standpunkt die beiden anderen völlig ausschließen würde. Dem ist
nun nicht so, wie mir scheint. Zweifellos richtig ist die erste Deutung als un-
persönliche Lebenskraft. Aber auch der Ka als double ist gut bezeugt, schon
in den Abbildungen; und »Schutzgeist«, wenn man diesen Begriff nur nicht
zu selbständig, dämonenartig faßt, ist er gewiß auch1'. Wie nun aus diesem
Wirrsal herauszukommen?
Auszugehen ist bei alledem von der Grundbedeutung: unpersönliche Lebens-
kraft. Der Ka macht seinen Besitzer zu dem, was er ist, befähigt ihn zu dem,
1) N. Söderblom. Les Fravashis. Paris 1899, u.a. p. 32. 49s. 50. 59. 62ss. »II y a loin
de la fravashi de l'Avesta et des ecrits pehlois ä Fange gardien juif et chretien«. sagt Söderblom
p. 60 n. 3. Denn die fravashi ist ein Teil des Menschen, kein selbständiges Wesen. Das ist zu-
zugeben. Einerseits sahen wir aber, wie schnell der Personifizierungsprozeß vor sich gehen kann:
anderseits, daß auch der jüdische Schutzengel aus der Seelenvorstellung erwachsen ist. Der Ab-
stand wird also nicht so groß sein. Vgl. weiter E. Lehmann, Zarathustra. Kopenhagen I 1899. 79. 84.
Eine T bereinstimmung mit dem malokh Jahve finden wir noch darin, daß »la fravashi du
seigneur est le seigneur lui-meme«, p. 56. So sagt ja auch Paulus 2. Cor. 3, 17: »Der Herr ist
der Geist.« Denn der Geist ist das Wesen des Herrn und zugleich die Hilfe, der Trost, der
»Schutz«, alles was die Gemeinde vom Herrn spürt,
Die von Gott oder vom Zauberer ausgehenden Kräfte werden gewöhnlich personifiziert und
können dann entweder als ein bloßer Gehilfe oder als ein Doppelgänger gefaßt werden, bleiben
aber immer ein wesentlicher Teil der Person, eine external soul (der Sperber des Nektanebos, die
Tiere der mittelalterlichen Hexe, die Raben Odhins usw.). Vgl. Hubert-Mauss, Theorie gene-
rale p. 78 ss.
2) Vgl. meine: Godsvoorstellingen blz. 14 vv., wo die wichtigsten Auffassungen des iTa verzeichnet
sind. — 3) W. B. Kristensen, Agypternes forestillinger om Livet efter Deden. Kristiania 1896, p. 14.
F.W. von Bissing. Versuch einer neuen Erklärung des Kai. Ber. Münch. Akad. 1911. Ad. Erman,
ÄZ. 43, 1906 S. 14. So u. a. auch Dussaud und Thierry. — 4) Vor allem G. Maspero, u. a. in:
Le Ka des Egyptiens, est-il un genie ou un double:' Memnon 6, 1912 S. 125 ff. 5) G. Steix-
dorff, Der Ka und die Grabstatuen, ÄZ. 48, 1910 S. 152 ff. Etwas anders auch J. H. Breasted,
Development of Religion and Thought in Ancient Egypt. London 1912, p. 52sq. — '"') Godsvoor-
stellingen blz. 7 — 17. Auf diese Ausführungen verweise ich auch für die Dokumentation des Folgenden.
62 H. van dek Leeüw: External Soul, Schlitzgeist und der ägyptische Ka. |54. Band.
was er kann. Wir denken sogar, mit Söderblom, an das melanesische Muna1.
Der Ka ist eine der vielen lebenspendenden Mächte, und eine sehr wichtige.
Getrennt sein vom Ka ist denn auch nichts anderes als »sterben«. Es
heißt in den Pyramidentexten z. B. : »(Horus) hat ihre (der Feinde) l\<t's von
ihnen entfernt«, d. h. sie getötet. Umgekehrt ist der Besitz des Ka's ein Beweis
kräftigen Lebens. Wenn es dem wiederauferstandenen Toten gut geht, wird
ihm zugerufen: »Du rufst deinen Ka, wie Osiris«, d. h. du hast, wie Osiris, deine
Lebenskraft zur Hand".
Beim Sterben bleibt also der Ka für sich bestehen. Ja, es scheint, als
iinge seine eigentliche Existenz dann erst recht an: »Wenn ich sterbe, ist mein
Ka mächtig5.« Natürlich soll das nicht heißen, daß der Ka sich bloß auf das
Leben nach dem Tode bezieht. Er wird mit dem Menschen geboren und ist
auch in diesem Leben eine Kraft, von der sogar die leibliche Existenz abhängt.
Aber nach dem Tode, wenn, nach ägyptischer Vorstellung, das wesentliche Leben
erst anhebt, kommt auch der Ka erst recht zu seiner Würde. Er ist also in dieser
Beziehung auch eine mit dem Tod verbundene Seele (s. oben S. 57). ein Totengeist.
Eine Seele aber, welche nach dem Tode, getrennt von dem Körper ihres Be-
sitzers, gedacht wird, ist immer eine Art external soul. Und wenn der Ver-
storbene nach dem Tode eines höheren, festeren Lebens teilhaftig wird, so be-
steht dies vor allem darin, daß er mit seiner äußeren Seele, mit seinem Ka,
wieder vereinigt wird. »Er geht zu seinem Ka\« Genau so verbindet sich
beim Tode der Perser wieder mit seinem unsterblichen Teil, der fravashi0.
Ebenso wie die fravashi wird auch der Ka den Göttern zuerkannt, ja zu-
nächst nur den Göttern und den göttlichen Königen, d. h. (und hier ist der
ursprüngliche Charakter wieder sehr deutlich) den Wesen, die besonders viel
Lebenskraft haben1'.
Diese Seele außerhalb des Körpers wird als Doppelgänger vorgestellt. Sehr
häufig steht neben dem König (gewöhnlich als Kind) ein genaues Abbild von
ihm, sein Ka1 . Auch wird der Körper ersetzt durch eine Schlange oder einen
Stab, welche »den Kopf stützen «\ Auch die Grabstatuen, oft musterhafte Por-
träts, sind wahrscheinlich als Ka's des Verstorbenen gemeint'1. Eigentlich ist
der Ka der Mensch selbst, die Person ist geschieden in zwei Teile, die aber
') Söderblom, Gottesglaube S. 19. Vgl. R. Dussaud, Introduction ä l'Histoire des Religions.
Paris 1914, p. 27. 2) K. Sethe, Die altägyptischen Pyramidentexte. Leipzig 1908 bis 1910,
§ 653 u. 63. -Herren der Ka's- heißt die »Lebenden«, § 906. — 3) Pyr. § 1055. — 4) Pyr. § 1431.
17. 1165. 829. Hieraus ist wohl zu schließen, daß der Ka immer, auch vor dem Tode, außer-
halb des Körpers gedacht wird. — 5) Söderblom, Les fravashis p. 51. — (i) Namentlich die
mächtigen Zauberer usw. haben eine exUmal soul, Wilken blz. 562. Nach ihm ist das ein Rest
von einem Glauben, nach welchem jedermann eine solche Seele besitzen konnte. Ich glaube, die
Frage nach dem »ursprünglichen« Zustand ist hier sehr schwer zu beantworten. Vielleicht war
er gerade umgekehrt, vgl. Godsvoorstellingen blz. 113 v. 7) Siehe z. B. Ad. Erman, Die ägyp-
tische Religion. Berlin 1909. S. 102. 8) Der Kopf ist nämlich das Wichtigste. Vgl. E. Lefebure,
Le double psychique. Melusine 11. 1912, p. 385— 391. — 9) Vgl. Frazf.r, Balder II p. 157.
Band .">4.| II. van der Lbeow: Externa! Soul, Sckutzgeist und der ägyptische Ka. 68
oft niclit scharf auseinandergehalten werden. In späterer Zeit gilt Ka mit einem
Suflix als Ersatz für das Personalpronomen.
Nun ist endlich dieser Ka auch Schutzgeist. So hat Steindorff ihn ge-
nannt. Und wenn wir sehen, wie von ihm alles Leben, alle Kraft des Menschen
al »hängig ist, so müssen wir uns sagen, daß der Name zutrifft, zugleich aber,
daß hier der eigentliche Charakter des sogenannten Schutzgeistes deutlicher als
je zutage tritt.
Wir meinen den Charakter der Seele, welche der Sicherheit wegen irgend-
wo verborgen ist; welche außerhalb des Körpers ein gegen allerhand Gefahren
geschütztes Dasein führt. Der Ka ist sozusagen über das irdische Dasein hin-
ausgehoben, er wohnt jenseits des Todes.
Der Zug, daß die Existenz einer Person im Ka sozusagen gesichert ist,
kommt scharf zum Ausdruck, wenn um die innige Vereinigung zweier Personen
und die Abhängigkeit der einen von der andern anzudeuten, gesagt wrird, daß
die eine den Ka der andern hat. Z.B.: »Horus hat für seinen Ka in dir
gemacht, daß du zufrieden seiest.« »Du (Atum) hast deine beiden Arme hinter
sie {Scfm und Tefriet) gestellt, des Kds wegen; denn dein Ka ist in ihnen1.«
Die Lebenskraft Horus und Atums ist im Menschen bzw. in Schu und Tefnet,
als extemal soul. Beider Lebensprinzip ist ein und dasselbe. Daher muß die
eine Person die andere schützen. »Horus hat dich geschützt, indem du zu
seinem Ka wurdest. « Horus kann dir jetzt nicht nur nichts anhaben, er muß
dich sogar in Schutz nehmen; sonst beeinträchtigte er ja seine eigene »Seele«.
Am besten ist es natürlich, wenn man den Ka hat, oder der Ka ist von mög-
lichst vielen Personen: »Osiris, du bist der Ka aller Götter2.« Alle diese Götter
müssen ihn jetzt schützen.
Es kommt hier nun aber auch die Doppelseitigkeit der mit der external
soul verbundenen Gedanken zum Ausdruck. Wenn die Lebenskraft außerhalb
des Leibes verbleibt, so kann dies zu größerer Sicherheit dieser Kraft gereichen,
wenn der Verbleibsort unauffindbar oder stark befestigt ist. Es kann aber auch
gerade die draußen befindliche Seele gefährdet werden, wenn nämlich der Verbleibs-
ort aufgefunden oder beschädigt wird. Man muß dann eben seine Seele ruhig
töten lassen. Wie der dumme Riese im Märchen oder der Zauberer mit dem
Papagei. Diese Doppelseitigkeit spricht nun sehr deutlich aus den genannten
ägyptischen Beispielen. Noch ein anderes: »Du (der Gott Keb) bist der Ka aller
Götter, sie werden dir gebracht, damit du sie nehmest, sie leben machst . . . . :
du bist Gott, da du mächtig bist über alle Götter3.« Das ist nun zwar für
den Gott Keb ein Vorteil: er hat seine Seele gesichert, indem er sie einigt mit
denjenigen der anderen Götter. Für die letztgenannten aber ist der Vorteil nur
zweifelhaft. Ihr Ka wird durch die Identifizierung mit demjenigen des Keb
l) Pyr. § 647 u. 1653. — -) Pyr. § 1832 u. 1609. vgl. 1623. — ') Pyr. § 1623.
(14 W. Si-ii i.m r.i i;i. : ljii Heiligtum dos Gottes Chnum von Elephantine.
geradezu gefährdet. Sie kommen in seine Macht, sind nicht mehr »Herren
ihrer Kds*.
So seilen wir, daß. wenn die Vorstellung der externa! soul so weit geführt
wird, daß zwischen zwei Personen eine Verwechslung oder Einswerdung statt-
findet, diese beiden zueinander Schutzgeister werden. Besser ist es allerdings
zu sagen : sie werden völlig abhängig voneinander. Wenn der Papagei stirbt,
so stirbt Punchkin. Dies war aber verhältnismäßig unwahrscheinlich, und da-
her war die externa! soul für den Zauberer eine Sicherung, eine Art Schutz-
geist. Wenn der Geburtsbaum stirbt, stirbt der Mensch, dies ist schon eine
geringere Sicherung. Wenn der Ka der Götter stirbt, stirbt auch der Gott Keb,
aber auch umgekehrt: wenn Keb stirbt, sterben die Götter. Das Verhältnis ist
gegenseitig geworden. Die Sicherheit schlägt in Unsicherheit aus1.
So strebt der Mensch, um seine Seele zu schützen. Und solange er die
Sicherheit irgendwo draußen zu finden meint, läuft er noch Gefahr, sie zu ver-
lieren. Denn der sicherste Platz wird aufgefunden, und der mächtigste Schutz-
geist wird übertrumpft. Allerdings sind schon im Glauben an die fravashi und
den ha Ansätze da, welche die Seele in einer ideellen überirdischen Existenz,
jenseits des Todes, sichern wollen, wo keine irdische Gefahr sie erreichen kann.
Daraufhinaus wollte auch Piatons Ideenlehre'2: der unsterbliche Teil des Menschen
gesichert über Raum und Zeit. Und auch das Christentum will nichts anderes :
»euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott.« Col. 3, B3.
Ein Heiligtum des Gottes Chnum von Elephantine
in der thebanischen Totenstadt.
Von Wilhelm Spiegelb erg.
Mit 1 Abbildung.
Unter den Denksteinen aus der thebanischen Gräberstadt hatERMAN (Sitzungsber.
d. Berl. Akad. d. Wiss. Berlin 11)11 S. 110<S) einen hölzernen Naos des Turiner
Museums besprochen, den ein thebanischer Nekropolenbeamter Ktsi den Göttern
') ^rgl- Gen. 44, 30, Benjamins Seele ist mit Jakobs Seele verbunden. - ,J) Söderulom,
Les fravasbis p. b2ss.
3) Es wäre noeb viel zu sagen über das Verhältnis der »external soul« zum Totemismus,
vgl. Frazer, Balder 11 p. "J14sqq. Das Lebensprinzip eines Stammes ist in der Tat mit einem
Tier o. ä. verbunden. Der mittelalterliche Magier hat eine »forme animale«, und zwar von einer
bestimmten Gattung. Hubert-Mai-ss. Theorie generale p. 30 ss. Schon Welken fand übrigens das
.Mittelglied zwischen Totemismus und Geisterglauben in der Vorstellung der wandernden Seele,
blz. 79. 87. Ob aber der ganze Totemismusapparat, so wie er gegenwärtig vorgetragen wird,
auf die Vorstellung der external soul zurückzuführen sei, können wir auf Grund unserer Ausfüh-
rungen nicht ausmachen. Daß beide zusammenhängen, ist wohl sicher.
Band .">4.] W. Spikgelbekg: Ein Heiligtum des Gottes Chnum von Elephantine. 65
»seiner Stadt« Elephantine und dem Amon geweiht hatte, und hat mit Recht
aus den Inschriften geschlossen, daß das Denkmal trotz der Weihung an den
Gott von Elephantine aus der thebanischen Nekropole stamme. Aber seine An-
nahme, daß »der Mann sich in diesem Naos ein kleines Heiligtum für die
Götter seiner Heimat« schuf, ist nicht ganz zwingend. Wenigstens bleibt da-
neben docli aucli die Möglichkeit bestehen, daß der Naos in einem in der
Totenstadt befindlichen Heiligtum des Chnum von Elephantine stand. Gewiß
gab es unter den Leuten, welche in der großen thebanischen Nekropolis arbei-
teten, nicht wenige aus Elephantine, vielleicht solche, die mit den in Assuan
gebrochenen Granitblöcken nach Theben kamen und hier als Bearbeiter der
harten Steine besonders geschätzt waren. Daß diese Arbeiter auf thebanischem
Boden ihren Heimatsgöttern ein Heiligtum errichteten, ist keine unwahrschein-
liche Vermutung, und deshalb möchte ich hier — natürlich unter Vorbehalt —
nicht nur den Standort des Turiner Naos, sondern auch der im folgenden be-
sprochenen Denkmäler suchen.
Ich nenne zunächst einen Denkstein der 19. — 20. Dynastie1, der sicher aus
der thebanischen Nekropolis stammt und dort angeblich'2 in einem Grabe ge-
funden sein soll. Zwei Heilige der thebanischen Totenstadt, Thutmosis III. und
Amenophis L, sind darauf vor zwei Göttergruppen dargestellt. Der erstere
opfert links vor dem menschengestaltigen Amon-Re und den beiden Gliedern
seiner Triade (Mut-Chons) sowie der Hathor. der Göttin des Westens, während
der letztere dem widdergestaltigen Amon-Re opfert, hinter dem die Götter-
triade von Elephantine Chnum, Satis und Anukis erscheint.
Ein weiteres Denkmal, das in diesem thebanischen Clmumtempel gestanden
haben könnte, ist eine Holzstele3, die icli im Frühjahr 1905 in Kairo von einem
thebanischen Händler für die Straßburger Universitätssammlung (Nr. 1594) er-
worben habe. Die bemalte Oberfläche ist stark verrieben aber docli in der Haupt-
sache gut erkennbar geblieben. Die Figuren sind auf den weiß getünchten
Untergrund gemalt, und zwar die Umrisse mit roten Linien, zwischen denen
die verschiedenen Farben aufgetragen sind.
Rotbraun ist der Körper und der Kopf des Gottes und des im unteren Re-
gister dargestellten Mannes, ebenso das Quadrat des Götterthrones. Das Weiß
erscheint deutlich in der Aufnahme (Teil der Opfergabe, Mittelstück des Götter-
schurzes, Tuch über Thronlehne, Schurz des Mannes). Gelb ist der mit roten
1) In dem seltenen Werk »Tablets and other Egyptian Monuments f'rom the Collection of the
Earl of Belmore-, London 1843 Tai". 1. Siehe auch Lepsius, ÄZ. 15 (1877) S. 12.
2) »Found in a tomb at Thebes«, eine sehr unbestimmte Angabe, die allerhand Zweifel ge-
stattet. So würden z. B. frühere Reisende für Denkmäler, die in der thebanischen Totenstadt auf
einem Trümmerfeld zutage kamen (etwa in den von Georg Möller ausgegrabenen Kapellenresten —
vgl. Amt). Berichte a. d. Kgl. Kunstsamml. 33 [1912] S. 196) eine ähnliche Herkunft »aus einem
Grabe« angegeben haben.
3) Nach der Bestimmung meines botanischen Kollegen Ludwig Jost aus Fichtenbolz. Die
Maße sind 0,14 X 0,216 X 0,045 (Dicke).
Zeitschr. f. Agypt. Spr., 54. Ban.l. 9
66
W. Spirgelberg: Hin Heiligtum des Gottes Chnum von Elephantiae. |.">4. Band.
Linien (zur Andeutung der Palten) durchzogene Schurz des Gottes Chnum. Rosa
sind die Weiden Opferständer (wohl zur Angabe des gebrannten Tones, aus dem
sie bestehen) und die Umrahmungslinien des Thrones, Grün1 ist die Umrahmung
der Tafel, das Kopftuch, der Gurt und das rot untermalte Zepter j des Gottes,
das Schuppenmuster des Thrones, die zu-
sammengerollte Matte, auf der er steht, und
vielleicht auch die Gans. Schwarz sind die
durch rote Linien getrennten Inschriften, so-
wie das Widderhorn des Gottes. Mehrfach
sind die roten Konturen, so rechts bei der
Umrahmungslinie, bei dem mittleren und un-
teren Querstrich und dem Kopftuch schwarz
nachgezogen.
Dargestellt ist in dem oberen Register
der Gott Chnum, in der Inschrift als U ^\
*W^37T- \\- <_ »Chnum, Herr von Ele-
phantine« bezeichnet. Er ist widderköpfig
dargestellt und sitzt auf einem Thron, in der
Rechten das Götterzepter 1, in der Linken
0
das Lebenszeichen -V- . Vor ihm stehen zwei
Altäre mit Opfergaben, unter denen Brote.
Fleisch und ein Gänsebraten zu erkennen
sind. Ganz oben darauf steht eine Schüssel,
deren darüber gezeichneter Inhalt (Kohlen? Weihrauch?) fast ganz verschwun-
den ist.
Unten kniet in betender Haltung — Schulter und Arme sind sehr natür-
lich von der Seite gezeichnet
4 0 ~f?
G
ein Mann. Zu ihm gehört die Inschrift
% »Lobpreis dem Chnum: Gemacht (ge-
e lSg.
weiht) von Neb-emfyö « .
Also der Stifter dieses bescheidenen Stückes ist Xeb-emho, wohl ein Nekro-
polenarbeiter geringen Standes, da er keinen Titel nennt. Der Gott, dem seine
Huldigung gilt, ist der Chnum der Insel Elephantine, wo der Stifter wohl zu
Hause war. Die unbearbeitet gelassene Rückseite wie die Seitenflächen der
Tafel sprechen dafür, daß sie in eine Wand oder Mauer eingelassen war, ver-
mutlich in dem Chnumtempel der thebanischen Nekropolis, falls meine obige
Annahme richtig sein sollte". Das Straßburger Stück stammt wohl aus der
Ramessidenzeit und ist auch durch sein Material — Holzstelen sind vor der
20. Dynastie recht selten" — sehr beachtenswert. Künstlerisch ist es schlechte
Dutzendware, die aber doch eine flotte Linienführung zeigt.
') Mehrfach wie blau aussehend.
Z. B. Holztafel Berlin 81«.
-) Vgl. Borchardt, Grabdenkmal des Sahure I S. 1"27.
Band ">4.| \V. Spiegelberg: Die Darstellung dos Alters in der älteren ägyptischen Kunst. ()
In welchem Teile der thebanischen Totenstadt das Tempelchen des Chnum
von Elephantine lag — vielleicht in einem von Elephantiner Arbeitern be-
wohnten Quartier — . ist mangels der Herkunft der betreffenden Denkmäler bisher
nicht zu ermitteln gewesen. Vermutlieh werden sieh bei weiteren Nachfor-
schungen in unseren Museen noch andere Denkmäler aus diesem Chnumheiligtum
finden '.
Die Darstellung des Alters
in der älteren ägyptischen Kunst vor dem Mittleren Reich.
Von Wilhelm Spiegelberg.
Mit 1 Tafel und 7 Abbildungen.
Uas Verdienst, das Alter in der bildenden Kunst innerlieh zum Ausdruck ge-
bracht zu haben, ist vor kurzem von v. Bissing" dem Mittleren Reich zuge-
sprochen worden. »Schon seit den Zeiten der dritten und vierten Dynastie«,
führt er aus, »hatte man angefangen, alte Leute in einer charakteristischen Form
darzustellen mit hängendem Fleisch. Aber das Gesicht war glatt und ohne
Alter geblieben3. In der sechsten Dynastie vielleicht bereits, sieher seit den
ersten Anfängen der zwölften, hat man auch alte Gesichter mit ihren Runzeln
und verfallenen Formen gemacht.«
Eine genauere Durchsicht der Köpfe des Alten Reichs hat mich zu einem
anderen Ergebnis geführt, das ich hier zunächst vorlegen will.
I. Reliefdarstellungen.
Die älteste deutlich erkennbare Altersdarstellung ist der Kopf des Hesi-Re
in einer der bekannten Holzfüllungen, deren Datierung (3. Dynastie um 8000
v. Chr.) durch die neueste Veröffentlichung von J. E. Quibell4 gesichert ist.
Vergleicht man die beiden Köpfe (Abb. 1 u. 2), so wird man ohne weiteres in
dem ersten Gesicht die scharfen Züge des Alters, besonders die tief gefurchte
Nasenlippenfalte und die Senkung unter dem Backenknochen feststellen. Eine
weitere Bestätigung ist, daß dieser Kopf der Darstellung angehört, die Hesi-Re in
dem langen Mantel zeigt, der alten Leuten eignet".
l) Der Kult der Götter von Elephantine ist auch in den Inschriften des Nebnufer in Der el-
Medine (Gardiner. Catalogue of the Tombs Nr. 6*) erwähnt, wie mir Sethh mitteilte. Zu dem
Grabe s. auch Sethe, Untersuchungen V S. 123. 2) Denkmäler ägyptischer Skulptur Nr. 24. —
Etwas modifiziert erscheint das Urteil in Nr. 100, Anm. 33, einer Stelle, aus der icli nachträglich
ersehe, daß auch Breasted bereits (The Nation 1908) gegen v. Bissings Ansicht Bedenken geäußert
hat. :i) Von mir gesperrt gedruckt. — 4) Excavations at Saqqara (1911 — 12). The Tomb of
liesy. :") Z. B. LD. 11 4; Quibell, Hierakonpolis 1 Taf. 41.
9*
68
W. Spiegelberg: Die Darstellung des Alters in der älteren ägyptischen Kunst. [54. Band.
Ein solches altes, hageres Gesicht zeigt auch die Dienerfigur eines Reliefs
des Berliner Museums (Ahb. 3)1, auf das mich Heinrich Schäfer schon vor Jahren
aufmerksam machte, und das ich dank seiner Güte hier veröffentlichen kann. Zu
den scharfen Alterszügen des Kopfes stimmt auch die Behandlung des Körpers,
der mager mit einem etwas entwickelten Altersbauch wiedergegeben ist, wenn
auch nicht so übertrieben, wie in der karrikierten Darstellung eines alten Mannes
in Meir (Abb. 4)'.
Schon durch die Haltung — die vorgebeugte Schulter, den schleppenden
Gang der Beine mit den gebogenen Knien und das Stützen des altersschwachen
Körpers auf den Stab — ist hier das Alter deutlich charakterisiert. Der auf-
Abb. 1.
Abb. 2.
gedunsene Bauch, den man noch heute häufig in Ägypten bei alten Fellachen
beobachten kann, ist so gezeichnet, daß er fast krankhaft wirkt. Ob und in-
wieweit das Alter auch in dem Gesicht zum Ausdruck gebracht ist — die
Xasenlippenfalte scheint stärker betont zu sein — , darüber gestattet die vor-
liegende Publikation keine Entscheidung.
Im Gegensatz zu diesen naturalistischen Altersdarstellungen wird das Alter
häufig nur leicht dadurch angedeutet, daß die Gesichter der Korpulenz des
Körpers entsprechend dick und fast Arcrquollen erscheinen wie in dem Bilde
(Abb. 5) eines Opferträgers (6. Dynastie)'5. Ähnliche dicke Gesichter älterer Leute
sind auch sonst im Alten Reich nachzuweisen, z. B. LD. II 8. Dabei ist die Nasen-
') Inv. 15004 ans dem Grabe des ^ ^ in Sakkara (Mariette: Mast. 8. 300 — D 45).
Vgl. Ägypt. Inschr. aus d. Kgl. Museen zu Berlin (ed. Röder) I S. 20; Sethe, Urkunden 1 37.
2) Ci.edat, Bulletin de Flnstitut Francais d'archeol. Orient. I S. 21 ff. Danach: Maseero-
Rusch, Geschichte der Kunst in Ägypten S. 62. [Vgl. jetzt die Veröffentlichung Blackmans The Rock
Tombs of Meir II Tat". 4. 26 und Text S. 14. Das Gesicht zeigt deutlich den Ausdruck des Alters.
G. St.] — 3) Cavart, Une nie de tombeaux ä Saqqarah Taf. 40.
Tafel I
a
■ö
=
w
•
Zeltschrift f. Aepypt. Spr., 54. Band.
Verlag: J. C. Hinrichs, LeiFz
Band ö4.) \Y. Spiegexberg : Die Darstellung des Alters in der älteren ägyptischen Kunst.
69
lippenfalte gelegentlieh ein wenig hervorgehoben, wie in dem Straßburger Relief
1361 \ das einen älteren Hofbeamten darstellt.
Auf die Hieroglyphe des alten Mannes rfo wies mich nachträglich Georg
Steindorii hin. Soweit ich das mir zur Zeit zugängliche photographische Ma-
Abb. 3.
terial — die zeichnerischen Wiedergaben sind nicht ausreichend — nachge-
prüft habe, konnte ich nirgends mit Sicherheit eine Andeutung des Alters in
den Gesichtern feststellen. Nur die alte Frau, welche im Ti-Grabe (ed. Stein-
dorff, Taf. 51) für die Schreibung des weiblichen Abstraktums Ww-t »Alter«
verwendet ist und in der körperlichen Erscheinung, abgesehen von dem Alters-
stock, sowohl durch die gebeugte Haltung wie die schlaff herabhängende Brust
das Alter zum Ausdruck bringt, zeigt vielleicht auch in dem Gesichte mit der
Andeutung der Nasenlippenfalte (?) einen Alterszug.
') Spiegki.berg, Ausgewählte Kunstdenkmäler d. Straßburger .Samml. Taf. I.
70
W.Spu oelbekg: Die Darstellung des Alters in der älteren ägyptischen Kunst. [54. Hand.
II. Freiskulpturen.
Auch in der Freiskulptur begegnen wir schon in der ältesten Zeit (»Früh-
zeit«) Köpfen alter Männer. Das älteste Stück ist die bekannte Elfenbeinstatuette
eines Königs aus Abydos (Abb. 6), die nicht nur in der gebeugten Haltung,
sondern auch in den Gesichtszügen
das Alter ausgeprägt hat. Der hän-
gende Mund und das welke Fleisch
sind deutliche Alterszeugen, und der
lange Mantel ist wieder das äußere
Alterskriterium (s. oben), wie auch
bei der folgenden, derselben Epoche
angehörigen Statuette (Abb. 7) von
Hierakonpolis, die den König Hcj-
shm (3. Dynastie) darstellt. In die-
sem Kopf ist das Alter sehr viel
weniger angedeutet, aber die Alters-
furche zwischen Nase und Lippe ist
wieder unverkennbar.
Aus der Blütezeit des Alten
Reiches, der Kunst der ö. Dynastie,
Abi). 4.
Abb. 5.
besitzen wir ein besonders Lehrreiches Beispiel, das bisher noch keine Beach-
tung gefunden hat: die beiden auf Taf. I abgebildeten Statuen des Hohenpriesters
von Memphis Ra-hotep. Unleugbar1 stellt a den Kirchenfürsten im besten Mannes-
') Die von Borchardt im Catalogue general des Ant. du Musee du Caire unter Nr. 18 und
19 festgestellten Fundverhältnisse lassen an der Identität der dargestellten Personen keinen Zweifel.
Die Deutung und Betrachtung von L. Cürtius, Antike Kunst S. 80, beruht daher auf unrichtigen
Voraussetzungen.
Band 54.] W.Spiegi lberg: Die Darstellung des Alters in der älteren ägyptischen Kunst. l\
alter dar, während b ihn in höherem Alter zeigt, Man braucht nur den musku-
lösen Körper und das straffe energische Gesicht der Jugendstatue mit dem be-
häbigen Körper und dem fleischigen Gesichte der Statue des alternden Mannes
zu vergleichen, um dieser Deutung voll zuzustimmen. Ein solcher alter Großer ist
auch der »Dorfschulze« mit seinem korpulenten Leib und dem feisten Gesicht.
Ein jugendliches Gegenstück zu dieser berühmten Holzstatue würde etwa der
Holztorso des Kairoer Museums (Borciiardt Nr. 32) sein.
Abb. 6.
Auch die berühmte Schreiberstatuette des Louvre scheint — daraufweisen
die Fettpolster des Oberkörpers und die scharfen Gesichtszüge — einen älteren
Mann wiederzugeben1. Als jugendlichen Schreibertypus mag man dazu die
Kairoer Statuette Nr. 36 (Borciiardt) vergleichen.
Aus diesem Überblick, den ein besserer Kenner der ägyptischen Plastik
des Alten Reiches gewiß noch um einige Proben J vermehren wird, ergibt sich
mit voller Sicherheit, daß die Kunst der Frühzeit und des Alten Reiches das
Alter nicht nur in den Leibern, sondern auch in den Köpfen wiederzugeben
wußte. Bald geschieht es in leichter, mehr äußerlicher Andeutung, in einem
gewissen Parallelismus zu dem Körper, dadurch, daß die Gesichter voller, bald
dadurch, daß sie magerer und faltiger mit härteren Zügen gezeichnet werden.
In beiden Fällen wird die Altersfalte zwischen Nase und Oberlippe als Kenn-
zeichen des Alters schwächer oder stärker markiert,
') Das tritt besonders stark an den Aufnahmen in Mariettes Album photogr. du Caire zu-
tage, nach denen ich die Abbildung 23 in meiner Kunstgeschichte (Seite 28) reproduziert habe.
2I Die gelegentlich für das Alte Reich in Anspruch genommenen Holzstatuetten Capart,
L'Art egyptien Taf. 41 (Eton College) und Cairo Nr. 140 (Katal. Borchardt) sind sehr viel später
anzusetzen. — Ein recht zweifelhaftes Stück ist die Statuette Nr. 40 (Bohchardt), deren Kopf in
der Wiedergabe bei Mabiette, Album photogr. du Alusee de Boulaq Nr. 103 — 10.">, Alterszeichen
trägt. Aber das mag Täuschung sein.
72
\V. Spiegelberg : Die Darstellung des Alters in der älteren ägyptischen Kunst. [54. Hand.
Nur bei dem ältesten Stücke, der Elfenbeinstatuette aus Abydos, kann man
von natürlicher, realistischer Wiedergabe des Alters sprechen, überall sonst liegt
jene andeutende Sprechweise des ägyptischen Künstlers vor, der dem Beschauer
Abb. 7.
nicht die Wirklichkeit zeigt, sondern seine Phantasie auf den richtigen Weg zu
führen sucht.
Im Anschluß an das hier nur skizzenhaft behandelte Thema mag noch
eine weitere Frage berührt werden, die jetzt im Anschluß an die Gipsmasken
des Bildhauerateliers von Teil el-Amarna gewiß gründlich erörtert werden wird.
Inwieweit sind die Statuen des Alten Reiches Porträts? Ich möchte mit Aus-
Band ">4.| W. Spiegelberg: Die Darstellung des Alters in der älteren ägyptischen Kunst. / 3
nähme der ELfenbeinfigur keinen Kopf des Alten Reiches dafür halten und
meine Ansicht auf die oben besprochenen beiden Statuen stützen, die den Hohen-
priester Ra-hotep in der Vollkraft der Jahre (etwa als 20 — HOjährig) und als
älteren Mann von 50 — 60 Jahren darstellen. Mir ist es wenig wahrscheinlich,
daß sich Ra-hotep einmal als Jüngling und dann 20 — 30 Jahre später noch
einmal als älterer Mann für sein Grab hat porträtieren lassen. Da liegt die
Annahme doch näher, daß der Kirchenfürst in vorgerückten Jahren, als er sein
Grab bestellte, gleichzeitig die beiden Statuen in Auftrag gab, von denen die
eine ihn jung, die andere alt darstellen sollte. Dazu stimmt dann auch die
Inschrift, welche Ra-hotep auf beiden Statuen denselben Titel gibt, den er erst
am Ende seines Lebens fuhren konnte. Die großen Plastiker des Alten Reiches
haben keine Porträts nach dem Leben, sondern Typen geschaffen, und darunter
wieder typische junge und alte Menschen. In den Statuen des Ra-hotep steht
der typische Herrenmensch des Alten Reiches vor uns, in Haltung und Aus-
druck der stolze Vertreter seines Standes. Darin haben die Künstler des Alten
Reiches ähnlich gedacht wie die Plastiker des Mittelalters, die auch keine Por-
träts von Kaisern, Fürsten und Rittern, sondern nur Abbilder schufen, die in
der Pose und den äußeren Attributen den Stand der dargestellten Persönlich-
keiten erkennen ließen. Die persönliche Note erhielten sie durch die Inschrift
oder ihr Wappen. Ebenso ließen die typisch gehaltenen Statuen des Alten
Reiches erst durch die auf die Sockel gesetzten Namen oder durch die Auf-
stellung in den Gräbern das individuelle Bild der dargestellten Persönlichkeiten
vor den Augen der Zeitgenossen wieder auferstehen. So stand der Hohepriester
von Memphis, Ra-hotep. in seinem Grabe wieder leibhaftig vor ihnen, wie sie
ihn im Leben gekannt hatten, während er späteren Generationen wie uns nur
noch als ein unpersönlicher Vertreter seines Standes erscheinen konnte. Das
Porträt ist erst durch die realistische Kunstrichtung entwickelt worden, welche,
von dem Einzelfalle der » Frühzeit« abgesehen, mit dem Mittleren Reiche ihren
Anfang genommen zu haben scheint1 und in der naturalistischen Kunst des
Neuen Reiches und der saitischen Porträtkunst ihre Höhepunkte erreichte, und
nur in diesem Sinne kann man den im Eingang erwähnten Satz v. Bissixgs
gelten lassen. Aber alte Gesichter hat auch das Alte Reich schon gebildet,
wenn auch mit der einen Ausnahme der Elfenbeinstatuette der «Frühzeit« nur
in der typisierenden andeutenden Weise.
:) Ich äußere mich deshalb zurückhaltend, weil ein neuer Fund, wie es gerade die ägyp-
tische Kunstgeschichte des letzten Jahrzehntes mehrfach erlebt hat, schon für die ältere Zeit das
erweisen könnte, was wir vorläufig nur für die jüngeren Epochen belegen können. Die Elfenbein-
statuette von Abydos mahnt zu besonderer Vorsicht. Ein innerer Grund, weshalb der Realismus
des Mittleren Reiches und der folgenden Epochen nicht schon im Alten Reich vorbinden gewesen
sein könnte, liegt nicht vor.
Zeitschr. f. Ägypt Spr, 54. Band. 10
74 \V. Spiegelberg: Eine Bronzestatuette des Amon. |">4. Hand.
Eine Bronzestatuette des Amon.
Von Wilhelm Spiegelberg.
Mit 1 Tafel uud 1 Abbildung.
Die ägyptische Sammlung der Kaiser- Willielms-Universität Straßburg hat im
März 1915 von meinem kunsthistorischen Kollegen Hrn. Professor Dr. Polaczek
ein kostbares Gesellen k erhalten, das ich der Wissenschaft nicht zu lange vor-
enthalten will. Es ist eine Bronzestatuette des Amon (luv. 1956), von der die vier
auf der Tafel vereinigten Ansichten ein gutes Bild geben, das ich zunächst durch
die folgende Beschreibung ergänzen will. Die Maße sind 237a cm von der Krone bis
zu dem Ansatzzapfen, der aus einem Stück mit der Bronze gegossen ist, 27 cm ein-
schließlich dieses Zapfens. Der Kopfputz mißt 4 cm, die Schulterbreite beträgt
47"^cm. Über den Herkunftsort ließ sich nur ermitteln, daß das Stück im Jahre 1891
von einem Händler in Kairo erworben ist.
Der Gott ist schreitend dargestellt mit vorgesetztem linken Bein, dessen Fuß
abgehrochen ist. Der erhaltene rechte Fuß ist ziemlich roh gearbeitet. Die Arme
sind verlorengegangen, aber die Führungen, in die sie eingelassen waren, sind
noch erhalten. Die eine steht senkrecht zu der ebenfalls fehlenden Basis, zeigt
also, daß der betreffende linke Arm gerade herunterhing. Dabei berührte die
Hand den linken Oberschenkel, wo noch die Berührungsspur deutlich erkennbar
ist. Diese fehlt auf der anderen Seite, weil der rechte Arm, wie die schräge Ver-
tiefung lehrt, nicht herabhing, sondern Vorgriff und vermutlich ein Zepter hielt.
Der Körper ist völlig nackt und zeigt — eine große Seltenheit — die Geschlechts-
teile unverhüllt. Der Gott trägt den Kopf eines Schafes, von dem das rechte ge-
krümmte »Ammonshorn« bis auf die äußerste Spitze wohlerhalten ist. Von dem
linken ist der Ansatz noch sichtbar. Die Ohren sind ebenso wie die Augen mensch-
lich gebildet. Unter der Schnauze erscheint der Götterbart. Der Tierkopf ist nach
hinten durch das Kopftuch bedeckt, das in Goldblech ausgeführt und in einen
dafür vorgesehenen Rahmen eingelassen war. An der rechten Seite ist noch ein
Stück und hinten eine Spur an den Rahmenecken erhalten. Die Augen waren
«'ingesetzt. Am rechten Auge ist die Technik noch gut erkennbar. Das verloren
gegangene Auge war von dunklem Metall umrahmt, eine obere und untere Schmink-
linie in Gold ausgelegt. Aus den Augenbrauen ist die Goldeinlage verschwunden.
Von der Doppelkrone ist nur der mit einer Gipsmasse ausgefüllte eingelassene
Untersatz erhalten, in den die jetzt fehlende Doppelkrone mit der Spirale ein-
gelassen waren. Über der Stirnmitte des Tierkopfs unter dem Aufsatz ist ein
Band ">4.| W. Spiegelberg: Kine Bronzestatuette des Amon. 75
Bohrloch und rechts und links davon Vertiefungen mit Goldresten. Sollte hier
eine Uräusschlange gesessen haben?
Die Figur ist voll gegossen und war ursprünglich ganz vergoldet, wo sie
nicht, wie beim Kopftuch, mit Goldblech überzogen war. Goldspuren sind sicht-
bar unterhalb des Penis, unten am linken und rechten Bein, sehr deutlich am
rechten Fuß. besonders über der Ansatzstelle des Zapfens, ferner unter dem
Rande des Kopftuchs an der rechten Backe des Kopfes und vielleicht auch am
linken Ohr.
Da die ganze Statuette vergoldet war, so ist die Überfläche rauh ge-
blieben und zeigt auch Gußfehler, die unter der Vergoldung verschwanden.
Sonst ist noch zu erwähnen, daß über dem Gesäß zwei Grübchen angedeutet
und die Hautfalten über und unter dem Gesäß durch gravierte Linien be-
zeichnet sind.
Dank der vollständigen Erhaltung des einen gekrümmten Horns1 kann an
der Deutung der Bronze kein Zweifel sein. Sie stellt den Gott Amon so dar,
wie ihn Herodot (11,42" und IV, 181 3) schildert, wie ihn auch die Beinamen
xpic—po<TUü7TOQ, xpioxecpotXog, xepoccpopog, xspaTYicpopog, arietinis cornibus, tortis cornibus,
corniger* voraussetzen. Der von den Griechen dem Zeus gleichgesetzte Gott
ist als Mischwesen ' aufgefaßt und zwar so, daß auf dem Menschenleib ein Tier-
kopf sitzt, der deutlich alle Merkmale eines Schafes besitzt, wie es am klarsten
bei dem Vergleich mit dem hierneben abgebildeten
Kopfe5 des Argali -Wildschafes (ovis Ammon) zu-
tage tritt.
Es ist von jeher bei den ägyptischen Tier-
göttern bewundert worden, wie organisch der Tier-
kopf mit dem Menschenleib verwachsen, wie ge-
schickt der Übergang des Tierkopfes in den mensch-
lichen Körper vollzogen ist0. Meist geschieht es
rein äußerlich dadurch, daß man die Übergangs-
stelle durch das Kopftuch verdeckt, das gleichsam
die Brücke zwischen den beiden Wesen bildet. Hier ist aber die Mischung
noch inniger dadurch vollzogen worden, daß der Tierkopf selbst vermenschlicht
worden ist, nicht nur darin, daß er menschliche Augen und Ohren7 und den
') Vgl. dazu Levsius, Über die widderköpfigen Götter Ammon und Chnumis. in dieser Zeit-
sehritt 15 (1877) S. 8 ff. • — ■ 2) XQto7raoTWTroi' rou Aioq rwynXiJ.a ttoisvti AlyvirTioi. — 3) xpi07rpoTü)nov
tov AtcQ Twyakfxa \tti. — 4) Siehe die Zusammenstellung bei Parthey, Das Orakel und die Oase
des Ammon (Abh.d.Akad.d.Wiss. Berlin 1862) S. 136/137. — v) Nach Brehms Tierleben X11I4 (1916)
Tafel zu Seite 227. Siehe dort auch S. 257 ff. die Ausführungen von Hilzheimer über die Ge-
schichte des altägyptischen Hausschafes. — G) Vgl. dazu die allgemeinen Ausführungen in v. Bis-
sing. Denkmäler ägyptischer Skulptur zu Taf. 53. — 7) Das ist auch sonst zu beobachten, z. B.
bei dem Falkenkopf der Bronze Posno des Louvre (Revue egypt. III) oder dem einen Krokodils-
kopf aus Hawara (Petrie, The Labyrinth, Gerzeh and Mazghuneh Taf. 24). Umgekehrt hat der
Frauenkopf der Hathor stets die Ohren ihrer heiligen Kuh.
10*
76 W. Spiegelberg: Eine Bronzestatuette des Anion. [54. Band.
Götterbart erhalten hat, sondern auch, wie ich zn sehen glaube, in der Model-
lierung der Schläfen und Backen, die mir ganz dem menschlichen Gesicht an-
geglichen erscheinen. So bleiben, abgesehen von den Hörnern, die ja mehr
eine äußere ' Zutat sind, nur Nase und Schnauze als tierische Teile des Kopfes
übrig. Dadurch unterscheidet sich die Straßburger Statuette z. B. von der
Granitfigur 38500 des Cairincr Museums (Daressy, Statues de divinites Taf. 29)
oder der Fayencestatuette des Britischen Museums (Arundale-Bonomi. Gallery of
Anti()uities Taf. 6 Abb. 14). die einen rein tierischen Kopf aufweisen.
Unsere Figur ist die einzige bisher bekannt gewordene Bronzestatuette,
welche den Gott Amon als Menschen mit Widderkopf darstellt. Der mensch-
liche Körper ist sicher modelliert, der Tierkopf zeigt jene glückliche Mischung
von Natur und Kunst, die Stilisierung der natürlichen Formen, die zu den
schönsten Leistungen der ägyptischen Plastik geführt hat.
Eine genaue Datierung wage ich nicht zu geben. Die früheste Periode,
die in Betracht kommen könnte, wäre das Neue Reich, und an diese Zeit, und
zwar das Ende dieser Epoche (Ramessidenzcit bis Äthiopenzeit), möchte ich
denken. Gegen die Saitenzeit spricht die in keiner Weise kleinliche Arbeit,
die nichts von den scharfen, übersicheren Linien der Plastik dieses Kunststils
zeigt. Die Ptolemäerzeit oder eine noch spätere Epoche kommt aber für ein
Werk nicht in Frage, das in keiner Hinsicht die gute Tradition der pharao-
nischen Kunstschule verleugnet. Von dem flauen Stil der hellenistischen Epoche
mit ihren unbestimmten Linien und der »verquollenen« Modellierung ist an der
Straßburger Bronze nichts zu verspüren. Das Ende des Neuen Reiches (etwa
das 13. bis 7. Jahrhundert), und zwar in erster Linie die Ramcssidenzeit (1300
bis 1100 v.Chr.), scheint mir am ehesten als die Entstehungszeit unserer Sta-
tuette in Betracht zu kommen, doch wäre auch der Anfang dieser Epoche, die
18. Dynastie, stilistisch nicht ausgeschlossen. Leider ist der genaue Fundort
unbekannt, so daß wir bei dem Fehlen einer Inschrift ganz auf die stilistische
Datierung angewiesen sind, die bei ägyptischen Bronzen ihre besonderen
Schwierigkeiten hat. Zum Glück verliert dadurch das unzweifelhaft echte Stück
nichts von seiner ungewöhnlichen Bedeutung.
') Sic finden sicli ja auch an menschlichen Königsköpfen. Vgl. Lefsius, Ägypi. Zeitschr.
15 (1877) S. 20 ff.
Tafel II
rsqpm- wwymvG&wrFZs*?»
&
Zeitschrift f. Aegypt. Spr., 54. Band.
Verlag ; ). C Hinrichs, Leipzig.
Hand .")4.| YV. Spiegelberg: Der Maler Heje. 77
Der Maler Heje.
Von Wilhelm Spiegelberg.
Mit 2 Abbildungen.
JriEiNRiCH Schäfer hat in seiner schönen Arbeit über »ägyptische Zeichnungen
auf Scherben1« den Nachweis erbracht, daß diese Zeichnungen nicht nur freie
Skizzen, sondern auch gar nicht selten Nachzeichnungen nach Vorlagen sind.
Vielfach haben die Zeichner, unter denen auch große Künstler waren, Wand-
bilder aus den Gräbern oder Tempeln der thebanisehen Totenstadt, in der sie
arbeiteten, für ihre künstlerischen Zwecke auf Scherben oder Kalksteinen kopiert,
und zwar in den nachgewiesenen Fällen in so freier Weise, daß Schäfer an
Erinnerungsbilder denkt, die fern von dem Original aus dem Gedächtnis ent-
worfen worden wären. Daneben bleibt aber gewiß noch eine zweite Möglich-
keit bestehen, auf die mich Frau Luise Klebs hinwies, daß der betreffende
Zeichner seine Vorlage nur so weit abzeichnete, wie sie ihn künstlerisch inter-
essierte, daß er sie also nach seinem künstlerischen Gefühl frei umgestaltete.
Wann die eine oder die andere Erklärung anzunehmen ist. ist natürlich im
Einzelfalle nur dann zu entscheiden, wenn etwa die Kopie, wie es in den
Königsgräbern der Fall ist, noch an Ort und Stelle »vor dem Original« ge-
funden Avird. In jedem Falle sind die Skizzen freie Umgestaltungen der Vor-
lagen. Zu diesen gehört nun auch die in der Nähe des Tempels von Der el-
Medine gefundene, aus der Ramessidenzeit stammende Zeichnung2 (Abb. 1), deren
Vorlage ich in der nebenbei abgebildeten Darstellung (Abb. 2) zu erkennen glaube.
Sie stammt aus dem hinter Der el-Medine, also in der Nähe des Fundorts
unseres Kalksteins, gelegenen Grabe eines Nekropolenbeamten Enher-c/uhce, der
unter Ramses IV. lebte, und zwar stellt das Bild, wie Erman (Ägypt. Zeitschr. 42
[li)05] S. 128 ff.) gesehen hat, den Künstler dar, der die Zeichnungen jenes
Grabes entworfen hat. Auf diese Künstlersignatur geht die Zeichnung zurück,
die eine sehr freie Wiedergabe der Vorlage ist3. Der Maler ist in beiden Bildern,
in dem Original wie in der Kopie, bei der Arbeit dargestellt. Aber während
er in der Grabdarstellung auf die Palette zeichnet, taucht er auf dem Kalk-
stein den Pinsel in ein Tintenfaß, um ein auf dem Schöße liegendes Papyrus-
blatt zu beschreiben. In der Kopie fehlt ferner das »Podium«, und in allerhand
Einzelheiten sind Abweichungen von dem Original zu konstatieren, in der Art,
') Jahrbuch der Kgl. Preuß. Kunstsammlungen 1916 S. 46ff. — 2) A. a. O., S. 25 Abb. 3.
Besprochen unter Nr. 27 S. 29. — s) So hat Schäfer in einer brieflichen Mitteilung das Verhältnis
der beiden Zeichnungen aufgefaßt. Ich dachte zunächst an zwei eigenhändige selbständige Zeich-
nungen des Heje.
78
W. Spiegelberg : Der Maler Heje.
[54. Band.
wie Unter- und Oberschenke] gegeneinander absetzen, oder in der Faltengebung
und d<r Haarbehandlung. Auch die Füße, die beide Male von unten gesehen
sind1, sind in der Kopie noch einen Grad freier gezeichnet. Ja, die Unterschiede
sind alles in allem so erheblieh, daß man ein Recht hätte, an der Identität
H-d-uJLftfZtttiL
v
r^n&nziimL
ZUZ:'
Abb. 1.
Abi). 2.
der dargestellten Personen zu zweifeln, wäre sie nicht inschriftlich gesichert,
Nach dem Kalkstein ist die abgebildete Figur der □ 1 upl (j (j «der Erbfürst
und Königliche Schreiber Heje«, und ebenso heißt der Mann in der Grabdar-
stellung. Denn die Kopie zeigt jetzt, daß Lepsius mit seiner Ergänzung □
recht gehabt hat2. Es steht nichts anderes da als D 1 rfii (1 (j %,. Erman
hatte gegen die Lesung D deshalb Bedenken gehabt, weil er in diesem Titel
die Bezeichnung eines Mannes vom allerhöchsten Range sah. In der Tat be-
zeichnet rp^tj häufig den Kronprinzen3, aber der Titel findet sich auch, freilich
sehr selten, in anderer, weniger gewichtiger Bedeutung, so Mariette, Serapeum,
III Taf. 21 pj^t)^^^ J^> Ägypt. Zeitschr. 33 (1895) S. 20 ffl^B^-
Doeh wäre an der zweiten Stelle die Bedeutung »Kronprinz« nicht ausgeschlossen.
Das ist dagegen sicher für unseren Künstler der Fall, welcher bürgerlicher Her-
') Zu dieser Art der Zeichnung vgl. Spiegelberg, Ausgewählte Kunstdenkmäler S. 11 Anm. 3.
— '-) Damit erübrigen sich jetzt die Erklärungen von Erman und Seihe, Agypt. Zeitschr. 42 (1905)
S. 130. 131.
:l) Siehe die Nachweise bei Gardiner, Literary Texts I 17::. 7. Beachte auch, daß rj
durch assyr. sa?- »Fürst« wiedergegeben wird (Steindohff, Agypt. Zeitschr. 31 [1893] S. 27).
Band 54.1 Hans Bonnet: Die Königshaube. 7.)
kunft und dessen Vater, dem Namen nach zu urteilen, sicher kein Ägypter1 war.
In diesem Falle war wohl der Titel ein ehrendes Epitheton, das aber für die
hohe Stellung bezeichnend ist, die Heje einnahm. Vielleicht verdankte er den
Titel den königlichen Aufträgen, zu denen ihm seine Meisterschaft gewiß ein An-
recht gab.
Fassen wir kurz zusammen, was wir von dem Maler Heje wissen. Er lebte
unter Ramses III. und IV. (um die Wende des 12. vorchristlichen Jahrhunderts)
in Theben, wo er in der thebanischen Nekropolis u. a. ein großes Grab in
Der el-Medine mit Malereien ausschmückte. Nicht aus ihnen, wohl aber aus
dem hier besprochenen »Selbstporträt«, wenn man diese etwas zu hoch ge-
griffene Bezeichnung für unsere Silhouette gelten lassen will, erfahren wir etwas
über seine künstlerische Eigenart. Wie namentlich die natürliche Zeichnung
des fließenden Haares und der Füße zeigen, gehörte er zu den Künstlern, die
noch am Ausgange des Neuen Reiches die guten Traditionen der naturalistischen
Schule der 18. Dynastie fortsetzten. Dieser freie Stil mag den Zeichner des
Berliner Kalksteins zum Kopieren gereizt haben, und darauf mag es beruhen,
daß er bei aller Abweichung im einzelnen doch die Zeichnung des Haares und
der Fußsohlen in der Hauptsache beibehalten hat, einerlei ob er vor dem Ori-
ginal gestanden oder seine Kopie fern davon nach dem Gedächtnis gezeichnet hat".
Die Königshaube.
Von Hans Bonnet.
Mit S Abbildungen.
1\ eben den verschiedenen Kronen trägt der ägyptische König auf dein Haupt
als Zeichen seiner Würde häufig eine einfache Haube, das sog. ?ims-Kopftuch.
Es setzt etwa in der Mitte der Stirn an und bedeckt, unmittelbar hinter den
Ohren herablaufend, den Hinterkopf: hinten endet es in einen runden wulstigen
Stoffteil, den sog. Zopf, vorn fallen zwei Streifen auf die Brust herab, die sich
oberhalb der Schultern von der Masse der Haube ablösen. Oben liegt die Haube
dicht an, während sie nach hinten und nach den Seiten durch die eingebundene
Masse des Haares weit ausbauscht. Der Stoff wird von verschiedenartig gestal-
teten Falten durchzogen.
') Der Name sieht semitisch aus {vom oder in&s) wie eine Nisbebildung.
*-) Es ist freilich auch abgesehen von der oben (S. 77 Anm. 3) angedeuteten Auffassung noch
eine weitere möglich. Heje könnte sich in einem anderen, uns nicht bekannten Grabe so darge-
stellt haben, wie ihn die Kopie des Kalksteins zeigt. Doch ist die Erklärung von Schäfer alles
in allem die nächstliegendste.
80
Hans Bonnet: Die Königsliaube.
[54. Band.
Abb. 1.
Aii Stelle dieser Haube trägt der König mitunter eine etwas einfachere,
im ganzen aber ähnlich gestaltete (Abb. I)1. Vor allem fehlen ihr die beiden
vorn herabfallenden Streifen, dann ist der Zopf breiter
und dementsprechend flacher, der Stoff ist überwie-
gend glatt. Auch diese Haube hat ihren besonderen
Namen, sie heißt nach den Beischriften auf den Gerät-
friesen von Särgen des Mittleren Reichs hlht IT r.
Infolge ihrer einfacheren Form hat sie dem repräsen-
tativen Charakter der ///y/s-Haube gegenüber mehr den
profaneren einer lediglich dem Schutze des Hauptes
dienenden Kopfbedeckung. In der Tat kennen wir
auch außerhalb des königlichen Ornats derartige Hau-
ben, die dann deutlich praktischen Zwecken dienen.
Einmal werden sie von Dienern und Dienerinnen ge-
tragen', bei denen sie ganz offenbar das Haar gegen
den bei der Arbeit entstehenden Staub schützen sollen.
Dann begegnen wir einer entsprechenden Haube an dem bekannten Holzköpfchen
der Teje, wo sie das natürliche Haar umschließt und eine künstliche Perücke darüber-
gelegt ist4. Natürlich kann hier die Haube, wie auch Borciiardt richtig erkannt
hat, nur den Zweck haben, das Aufsetzen der Perücke zu erleichtern und das
natürliche Haar vor Unreinlichkeit zu schützen. Daraus ergibt sich ohne weiteres
der Schluß, den auch Borchardt zieht, daß die ägyptischen Damen allgemein
unter ihren Perücken derartige Hauben getragen haben. Jedenfalls liegt kein
Grund vor, hier in der Haube mehr zu sehen als eine allgemein übliche Frauen-
tracht, selbst wenn einmal eine Königin ein derartiges Kopftuch auch ohne
Perücke trägt, was ganz vereinzelt und dann ja sicher in Anlehnung an die
Königshaube vorkommt.
Schließlich weist Borchardt a. a. 0. die /^'/^-Haube auch bei den Göttinnen
Isis und Nephthys nach; sie tragen sie, wenn sie um ihren Bruder Osiris klagen,
freilich nicht regelmäßig, wie Borchardt meint a. Hier scheint ja der Haube
eine besondere Bedeutung zuzukommen, aber sie kann nur in dem Zusammen-
hang des Trauerzeremoniells zu suchen sein, da wir die Haube sonst weder bei
diesen noch bei anderen Göttinnen kennen. Jedenfalls ist die Ä/Atf-Haube, ab-
gesehen von dieser nach ihren Motiven nicht klaren Verwendung eine in der
Alltagstracht der Frauen hohen wie niederen Standes übliche Kopfbedeckung.
Demgegenüber ist es auffällig, daß man sich nicht scheute, die charakte-
ristische Königshaube gelegentlich durch dieses profane Kopftuch zu ersetzen;
') Vom N. R. an: Legrain. Stat. de rois et de park I. 47, III. Taf. 5. LD. III. 17. 19. 66.
67. 176. — -) Von Borchardt, Porträtkopf der Königin Teje S. 6 nachgewiesen. — :l) A. R. : Stein-
dorff, Grab des Ti Taf. 8(i, Figur einer Müllerin im Ägypt. Mus. der Univ. Leipzig. N. R. : Erman,
Ägypten 575. — 4) Borchardt, Porträtkopf der Königin Teje S. f>. — "') Ohne Haube: Bcdge,
Coli, of egypt. ant. in the possession <>f* Lady Meux pl. 4.
Band 54.] Hans Bonnet: Die Königshaube. 81
man wird daher nach einer Erklärung suchen müssen. Für diese bieten sich
zwei Möglichkeiten. Man könnte etwa aus Gründen der Bequemlichkeit der
Königshaube die einfachere Form gegeben haben, die ja sicherlich angenehmer
zu tragen war; es braucht kaum gesagt zu werden, wie unwahrscheinlich eine
solche Annahm«1 wäre, man würde kaum Analogien beibringen können. So
bleibt denn nur die zweite Möglichkeit, daß nämlich die /////f-Haube von alters
her im königlichen Ornat ihren Platz hatte. Dafür spricht ja auch schon ihre
Verwendung auf Gerätfriesen von Särgen des Mittleren Reichs. Da sie die
schmucklosere ist, darf man Aveiterhin annehmen, daß sie als ursprüngliche
Form der Königshaube bereits vor dem /////s-Kopftuch üblich war. Daß sie
dann, sobakl dieses aufkam, zurücktrat, ist ganz selbstverständlich, ebenso, daß
sie als altüberliefertes Ornatstück nicht völlig verdrängt werden konnte. Wir
werden sogar annehmen dürfen, daß sie häutiger getragen wurde, als es nach
den Denkmälern den Anschein hat, da diese gewiß die /////i-Haube als die deko-
rativ wirksamere bevorzugten.
Aus den Denkmälern läßt sich allerdings das höhere Alter der ///$/-Haul>e
nicht erweisen : wir kennen sie auf diesen erst im Neuen Reich. Das will aber
nicht viel besagen: Steindorff hat schon bei Behandlung des hprs daraufhin-
gewiesen, wie wenig Reliefs wir aus früherer Zeit haben, auf denen der Pharao
dargestellt ist, und an Statuen ist die ////^-Haube ja auch im Neuen Reich
selten. Im übrigen trägt Usaphais auf dem bekannten Täfelchen der Sammlung-
Mac Gregor1 ein der $//tf-Haube wenigstens ähnliches Kopftuch, bei dem nur
der Zopf fehlt, während wir das »ws-Kopftuch erst von der vierten Dynastie
an kennen. Das paßt zu unserer Annahme, kann sie aber freilich nicht be-
weisen. Wir bleiben bisher im ganzen auf Rückschlüsse aus dem Gebrauch der
/</$£-Haube in historischer Zeit angewiesen, aber meines Erachtens haben sie schon
hinreichende Wahrscheinlichkeit für sich: sie gewinnen zudem an Überzeugungs-
kraft, wenn wir das Verhältnis der beiden Hauben zueinander von einem anderen
Gesichtspunkt aus betrachten, wenn wir nämlich der Frage nähertreten, wie
das Zeugstück, aus dem die Haube in dieser wie in jener Form bestand, ge-
formt war und wie es angelegt wurde. Es wird sich dann zeigen, daß das
//.v^'-Kopftueh tatsächlich nichts anderes ist als eine Weiterbildung der hiht-
Haube. der man so eine gefälligere Form geben wollte.
Bei der A/$/-Haube ist Form und Anordnung des Stoffes klar genug. Ein
rechteckiges Zeugstück wird von hinten so über den Kopf gelegt, daß ein
Schmalsaum über die Stirn hinwegläuft. Dieser Saum wird durch ein Band
festgebunden, daß man entweder von den Schläfen aus kreuzweis über den
Hinterkopf fuhrt und im Nacken unter der Haube zusammenbindet oder hori-
zontal um den Kopf legt und hinten knotet, wobei man es von den Ohren an
nach hinten zu sowohl unter dem Tuch hindurchnehmen wie gleichmäßig über
l) Aüvpt. Zeitschr. 35 S. 8.
ZciUclir. f. Ägypt S]>r.. ö4. Ran.l.
82
Hans Bonnet: Die Köniffshaube.
[54. Band.
Abi). 2.
ihm hinwegführen kann1. In diesem Falle liegt die Haube eng an, während
sie sonst an den Seiten etwas ausbauscht. Die Längssäume werden im Rücken
unter dem Haar eingeschlagen; ein Band, das um dieses Ende der Haube ge-
wiekelt wird, gibt dem Ganzen die
nötige Festigkeit. Läßt man das Tuch
hinten frei herabhängen, ohne die
Säume einzuschlagen, entsteht ein
Kopftuch der Form, wie es Usaphais
auf dem erwähnten Täfelchen trägt;
dieses läßt sich also als eine Vorstufe
zur hiht-Hsaihe auffassen. Vereinzelt
kommt es so noch im Alten Reich bei Dienerinnenfiguren vor. nur ist es dann
hinten erheblich kürzer".
Die nmi-Haube wird ebenfalls aus einem rechteckigen, nur etwas größeren
Zeugstück hergestellt. Seine Breite entspricht der Länge des für die A/A/-Haube
verwendeten Tuches [EF GH bezeichnet in Abb. 2 die Form des letzteren). Man
legt es wiederum von hinten über den Kopf, so daß der mittlere Teil des vor-
deren Längssaumes (EF) auf die Stirn zu liegen kommt. Er wird von Ohr zu
Ohr durch ein Band festgehalten, das man jetzt regelmäßig hinten unter dem Tuch
durchführt, um nicht die überschüssige Stoffmenge mit einzubinden. Diese fällt
über die Schultern herab (Abb. 3). Ihre beiden
Schmalsäume schlägt man nach innen ein, so daß
sie auf den Schultern aufliegen und von diesen
nach vorn wie nach hinten herablaufen (Abb. 4).
Dabei entstehen die scharfen, vom Kopf nach den
Seiten hinausspringenden Kanten der Haube. Das
hintere Ende wird schließlich wie bei der Jifyt-
Haube mit einer Schnur umwickelt; da es hier
aber, der größeren Breite des Tuches entsprechend,
breiter ist und nach den Schultern zu weit aus-
ladet, um sich fest genug einbinden zu lassen, wird
es vorher kräftig zusammengedreht. So entsteht
einmal der charakteristische Zopf der Haube, fer-
ner bildet sich über den Schultern ein wagerecht
verlaufender scharfer Knick, da der nach vorn
fallende Stoff bei dem Eindrehen des Zopfes etwas zurückgezogen wird. (Abb. 5).
Die wns-Haube unterscheidet sich also letzten Endes nur dadurch von der
//////- 1 la übe. daß man ein größeres Zeugstück verwendet, um den bisher vorn nur
von Schläfe zu Schläfe reichenden Stoff weiter nach den Seiten herabfallen zu
Abb. 3.
l) Kreuzweise. Borchardt, a. a. 0. S. 7. Fnter dem Tuch bei den Königsfiguren, Anm. 1 :
über dem Tuch hei den Dienerinnenfiguren, Anm. 3. 2) Borchardt, Statuen und Statuetten von
Privatleuten Nr. L10. 114.
Band 54.]
Hans Bonnet: Die Königshaube.
83
Abb. 4.
lassen. Der einzige wirkliche Unterschied in der Art des Anlegens, d. h. das
Zusammendrehen der den Zopf bildenden Stoffenden, ist lediglich durch die
größere Breite des Tuches bedingt. Das »mi-Kopftuch kennzeichnet sich damit
deutlich als eine bloße Weiterbildung der AMMiMube.
Ein weiteres wesentliches Moment in der Ausbildung der Haube zu einem
gefalligen Kopfputz bildet die Fältelung des Stoffes, die. soweit wir sehen, bei
der ?wras-Haube von Anfang an üblich war; wenig-
stens berechtigen die wenigen Fälle, in denen sie
fehlt, nicht zu einer Annahme des Gegenteils. Die
Falten verlaufen, wenn wir auf die Grundform des
Tuches zurückgehen, in der Richtung der Schmal-
seiten, an der fertigen Haube oben über der Stirn
senkrecht und vorn an den Seiten wagerecht, hinten
konvergieren sie nach dem Zopf zu. Die Form der
einzelnen Falten pflegt verschieden zu sein. An der
Haube selbst haben sie meist die Form breiter,
flacher Streifen; an den vorn herabfallenden Streifen
liegt dagegen in der Regel von dem Knick ober-
halb der Schultern an Falte neben Falte, wie wir
es sonst bei gefältelten Stoffen gewohnt sind. Diese
Verschiedenartigkeit der Fältelung an ein und demselben Zeugstück ist auf-
fällig; sie muß durch die Struktur der Haube bedingt sein.
Das Nächstliegende war ja ohne Frage, dem Stoff die sonst übliche und
insbesondere in der Königstracht schon am Schurz gebräuchliche Fältelung zu
geben. Legte man aber ein derartig gefälteltes Tuch in der beschriebenen Weise
um. so wurden die Falten oben über dem Haupt und an den ausbauschenden
Seitenteilen der Haube teils durch das Gewicht der herabhängenden, nach unten
ziehenden Enden, teils durch die eingebundene Masse des Haares auseinander-
gezogen; sie verflachten, die Haube erschien glatt, nur die vorderen Enden be-
wahrten die P'ältelung. An den Königsfiguren des Alten Reichs ist in der Tat.
wie es scheint, durchgängig die Haube bis auf die dicht gefältelten Enden glatt1.
Natürlich liegt da der Gedanke nahe, daß die breiten Streifen oben auf die
Haube aufgemalt waren ; da sie bedeutend flacher waren als die Falten an den
Enden, hätte man schließlich auch auf ihre plastische Darstellung verzichten
können. Immerhin bliebe diese anscheinend doch regelmäßige Verschiedenartig-
keit in der Wiedergabe der Falten merkwürdig ; zudem ist sie in späterer Zeit
kaum zu belegen. Da sie sich nun, wie wir sahen, sachlich gut erklärt, werden
wir mit Wahrscheinlichkeit annehmen dürfen, daß sie in der Verflachung der
Falten an der Haube begründet ist. Man hätte dann also im Alten Reich den
sonst üblichen dicht gefältelten Stoff für das mwi-Kopftuch benutzt.
') Borchari) j , a. a. 0. Nr. 14. 15. 38. 39. 4'J. Hölscher, Grabmal des Chephren S. 93. Delbrück.
Antike Porträts XXIV Abb. 2.
II
84
Hans Bonnet: Die Königshaube.
[54. Band.
Abb. 5.
Sobald man auf den durchgehenden Faltenschmuck der Haube nicht verzichten
wollte, mußte man den Falten zum mindesten an dem mittleren Teil des Tuches
eine andere Form geben, die sie vor der Verflachung sicherte. Man erreichte
das dadurch, daß man sog. Quetschfalten herstellte, d. h. daß man breitere Stoff-
bahnen heraushol), unter denen man an beiden Seiten
den Stoff" einknickte (Abb. 2), wobei es zuweilen Mode
war, auf eine breitere Falte zwei schmalere folgen
zu lassen1. Beim Anlegen des Tuches wurden dann
lediglich die eingeknickten Stoffteile auseinanderge-
zogen, die breiten Faltenrücken dagegen nur etwas
in die Höhe gehoben. An den Enden konnte man
die bisherige Art der Fältelung beibehalten; meist
ist das auch geschehen, wenn wir uns an das Zeugnis
der Statuen halten, an ihnen setzen sich verhältnis-
mäßig selten die breiten Quetschfalten an den vor-
deren Enden fort". Anders ist es freilich im Relief:
hier entspricht in der Regel die Fältelung der Enden
der der Haube1. Dieser Widerspruch zwischen Relief
und statuarischer Plastik ist merkwürdig, er kann
natürlich nur in der Eigenart beider Kunstarten begründet sein. Mehr Beweis-
kraft kommt ohne Zweifel den Statuen zu. in der im Relief vorherrschenden
gleichmäßigen Fältelung kann man nur eine Vereinfachung der Wiedergabe er-
kennen, zu der sich bald noch Parallelen bieten werden.
An den Innenseiten der vorderen Enden läuft mitunter von dem Knick
oberhalb der Schultern an ein schmaler glatter Streifen herab4. Wenn wir auf
die Grundform des Kopftuchs zurückgehen, stellt er sich als Teil eines Saum-
streifens der Vorderkante dar, der nur an den Enden sichtbar werden konnte,
da er an der Stirn durch das Band verdeckt wurde und seitlich des Kopfes
zurückgeschlagen war. Ein solcher Saum hatte seinen guten Grund, da durch
ihn die breiten Quetschfalten in der Mitte des Tuches gesichert wurden. Auf
Reliefs werden nicht selten auch die äußeren geschwungenen Kanten der vor-
deren Enden durch einen entsprechenden Streifen abgeschlossen % hier ist er
natürlich schlechthin unerklärbar; man kann ihn nur zeichnerisch als eine Ver-
stärkung der Abschlußlinie verstehen, zu der der Saum auf der anderen »Seite
die Anregung geben konnte. Nicht anders ist es zu erklären, wenn sogar der
') Beispiele von Borchardt, Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wi.ss. 1897 S. 756 gesammelt; die
sicher datierten gehören alle Amenemhet III., hei dem aber aueli die übliche Streifenanordnung
vorkommt, so Legrain, Stat. 1 Taf. 8. Im übrigen kommt der Wechsel breiter und schmaler Streifen
schon im A. R. vor, Borchardt, Grabmal des Ne-user-re S. 84.
2) Legrain, Stat. I Taf. 56. v. Bissing, Denkmäler Taf. 36, LD. III, 142. d) LD. III, 2. 21.
68. 80. 123 u. ö. Nur vereinzelt sind die Enden dicht gefältelt, LD. III, 293. Annales PV. pl. 5.
— 4) Vom M. R. an, Legrain, Stat. I, 14. 51. 62. v. Bissing, Denkmäler, Taf. 36. 40. LD. III, 133. —
r') LD. III, 2. 20. 123. 132. 136. Vereinzelt an einer Statue Ramses IL. a. a. 0. 142.
Hand 54. | Hans Bonnet: Die Königshaube. 85
hintere Teil der Haube von den ausbauschenden Seitenflügeln bis zum Zopf
durch einen derartigen Streifen abgeschlossen wird, was ganz vereinzelt, und
zwar wiederum nur im Relief vorkommt1.
Diese Neigung des Reliefs, die Haube durch einen schmalen Streifen ab-
zugrenzen, führt weiterhin zu Ungenauigkeiten in der Wiedergabe des Abschlusses
der Haube über der Stirn. Hier kommt nämlich an den Seiten unter dem Stirn-
band das Haar vor, das der Ägypter ja so zu schneiden pflegte, daß es vor
den Ohren noch etwas herabhing. Dieses unter der Haube vortretende Haar
wird häufig plastisch als in schwachem Relief vorspringendes trapezförmiges
Feld mit mehr oder weniger geschwungenen Kanten wiedergegeben. Bei anderen
Abb. 6. Abb. 7. Abb. 8.
Kronen sowie bei Perücken, die das natürliche Haar vortreten lassen, finden
wir es natürlich ebenso wie hier bei der Königshaube". An Statuen wird es
zumeist richtig oben von dem Stirnband der Haube überschnitten :!, daneben
wird es aber auch mit diesem zusammengefaßt (Abb. 6)4; es sieht dann so aus,
als biege die Unterkante des Bandes vor dem Ohr nach unten aus. Die Tren-
nungslinie zwischen Band und Haar mochte dann aufgemalt sein. Es wäre
aber auch denkbar, daß man statt des Bandes einen von Ohr zu Ohr reichenden
Metallreif benutzt hätte, den man dann durch eine unter der Haube durch-
laufende Schnur befestigen konnte. Einen derartigen Reif konnte man an seinen
Enden so ausbiegen lassen, daß er das vorquellende Haar verdeckte. Dar-
stellungen, bei denen Band und Haar gleichmäßig gelb bemalt sind', legen
wenigstens den Gedanken an einen solchen Metallreif nahe; aber ebenso gut
kann auch hier nur eine Vereinfachung vorliegen.
Im Relief kehren beide Arten der Wiedergabe von Band und Haar wieder,
die klare Abtrennung des Bandes kommt freilich nur selten vor*'. Im allge-
meinen wird in der Flächendarstellung aber das das Haar wiedergebende Feld
mit zur Haube gezogen, das Band läuft auch über die Vorderkante dieses Feldes
hinweg und endet an ihrer unteren Ecke (Abb. 7), oder es wird sogar scharf-
kantig oder im Bogen umbiegend noch an der Unterkante des Feldes entlang
') LD. III, 70. 2) Oberägypt. Krone: Legrain, Stat. I Tat'. 30, LD. III, 21; unterägypt.
Krone: LD. III, 21; Atefkrone: Naville, Temple of Der el Bahari Taf. 100; Perücke: Delbrück,
Antike Porträts Taf. I, LD. III, 9. 10. — 3) Legrain. Stat. I, 20. 34. 36. 41. 44. II, 53. III, 5. -
l) Legratn, a. a. O. 11 Taf. 3. 4. 14. — 5) Freilich nur im Relief: Naville, Temple of Der el Bahari
Taf. 14. Davis, Tomb of Harmhabi Taf. 38/9. - 6) Band abgetrennt: Naville. a. a. O. Taf. 45. 61.
LD. III, 44. 70. Zusammengefaßt: Naville, a. a. O. Taf. 105, LD. 111, 132/33.
86 W. Spiegelberg: Eine Totenliturgie der Ptolemäerzeit. [54. Band.
gefülirt. um am Ohr zu enden (Abb. 8)1. Das Band ist dann selbstverständlich
überhaupt nicht mehr richtig zu verstellen, es erscheint vielmehr als ein ein-
facher, die Haube an der Stirn abschließender Saumstreifen.
Die Vereinfachungen, die das Relief bei der Darstellung der Königshaube
vornimmt, sind also nicht ganz unerheblich, zum Teil beeinträchtigen sie ge-
radezu das richtige Verständnis. Es ist bemerkenswert, daß die Flächendar-
stellung derartige unschwer vermeidbare Ungenauigkeiten bei einem für den
ägyptischen Beschauer sicher wichtigen Gegenstand, wie es ein Stück des könig-
lichen Ornats doch wohl war, nicht scheut.
Daß die «W-Haube zuerst auf Denkmälern der vierten Dynastie vorkommt,
ist bereits oben gesagt worden. Etwa zur gleichen Zeit, nur ein wenig früher,
ist der gefältelte Königsschurz zum ersten Male nachzuweisen". Da beide Ornat-
stücke aus einem gleich gestalteten Zeugstück hergestellt werden, darf man
vielleicht vermuten, daß beide etwa gleichzeitig, d. h. nach dem bisher vor-
liegenden Material ungefähr in der dritten Dynastie entstanden sind.
Eine Totenliturgie der Ptolemäerzeit.
Von Wilhelm Spiegelberg.
Der von Bergmann3 vortrefflich veröffentlichte Papyrus Nr. 25 der Wiener ägyp-
tischen Sammlung ist von seinem Herausgeber als Götterliste bezeichnet worden.
Das ist nur zum Teil richtig. Denn außer den Namen von Göttern und Götter-
barken enthält das aus zwei nicht aneinanderschließenden Stücken zusammen-
gesetzte Blatt auch Bemerkungen anderer Art. und zwar solche, die den Text
besonders beachtenswert machen. Aron ihnen will ich im folgenden kurz sprechen,
da sie von Bergmann nicht berücksichtigt worden sind, zum Teil deshalb, weil
sie demotisch4 geschrieben sind.
1
A.
Vor der Liste von Göttern steht in senkrechter Zeile J\: ?~y V\, J| 1\
(g >*2*c, Jjj »Es langt5 an, es langt an, Horus in der Barke.«
') Bis zur vorderen Ecke: LD. III. 21. Uli. 70. 136. Bis zum Ohr: LD. 111. 2. .">4. 63. 68.
78 u. ö. — 2) Das früheste Beispiel ist wohl die Statue, Legrain, Stat. I Taf. 1, die vielleicht
noch an den Anfang der dritten Dynastie gehört. — 8) Hieratische und hieratisch-deinotische Texte
der Sammlung ägypt. Altertümer, Wien 1886. Taf. IX. - - l) Die demotisch geschriebenen Wörter
habe ich in meiner Umschrift unterstrichen. — ') Oder auch Imperativisch "lange an. lange an!"
Band 54.]
\V. Spiegelberg: Eine Totenliturgie der Ptolemiierzeit.
87
B.
Unter der Götter- und Schiffsliste der 3. und 4. Spalte1 lese ich folgendes2:
la l o A„ ■
ö^üü D c A
ö (2
-öö-
3 a. - fiv
öööHo
4 Q D
C5ÖÖ"-
5 Q c
^■■■■■^j^-fkflr
o c fi f| r\ a '■ ^^
i^m^it^H
»~DAri'T
7\
8<£>
I
9
./*
i-
n ^ w'mi: ^
A --^tc
10
3S I
D SDööö
11
12
13
14 A
«ra
£Iü I t I i ^A /WWV\
.1
D
a iii
=V — o|ög=ve
(?)
1— kll^A
D
ci iii
15 ^ i\ xx
16
17
£^1 ^7\ /WWV
2l'oi I I
Ja
.u^J^MIT Q^m^
^^ 1 1
@i
^ r
J) Sie schließt mit psd-t ntr-ic e?.t psd-t ntr-w nds-t »der großen und kleinen Götter-Neunheit«.
- 2) Man beachte, daß der linke Rand abgebrochen ist. — 3) Die Ergänzung Hthr würde zu
den Zeicheiiresten nicht stimmen.
vS
\\ . Spiegexberg: Eine Totenliturgie der Ptolemaerzeit.
[54. Hand.
Übersetzung.
1 Darbringung von Bier vor der Barke Xefr-c (?)
2 Spende von Wein — Sprach
3 Darbringung von Milch für Artemis
4 Darbringung von . . . für die Hathor ( verstorbene) Artemis — Darbrin-
gung von . .'. Kraut (cim) — Spruch
5 Darbringung von frischem Kraut — Darbringung von schönem Kraut —
Du gehst zur Ruhe, um zu (?) (=€?)....
6 Du bist schön
7 Darbringung einer Spende
Darbringung von Blumensträußen1
8 öffnen .... — Sprach — Ein Acker,
9 der herausgeht aus dem Hochfeld — Spruch — Benetzt wird
19 die Erde",, es verjüngt sich die große Flut wenn du aufgehst
11
12 Darbringung des Opfers1 — Kein, rein ist die Opfergabe
13 Empfangen des ljwj-c Zepters1' — Schlagen mit dem Arm — 5 (?) Brote
14 Berühren des Totenopfers:! — Text
15 Wohlan! .... Darbringung des Opfers
16 Darbringung des Opfers für die Hathor (= verstorbene) Artemis, geboren
von Her[odes (?)]
17 — 5 (?) Brote —
Der Mensch sie werfen f. . . .
c.
Über den 3 folgenden Spalten — die Reste eines oder mehrerer verloren-
gegangener sind noch am linken Rande des vorhergehenden Blattes und am
rechten4 des folgenden nicht unmittelbar anschließenden sichtbar — stehen
3 Zeilen, die leider durch große Lücken unterbrochen sind:
i<efte >|
ÖOÖ
\/ >\AAAAA L
i
(2
»du hast die beiden Länder
') Siehe Kbman, Ägypt. Zeitschr. 48 (1911) S. 38.
A V7
2) Y-rLBRiGsui. Wh. VII 1238 v<mm Nil f*°
und was in ihnen ist, benetzt.«
') fij-t vom Darbringen des Opfers, /.. B. Pyramidentexte 7^ ff. 2) Siehe Lac au, Sarco-
phages anterieurs au Nouvel Empire II S. 165 (Index). - '•) Vgl. dazu Walker. PSBA. XXVI
(1904) S. 70 ff.
') Man erkennl
ergänzen ist.
II
(?), das vielleicht in
(?)
.5 (?) Brote (?)« wie B 13. 17 zu
Band ö4.]
VV. Spiegelberg: Mine Totenliturgie der Ptolemäerzeit.
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* »Anderer Spruch:
Es erglänzt Osiris im Urgewässer.
[Es erstrahlt die Hathor (= verstorbene) A]rtemis im Urgewässer
Jubel ist im Himmel,
Jubel ist auf Erden
[ ]
2 Es preisen dich die Götter der Barke.
[
Es macht dir Tboth
die Hathor Artemis geboren von Hefrodes (?)]
3 Es vereinigt sich mit ihm diese Barke der Wahrheit
[
Dein Auge1 ist vollkommen und heil.«
Von der fast unleserlichen Vertikalzeile glaube ich folgendes zu entziffern
ö
n*'ös8 ("'Ik^^Wn11^'-
D.
Es folgt nun die von Bergmann in der Hauptsache richtig gelesene Götterliste.
Vor den 9 letzten Götternamen der ersten Spalte steht in vertikaler Zeichenfolge
Zl
-ÖD-
D
»Anderer Spruch: Du wachst in Frieden«, ein Anruf, der sich auf jeden
einzelnen Götternamen bezieht.
E.
An die Götternamen der 2. Spalte schließt sich folgender Text an:
1 ^|jr-w— iQ AAAAAA AAAAAA * ■*
j) Es handelt sieb natürlich um das »Horusauge« und die damit verknüpften Vorstellungen,
über die jetzt Junker. Die Onurislegende S. 132 ff. zu vergleichen ist.
Zeitsehr. f. Agypt. Spr.. 51. Band.
12
90
W. Spiegelberg: Eine Totenliturgie der Ptolemäerzeit.
[54. Band.
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1»Du bist glücklich im Himmel bei Re.
2 Du lebst (und) dein Feind ist nicht mehr.
3 Du bist frei und vergehst nicht.
*Re schützt dich jeden Tag.
5 Du sitzt auf dem Throne von Eisen.
6 Deine Schwester Isis schützt [deine] göttlichen Glieder.
7 Dein Sohn Horus ist dein Schutz.
8 Nun und Naunet schützen dich.
9 Es hat dir . . . Geb befohlen.
10 Es jubelt (?) der Erbe des Schu.
u Es ist dir das Amt des Schu übergeben worden. «
F.
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Band 54.] W. Spikgslbebg: Eine Totenliturgie der Ptolemäerzeit. 91
1 [ ] ... es geht Re hervor aus [
2[ j du wachst schön in Frieden, Sokar-Osiris [
3 Dein Sohn ist in deinem Schrein, in diesem deinen Namen [
4 Kr vereinigt sich in diesem deinem Namen des Onnophris, des Seligen |. . .
. . .] am Morgen
5 in diesem Namen des Herrn von Mendes, ehrwürdig
6 Herr der Totenstadt. Gnädig sei dein schönes Antlitz der Ilathor (= ver-
storbenen) Artemis!«
G.
1 G '
T A/VNA
*»Die jubelnde Stimme der Unterweltsbewohner preist Re
2. Jubel als König in der Unterwelt «
H.
Es folgt nun ein im wesentlichen demotisch geschriebener Text:
IjfCstc r~k r pf ntr r ti \s-t mh It r pr ^tnntj r didtef r pr mhjtj (/*) rd--f r rs
2j«u*ttj Jr kbh sntr1
3J?r=/r ck r pi ntr r ti >s-t mh II-t [/•] didtef r pr >mntj r rd-f r pr jbtj
4 )w*w <k r pi ntr r ti >s>t mh III-t r didtef r jbt r [rd]=f
5r pr smntj
ßJwsfC ck r pi ntr r ti \*-t mh lY-t fr] did>-~f r pr mhjtj (r) rd*f r rs
UO Sil aU\\-Ä; (?) £££ vi
1»Sie" sollen zu dem Gott eintreten zu der ersten Stätte, indem sein Kopf
nach Norden und seine Füße nach Süden gerichtet sind.
2 Sie sollen eine Spende und Weihrauch darbringen.
3 Sie sollen zu dem Gott eintreten zu der zweiten Stätte, indem sein Kopf
nach Westen und seine Füße nach Osten gerichtet sind.
4 Sie sollen zu dem Gott eintreten zu der dritten Stätte, indem sein Kopf
nach Osten und seine Füße
5 nach Westen gerichtet sind.
1) Die beiden letzten Wörter sind hieratisch geschrieben. - -) D. h. die bei dem Myste-
rium tätigen Priester.
12*
92 W. Spiegelbekg : Eine Totenliturgie der Ptolemäerzeit. [54. Band.
6 Sie sollen zu dem Gott eintreten zu der vierten Stätte, indem sein Kopf
nach Norden und seine Füße nach Süden gerichtet sind.
7 Danach kommt Horus. Er schlägt die Frevler, während die
8 Horuskinder in der Halle sind es erscheint dieser Gott
9 Osiris erseheint in dem Urwasser .«
Inhalt.
Auf Grund der neuen Lesungen möchte ich den Wiener Papyrus Nr. 25
als die Anweisungen für die Totenliturgie einer Frau mit Namen Artemis be-
zeichnen. Es sind die Opfer verzeichnet, welche bei der Beisetzung der Ver-
storbenen — sie ist nach dem Brauch der späten Texte »Hathor« genannt —
dargebracht werden sollen, und daneben auch die Hymnen und Gebete, welche
dabei gesprochen oder gesungen werden sollen. Auch die langen Götter- und
Barkenlisten mögen zu der Liturgie gehören. Von besonderem Interesse ist
der Schlußabsatz. Verstehe ich ihn recht', so soll die Leiche3 der Artemis auf
einer Bahre an vier4 verschiedenen Plätzen nach den vier verschiedenen' Him-
melsrichtungen aufgestellt und dabei ein Wasser- und Weihrauchopfer dargebracht
werden. Danach soll ein Mysterium, ein religiöses Festspiel, aufgeführt werden,
bei dem Horus die Feinde seines Vaters Osiris erschlägt, und die Horuskinder in
der Halle stehen, während Osiris im Urgewässer (?) erscheint.
Das ist gewiß eine Aufführung mit Masken, welche den Sieg des Horus
und vielleicht auch die Auferstehung des Osiris dramatisch vorführte. Horus,
»der Rächer seines Vaters«, und die vier Horuskinder, welche mit der Bei-
setzung des Osiris zu tun hatten, spielten dabei die Hauptrolle. Was so zur
Anschauung gebracht wurde, das wünschte man auch der Toten, vor deren
Bahre das Schauspiel aufgeführt wurde. Was den gesamten Text anbelangt, so
spricht schon rein äußerlich die flüchtige Schrift mit ihrem Durcheinander von
hieratischen und demotischen Zeilen und Wörtern, wie die ganze notizenartige
Komposition gegen die Annahme, daß wir es hier mit der Abschrift eines festen
Rituals zu tun haben. Diese Texte sind ad hoc niedergeschrieben und nur An-
deutungen, wie die Totenliturgie der Artemis verlaufen soll. Vielleicht hat sich
ein Totenpriester im Laufe der Verhandlungen mit den die Liturgie bestellenden
Angehörigen der Verstorbenen die Anweisungen aufgeschrieben, nach denen später
das Totenamt stattfinden sollte. Der von mir angenommene Augenblickscharakter
des Wiener Papyrus Textes macht ihn nur um so interessanter.
') Oder auch »im Nun". -| Diese Auffassung verdanke ich in der Hauptsache Hrn. Vikar
P. Buch er. :!) »Der Gott« ist hier wie auch sonst (s. Preisigke-Spiegelberg Prinz Joachim
Ostraka S. 14 A. 6) der mit Osiris identifizierte Tote, also die verstorbene Artemis. — 4) Zu der
Bedeutung dir Zahl 4 vgl. Sethe, Von Zahl und Zahlworten S. 31 ff. "') Es erscheint mir
kaum zweifelhaft, daß in Zeile 6, wo der jetzt vorliegende Text dieselbe Orientierung wie Zeile 1
gibt, zu verbessern ist "indem sein Kopf nach Süden und seine Füße nach Norden gerichtet sind-.
Band 54.] W. Spiegelberg : Der demotische Papyrus der Stadtbibliothek Frankfurt a. M. 1)3
Der demotische Papyrus der Stadtbibliothek Frankfurt a. M.
(Ein Ehevertrag.)
Von Wilhelm Spiegelberg.
Mit einem juristischen Beitrag- von Joseph Partsch.
Mit 1 Tafel.
JUer liier veröffentlichte Papyrus befindet sieh seit langer Zeit in der Stadt-
bibliothek Frankfurt a. M.1 als ein Geschenk von Eduard Rüppell, der ihn auf
einer seiner Forschungsreisen L> erworben hat. Näheres vermochten auch die Nach-
forschungen des Direktors der Stadtbibliothek nicht zu ermitteln. Aber aus dem
Schriftcharakter ergibt sich mit Sicherheit die oberägyptische Herkunft, und die
Fassung des Protokolls (»Psois im Gau von Theben«) wie der Titel des Kontra-
henten (»Balsamierer der Totenstadt von Hermonthis « ) läßt keinen Zweifel, daß
der Fundort der Urkunde in der Thebais zu suchen ist. Daß ich diese wert-
volle Urkunde der Wissenschaft zugänglich machen kann, verdanke ich dem
freundlichen Entgegenkommen des Direktors der Frankfurter Stadtbibliothek.
Hrn. Geheimrat Ebrard. der mir das Studium des Originals und seine photo-
graphische Aufnahme freundlichst gestattete und die Publikationserlaubnis be-
reitwilligst erteilte. Dafür sei ihm auch an dieser Stelle der verbindlichste Dank
ausgesprochen.
Äußere Beschaffenheit.
0.52 X 0,31 m, hellgelb.
Die Rolle besteht aus vier aneinandergeklebten Blättern (Selides) von 5, 17.
16 und 18 cm. Das letzte Blatt hat am rechten Außenrand einen durch Über-
klappen gebildeten Schutzstreifen von 2 cm. Auf der Rückseite Palimpsestspuren.
Umschrift.
lHsp-t VIILt IV-nw (n) ">h-t sie VI n Pr-nt Gluptr >rm Pr-^i Ptlumis pi ntr mr
mYwt=f pi sutr yrm pi u^b irgsntrus ni ntr-w [nt nhm] ni [ntr-w sn-w] ni ntr-w
mnh-w ni ntr-w mr jt-w ni ntr-w nt pr pi ntr r (?) tn jUf
2pi ntr mr mJwUf pi ntr mr jUf ni ntr-w mnh-w pi mr mhßUf pi sutr Vra ti
fi kn n^se n Brnlg ti mnh-t 'rm ti ß tn [nb] ?n-bih irsini ti mr sn )rm ti
iccb(-t) n irsini ti mr jUs
3r h ni nt smn n Ri-M *rm ni nt smn Pi-si nt (n) pi ts n N-^w-t
dd hrj-hb n ti his-t 'irnir Mnt Ns-Mjn si Pij-Bh nOwUf T-'-nt-\s-t n s-t-hjm-t
rD-nt-ni-nht-w P nt Vnn-htp(?) m )wUs [rD-nt]-pi-sl >r*i-te*t n (?) hjm-t tu4 n*t ht 100
4r sttr 500 r ht 100 Oz pißt sp s-t-hjm-t Pi-tj-pf-si si Ns-Mjn mhcUf T'-nt-ni-nht-ir
pij srj <7 r ms-4 n-j hn< ni hrt-w nt ho (?) Jr (?) *t [r] ms-t[*ir\ n*j [ni nb]-w
l) »Dauerausstellung Nr. 3a.« '2) Sie verteilen sicii auf die Jahre 1817 — 1834.
K4 W. Spiegelberg: Der demotische Papyrus der Stadtbibliothek Frankfurt a. M. [54. Band.
\n] nt nb rikt nb nt mtu-l fatf nl nt 4c4 r tj ftpr=w pl [wn n nlj-t nkt-w]
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p> ss n lßr4 (n) hjm-t mtu-l (?) V*/1 gl (?) >w=t mr (?) sm n[4] h>[4] >w4 tj
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tl 'm/4 sh Hrj pl cj sl Pl-sn (?) -Thwtj (?)
Übersetzung.
1 »Im Jahre 8 am 6. Choiak der Königin Kleopatra und des Königs Ptoleinaios,
des seine Mutter liebenden Gottes, des Soter, und (unter) dem Priester des
Alexandros, der [rettenden] Götter, der [Götterbrüder], der Götterwohltäter,
der vaterliebenden Götter, der erscheinenden Götter, des Gottes, dessen Vater
edel ist, 2des seine Mutter liebenden Gottes, des seinen Vater liebenden Gottes,
der Götter Wohltäter, des seine Mutter Liebenden, des Soter, und (unter) der
Trägerin des Siegespreises der Berenike, der Wohltäterin, und (unter) der Trä-
gerin des goldenen Korbes vor der bruderliebenden Arsinoe und (unter) der
Priesterin der ihren Vater liebenden Arsinoe, 3 gemäß denen, welche in Rakotis
festgesetzt sind, und denen, welche in Psoi festgesetzt sind, das in dem Gau
von Theben (liegt).
Es spricht der Balsamierer (Taricheut) der Totenstadt von Hermonthis Sminis,
Sohn des Pibuchis und der Taesis. zu der Frau Tanechatis, der Tochter des
Amenothes (?) und der [Tajpsais: Ich habe dich zur Ehefrau gemacht. Ich habe
dir 100 Silberlinge 4— 500 Stater, wiederholt 100 Silberlinge als dein Frauen-
geschenk gegeben. Psenpsais, der Sohn des Sminis und der Tanechates, mein
ältester Sohn, welchen du mir geboren hast, und die Kinder, welche du mir
(noch) gebären wirst, sind die Herren von allem und jedem, was mir (gegen-
wärtig) gehört und was ich (noch) erwerben werde.
') So scheint der an dieser Stelle stark zerstörte Papyrus für nt "w-4 r ~>r»f zu schreiben.
Band .')4.| W. Spiegelberg : Der demotische Papyrus der Stadtbibliothek Frankfurt a.M. 95
Das [Verzeichnis deiner] Frauenf-Sachen], die du mit dir in mein Haus
gebracht hast: 5
Eine Perücke 350 Silberlinge
Ein Frauen-Kamm1 100 Silberlinge
Ein Armband 300 Silberlinge
Anderes Armband 30 Silberlinge
Ein ... 50 Silberlinge
Ein Spiegel 100 Silberlinge
Ein ? 70 Silberlinge
Ein Behältei' . .' . . 4 Stück Kleingold
Ein Ring 2 Kite Silber
130 (?) Silberlinge
Macht 1130 Silberlinge = 5650 Stater. wiederholt 1130 Silberlinge. 4 Stück
Kleingold .... als Wert 6 deiner obigen Frauensachen.
Ich habe sie aus deiner Hand empfangen, vollzählig, ohne irgendeinen
Rest. Mein Herz ist damit zufrieden. Ob du drinnen (oder) draußen bist, so
bist du drinnen und draußen mit ihnen'2. Du bist ihr Bestimmer (Schicksal),
ich bin ihr Verbraucher3. Zu der Zeit, wo ich dich als Frau verstoße oder du
von selbst gehen willst, gebe ich dir [die Gestalt4 deiner] obigen [Frauensachen]
oder ihren Silberpreis (zurück). Nicht werde ich 7 einen Eid hinter dich geben
können, damit du ihn leistest wegen der obigen Frauensachen, indem ich sage
(behaupte), daß du sie nicht mit dir in mein Haus gebracht habest. Du übst
in bezug auf sie0 gegen mich Zwang aus, ohne eine Klage (oder) ohne irgend-
ein Wort der Welt mit mir zu sprechen.
Geschrieben von Herieus, dem Älteren, dem Sohne des P-sen (?)-Thot (?).«
') Sollte in gtn griech. xtspiov stecken? — 2) D. h. du kannst inner- und außerhalb des
Hauses über die obige Mitgift verfügen.
{) Siehe dazu Hausvvaldt-Papyri S. 66. Die obige Übersetzung weicht insofern etwas von
der dort gegebenen ab, als ich die Personalpronomina in ihrer eigentlichen Bedeutung (nicht
possessiv) nehme. An dem von Partsch zuerst erkannten Sinn der Wendung »dir steht die Ver-
fügung, mir der Verbrauch zu« ändert das nichts.
4) Die Bedeutung dieser in den demotischen Heiratsverträgen häufigen Wendung wird durch die
Verträge über die Verpachtung von Rindern klargestellt. Da heißt es häufig (s. die Literatur in
meinen Hauswaldt-Papyri S. 65 z.B. Pap. Berlin 3110 ', daß jemand eine Kuh zurückgibt r p>j-s
smt »gemäß ihrer Gestalt«. Vergleicht man die entsprechenden griechischen Urkunden über Tier-
verkäufe (s. die Literatur bei Mitteis: Grundzüge Papyrusk. 191 Anm. 4), auf die mich Partsch
hinwies, so entspricht ovtoq rotovrog = talis qualis. Und das ist zweifellos auch der Sinn des
demotischen Ausdrucks. Der Entleiher einer Kuh gibt sie zurück, wie sie an dem betreffenden
Termin gerade ist, und die Frau erhält ihr Heiratsgut in dem Zustande zurück, in dem es sich
zur Zeit der Rücklieferung gerade befindet, mit den Veränderungen, die es naturgemäß infolge der
Abnutzung erfahren hat, also nicht mehr so, wie es der Mann in sein Haus übernommen hat.
Damit erledigen sich die früheren Übersetzungen, und man hat die Formel zu übertragen: »ich
gehe dir deine Frauensachen so (zurück), wie sie gerade sind, oder ihren Geldwert«.
°) Wörtlich »in ihnen«. Die ganze Wendung besagt: du hast wegen der Mitgift das Exe-
kutionsrecht gegen mich.
!)6 W. Spiegelberg : Der demotische Papyrus der Stadtbibliothek Frankfurt a. M. [54. Bnnd.
Rückseite.
Auf der sehr verriebenen Rückseite stehen untereinander, anscheinend von
einer Hand geschrieben, die Namen von 16 Zeugen, von denen nur die fol-
genden lesbar sind:
Zeuge 1 Herieus (?). [Sohn des ],
3 l ], Sohn des P[sen]chonsis.
7 Psenesis, [Sohn des J.
<S Harnuphis (?). Sohn [des ].
9 Amenothes (?), Sohn des Psenchonsis (?),
■ 11 Nes-Ptah. Solin des Pasemis (?),
» 12 Imuthes, Sohn des Thotsytmis (?),
» 13 Psenchonsis, Sohn [des ].
" 14 Psenamunis (?), [Sohn des j,
» 15 Gern (?)-Thoth. Sohn des Panechates (?),
» 16 Petosiris, Sohn des Thotortaios (?).
Inhalt.
Der vorliegende Text enthält also einen Ehevertrag, der eine bereits be-
stehende »schriftlose« Ehe (oiypotcpcc; yccfxoc) zu der »schriftlichen« Vollehe (eyypu<pos
yotfioe) erhebt. Aus dem vorangegangenen Verhältnis, wenn man den ayputyoQ
yetfJLog so bezeichnen will, ist bereits bei der Eingehung der Vollehe ein Sohn
vorhanden, der hier — dafür ist der Frankfurter Text das erste Beispiel — mit
Namen genannt ist. Dieser älteste Sohn soll nach dem Willen der P]ltern deren
Vermögen zu gleichen Teilen mit den noch zu erwartenden Kindern erben; er
nimmt also keine Vorzugsstellung ein. Die sonstigen Wendungen sind aus den
zahlreichen andren Heiratsverträgen bekannt, die ich bald zusammenfassend zu
bearbeiten gedenke. Vorläufig verweise ich auf das 8. Kapitel in Mittels' Grund-
zügen und Chrestomathie der Papyruskunde, wo auch die wichtigste Literatur
gegeben ist.
Zu der juristischen Bedeutung des Frankfurter Papyrus sandte mir Joseph
Partsch die folgenden Ausführungen, die ich mich freue, hier zum Abdruck
bringen zu dürfen.
»Die Formulierung entspricht der der übrigen Urkunden von Theben und
Gebelen. Sie ist anders als die memphitische1, bei der die Scheidungsstrafe
und die Alimentenforderung im Vertrag stehen. Es ist die übliche demotische
»Frauenschrift« beim iyypct<poq yüfxog in dem jüngeren Typus, wie ihn Gkiffith
zuerst für die Gebelenurkunde vom Ende des 2. vorchristlichen Jahrhunderts be-
schrieb (Rylands Pap. III S. 134 ff.). Für die thebanischen und memphitischen
Urkunden hatte schon Revillout die Klauseln im wesentlichen richtig vorgelegt".
') P. dem. liibl. Nat. 219 (Jahr 8 des Philippos, etwa 317/6 v. Chr.;, P. dem. Leiden 185 (Jahr 40
des Euergetes II — 131/30 v. Chr.), P. Bibl. Nat. 224 (Jahr 13 des Ptol. XIII. Philad. Philopator -
69/8 v. Chr.). [Sp.] 2) Vgl. z. B. Precis II 1034 ff.
Deuiotischer Papyrus der Stadtbibliothek Fr m
Zeitschrift t. Aegypt. Spr., 54. Band.
!• ...üi' i. .Jel i~-'immt
IL
iskaiä*^
\- 1
jrt a. M. — Vorderseite (a) uad Rückseite (b)
Verlag J. C. Hinncbs, Leipzig.
Band .">4.] \Y. Spiegelbekg : Der demotische Papyrus der Stadtbibliothek Frankfurt a. M. 97
Voran steht die übliche Einleitung des Schriftehevertrages (eyypctfos y&jucc),
der Bestandteil, der dem öiypoc(po<; ycL\xoq fehlt: «Ich habe dich zur Ehefrau ge-
macht.« In diesen Worten bekommt es die Frau schriftlich, daß sie Gattin,
nicht nur rpo<piri<; ist. Darauf wird die Frauenschenkung, das pretium pudicitiae,
erwähnt, ohne Scheidungsstrafe und ohne festbestimmte Alimentationsrente.
Eigenartig ist die Klausel, welche den Kindern die xäto%jj am Vaterver-
mögen wahrt. Zum ersten Male ist der älteste Sohn nicht nur erwähnt, son-
dern namentlich genannt. Bisher machte die Übersetzung gewisse Schwierig-
keiten. Man mußte sich fragen, ob der Vater ausdrücklich den erstgeborenen
Sohn der Ehefrau als seinen Ältesten anerkennt, um ihm ein vorwiegendes
Recht gegenüber Kindern einer früheren Frau zuzuerkennen. Mit dem Gedanken
mußte gerechnet werden, da eine Gebelenurkunde Pap. Rylands XX (1 1 G v. Chr.)
abweichend davon einfach sagt: »the children that thou shalt bear to me are the
co-dividers with my children, of all that belongeth to me, together with thosethings
that I shall gain«. Und wenn in den Hauswaldt-Papyri 4. G. 15 die Klausel über
die Erstgeburt des gemeinschaftlichen Abkömmlings von der allgemeinen Klausel
über das Vermögensrecht der Abkömmlinge getrennt steht1, mußte man er-
wägen, ob die Klausel eine selbständige verfügende Bedeutung haben soll. Unsere
Urkunde scheint nahezulegen, daß dies in den jüngeren Urkunden tatsächlich
nicht der Fall ist, sondern die Bezeichnung als ältester Sohn überall nur eine
Apposition zur Erwähnung des gemeinschaftlichen Abkömmlings ist. Also wird
in Pap. Rylands XVI, XVII, XXVII zu übersetzen sein: »thy eldest son, my eldest
son«. nicht: »is my eldest son«. Schon Revillout sah ganz das Richtige. In
den andren Urkunden heißt es nicht anders als hier: »Psenpaes, mein Ältester,
und die übrigen Kinder, die du mir noch schenkst, werden Herren sein über
mein Vermögen. «
Das Frauengut wird mit Ästimationsklausel gegeben, dem Mann wird daher
ausdrücklich Verbrauchsbefugnis eingeräumt. Diese Klausel »Dir (Frau) steht
ihre Verwaltung zu, mir (dem Mann) steht ihr Verbrauch zu«, die Sethe2 sprach-
lich sicherte, war früher3 nicht verstanden worden. Sie behält der Frau auch
während der Ehe die Verfügungsgewalt über ihre Frauensachen vor. Der Mann
braucht nicht Schadensersatzansprüche zu fürchten, da er Verbrauchsbefugnis
hat und höchstens auf den Wert der Sache haftet.
Über den Beweis der Frauenforderung findet sich auch hier die übliche
Klausel. Gegenüber der Urkunde, welche das Empfangsbekenntnis über das
Frauengut enthält, käme zunächst der Einwand in Betracht, daß der Mann tat-
sächlich die Sachen nicht empfangen habe, also ähnlich der römischen exceptio
1) »Die Kinder, welche du mir (bereits) geboren hast, und diejenigen, welche du mir (noch)
gebären wirst, sind die Herren von allem und jedem, was mir (gegenwärtig) gehört und was ich
(in Zukunft) erwerbe. Dein ältester Sohn ist mein ältester Sohn unter den Kindern, die du mir
(bereits) geboren hast, und denen, welche du mir (noch) gebären wirst.«
2) Bei Spiegelberg Hauswaldt-Papyri S. 66. — :J) Revillout: »tu es pour eux creanciere,
je suis pour eux debiteur, Grifiith: »thou art the user, I am their trustee«.
Zeitschr. f. Agypt. Spr., 54. BaDd. 13
98 K.Si ihk: Zum partizipialen Ursprung der Suffixkonjugatioii. [54. Hand.
non muneratae dotis. Der Ehemann wäre gegenüber der Urkunde beweispflichtig.
Er hatte den Eid an die Ehefrau zuzuschieben; diese Möglichkeit wird aus-
drücklich ausgeschlossen. Die Urkunde1 beweist ausschließlich den Empfang des
Frauengutes durch den Mann. Die Klausel ist im jüngeren ptolemäischen For-
mular1 üblich. In den griechischen Urkunden kommt sie nicht vor, vielleicht
wreil dort die Kyriaklausel in der Urkunde oder die Vereinbarung bei der Nieder-
legung der (TvyypucpYi bei dem Hüter oder auch einfach die Rechtsübung der Ur-
kunde die Bedeutung zumaß, daß sie die anerkannten Tatsachen, welche be-
urkundet waren, schlechthin erwies. Die Klausel der römischen Urkunden, daß
die Rückgabepllieht ungetilgt sei, solange die Urkunde Bestand habe'2, bezieht
sich auf einen anderen Vertrag über Beweismittel. Während hier der Eid über
die Hingabe des Frauengutes als überflüssig neben der Urkunde erklärt wird,
handelt es sich dort um die bekannte Abrede, welche Zahlung nur bei Ein-
lösung der Schuldurkunde für möglich erklärte: Solange die Schuldurkunde
in der Hand des Gläubigers ist, soll die Forderung nicht erlöschen können.«
Zum partizipialen Ursprung der Suffixkonjugation.
Von Kurt Sethe.
JLrman hat seinerzeit als erster den partizipialen Ursprung der gewöhnlichsten
Form der ägyptischen Suffixkonjugation, des Tempus Mm-f, das im Ägyptischen
das vermutlich früh verlorene semitische Imperfektum vertritt, erkannt3.
' 1
^J\^zz^> Mni-j hrw-k »ich höre deine Stimme« bedeutete eig.
»hörend .bin ich deine Stimme« bzw. »in bezug auf deine Stimme«, dem Präsens-
ausdruck des modernen Arabisch >anfi sämfc und dem englischen I am heariny
entsprechend.
Das Tempus Mm-f enthielt also einen nominalen Nominalsatz mit Voran-
stellung des relativisehen Prädikats4.
Damit war das Verständnis aller anderen Formen dieser Konjugationsweise
eröffnet. Ich selbst habe dann die entsprechende Erklärung für das Tempus
sdm-n-f, den Ersatz für das absterbende, in seinem Formenbestand ', in seiner
') Siehe die von Griffith, Rylands Pap. III S. 134 zusammengestellte Literatur, die sich
leicht vermehren läßt. -') P. B. G. U. 183 Zeile 10, B. G. U. 251 Zeile 8, C. P. R. 29, 8. — :i) Die
Flexion des ägyptischen Verbums, Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1900, S. 34611'. - 4) Siehe
meine Abh. »Der Nominalsatz im Ägyptischen und Koptischen« (Abh. Sachs, (res. d. Wiss. Bd.
XXXIII. 3) § 38. - ') Im Koptischen nur noch in einer unveränderlichen Form, die für alle Per-
sonen i>ilt. erhalten.
Band .")4.| K. Setbe: Zürn partizipialen Ursprung der Suffixkonjugation. i)i)
Bedeutung1 und in seiner Verwendung- stark eingeschränkte Perfektum (Pseudo-
partizip, Qualitativ) gegeben3. Das Tempus idm-n-f bestand danach aus einem
Partizipium perf. pass. mit nachgestelltem logischem Subjekt in Form eines
Dativs, eine Umschreibung, die sich auch in andern Sprachen für das Perfektum
findet und die in ihrer Bedeutung der in den modernen europäischen Sprachen
dafür üblichen Ausdrucksform mit »haben« genau entspricht, da das Haben im
Ägyptischen eben durch »sein« mit Dativ ausgedrückt wird.
^ lw* s$ I yS)"^ sdm-n-j firw-k »gehört ist mir deine Stimme«, d. h.
»ich habe deine Stimme als eine gehörte«, »ich habe deine Stimme gehört«,
fai entendu ta roix; vgl. ta volx que fai nitmdue, vos mix que fai entendues.
Das Tempus Mm-n-f enthielt also gleichfalls einen nominalen Nominalsatz
mit voranstehendem relativischem Prädikat, nur mit Hinzufügung eines prä-
positioneilen Ausdrucks zu dem letzteren.
Hieraus ergibt sich dann ohne weiteres auch die Erklärung der Formen
des Tempus sdm-in-f und des Tempus Mm-hr-f, bei denen statt des dativischen
"^ n zwei andere Präpositionen zur Einführung des logischen Subjekts ver-
wendet erscheinen:
(l/www in, das beim Passiv und beim Infinitiv ganz gewöhnlich eben diese
Rolle zu spielen pflegt, und
^ hr, das beim Passiv gelegentlich stattdessen vorkommt, dann aber
auch wie das n mit Ausdrücken für »sein« verbunden das Haben ausdrückt
(z. B. xlfe * k^_ wn-t hr-f »das, was bei ihm war«, d. h. »das, was er hatte«)4.
Es würde also bedeuten:
^ )Wv4 s$ W^^ 4W:y /,,,('^' "ich hörte deine Stimme«, eig. »ge-
hört ist durch mich deine Stimme«.
') Ks bezeichnet nur noch Zustände, dir ans einem Leiden (Passivum) oder einer Eigenschaft
(Intransitivum im ägyptischen Sinne) resultieren. - -) Ks stellt um- noch im Nominalsatz und im
Altägyptischen im Zustandssatz, also nur da, wo ihm sein Subjekt vorangeht. - - :!) ÄZ. 47. 140.
') Daß beide Partikeln sonst nur das nominale logische Subjekt einführen, bei pronominalen
aber nicht vorkommen, besagt wohl nichts. Ks kann damit zusammenhängen, daß Fälle mit pro-
nominalem logischen Subjekt beim Passiv an sieh schon selten sind, beim Passiv auf ^"\)> tw
aber durch die eigentliche Bedeutung dieses tw. das keine Endung, sondern ein Wort i'ür »man«
gewesen zu sein scheint, völlig ausgeschlossen waren. Beim Infinitiv ist das pronominale logische
Subjekt meist selbstverständlich, nämlich überall, wo das logische Subjekt des Infinitivs mit dem
Subjekt (»er kam. um zu sagen«, »er sagte im Gehen«) oder Objekt des Hauptsatzes (»er befahl
seinem Knecht zu tun«, »er sandte einen Boten, um zu sagen«) identisch ist. Wo es aber aus-
nahmsweise der besondern Bezeichnung bedurfte, nämlich bei Wechsel des Subjekts, war der
alte Ausdruck durch Anhängung der Pronomina suffixa an den Infinitiv gegeben. Bei den in-
finitivisch gefaßten Bildbeischriften, in denen der Ausdruck des nominalen logischen Subjekts so
häufig ist (»das Schiffzimmern durch die Arbeiter« ). konnte naturgemäß das pronominale logische
Subjekt überhaupt nicht vorkommen. Der von mir ÄZ. 29. 121 nachgewiesene Gebrauch der
jüngeren Pronomina absoluta O „t-f und Genossen beim Infinitiv in Fällen, wo ein Ausdruck
des logischen Subjekts eigentlich kaum vonnöten war, ist eine künstliche juristische Ansdrucks-
weise. die sich anderwärts nirgends belegen läßt.
1 3*
10" K. Sethe: Zum partizipialen Ursprung der Suffixkonjugation. [04. Band.
*$ Ifck. $T I V Sß r^~^i ^»i-hr-j hrw-k »ich hörte deine Stimme«, eig. »ge-
hört ist durch mich (oder: für mich) deine Stimme«.
Der zwiefältige Gebrauch dieser Formen, einerseits in der historischen Er-
zählung, also mit perfektischer Bedeutung (Verbum II § 890«. 406), anderseits
in optativischen oder imperativischen (ib. § 391. 409) und in futurischen Sätzen
(ib. § 390 6. 408), also mit imperfektischer Bedeutung, läßt sich nun daraus er-
klären, daß der Nominalsatz an sich zeitlos ist und nicht nur die Tatsache des
Seins, sondern auch den Wunsch, daß etwas sei, ausdrücken kann, vgl. ül&lv
v\lj iiw n-k »Preis sei dir.« ■¥■ ^3^> cnh r sr-t-k »Leben sei an deiner
Nase. «
So kann ein Satz sdm-hr-j hrw-k bedeuten: »gehört ist durch mich deine
Stimme« und »gehört sei durch mich deine Stimme«. Das voranstehende par-
tizipiale Prädikat kann also in beiden Fällen dieselbe perfektische Form haben,
wie es ja auch in unsern modernen europäischen Sprachen das perfektische
Partizip passivi ist, das sowohl in »ich habe gehört«, wie in »ich werde ge-
hört« oder »möge ich gehört werden« zur Anwendung gelangt. Daß in unserm
Falle, beim Tempus sdm-in-f und beim Tempus Mm-hr-f, nicht etwa einmal
(in historischer Erzählung) das perfektische, das andere Mal (im Optativsatz)
das imperfektische Partizip passivi zugrunde liegt, lehrt das Aussehen des Ver-
balstammes bei den schwachen Verben (Verba III. inf.). Dieser erscheint stets
in seiner einfachen Grundform, wie in den perfektischen Partizipien, niemals
mit der Gemination des zweiten Radikals, die wir in den imperfektischen pas-
siven Partizipien regelmäßig antreffen. Es heißt -cs>- ^z^* irj-hr-k und .<s>-
(I irj-in-k »du sollst tun«, wie es -cs>-(l irj-in-f und <s^ irj-n-f *er
tat« heißt.
Eine entsprechende Erklärung wird man nun auch für das Tempus Mm-ki-f
»so wird er hören« (im Nachsatz des Bedingungssatzes, Verbum II § 433), »er
soll hören« (ib. § 434) erwarten, das diesen beiden Tempora ganz analog ge-
bildet erscheint. Indessen ist der Tempuscharakter <^r*^|\ kl, den dieses Tempus
statt der Präpositionen n, in, hr der drei oben besprochenen Tempora aufweist,
nicht als selbständige Partikel mit ähnlicher Bedeutung nachweisbar1. Das kann,
da die Verbalform nur der alten religiösen Literatur angehört, auf Zufall be-
ruhen. Die spätere Zeit kennt eine Partikel ^^^^QA &*> geschrieben wie das
Wort kfj »denken«, die nach ihrem Gebrauch (zur Einleitung des Nachsatzes
') Als spätes Zeugnis für eine solche Partikel mit der Bedeutung »dank« könnte man die
Übersetzung des Königsnamens Wsr-bi-rc durch w o HXics s'Booxev ty,v vly.Y,v in der Rosettana an-
sprechen, wenn man sich den Namen von der damaligen Priesterschaft »mächtig dank Ref« ge-
deutet vorstellte.
Band 54.] K. Sethk: Zum partizipialen Ursprung der Suffixkonjugation. 101
von Bedingungssätzen) zu schließen, irgendwie mit dem alten Tempus sdm-ki-f
zusammenhängen wird, möglicherweise aber erst aus ihm abgeleitet sein könnte1.
Geht man von dieser späteren Schreibung des Elements ki aus, so wäre
vielleicht auch noch eine andere Deutung des Tempus sdntrki-f denkbar. Es
könnte der Satz
^ 1\ ^r^ K^yf 1 völ)^3^ $dm-kl-j hrw-k eigentlich bedeuten: »gehört ist,
so denke (beabsichtige) ich, deine Stimme«, d. h. »so soll deine Stimme von
mir gehört sein « .
Eine solche parenthetische Einschiebung eines anscheinend im sdm-f stehen-
den Sätzchens mit T^^>^, QA ki in einen andern Satz nach Art des lat. inquit
ist ja im Ägyptischen in der Tat mit ähnlicher Bedeutung (kl-hc »so sagt man«,
»so nennt man«) gebräuchlich gewesen. Der gleiche Gebrauch findet sich ebenso
» A/VWSA (SÄ
bei (j i/i-f und >w. hr-f »so sagt er«, die man dabei als Ellipsen von
dd-tn-f und dd-hr-f »er sagte« anzusehen pflegt (Verbum II § 399. 421)2.
Wie dem nun auch sei, an der partizipialen passivischen Natur des in dem
Tempus sdm-ki-f enthaltenen Verbums wird man gewiß nicht zu zweifeln haben.
Daß dieses Partizipium aber trotz der futurischen Bedeutung des Tempus sdm-ki-f
das perfektische Partizipium passivi und nicht etwa das imperfektische gewesen
ist, lehrt wieder das Aussehen des Verbalstammes bei den schwachen Verben
(^2^^^^— irj-lci-f).
Was oben für die Tempora sdm-in-f und sdm-hr-f mit ihrem zwiefaltigen Ge-
brauch geschlossen wurde, gilt ebenso auch für das Passiv sdm-ii'-f das früher soge-
nannte »endungslose Passiv«, das gleichfalls sowohl perfektische (»er ward ge-
hört«) als imperfektische Bedeutung (»er möge«, »er soll gehört werden«, »damit
er gehört werde«) haben kann. Der Verbalstamm der schwachen Verben hat
auch hier überall die Form, die er in den perfektischen Partizipien zeigt. In
der Endung w, die dieses Passiv charakterisiert und die auch nach dem j der
Verba III. inf. auftritt (Verbum II § 473), unterscheidet es sich dagegen wenig-
stens bei diesen Verben von den normalen Formen des Partizipium perf. pass. der
geschichtlichen Zeit, denn diese gehen bei den schwachen Verben in der Regel
auf \\\\, d. i. anscheinend j des Stammes -f- j der Endung, nur selten auch auf "v\ tu
M Daß die erst seit dem M. R. vorkommenden Satzformen v__x> *S\ Qft *s—. */)
ki-/ sdm-f und *^ ^) v\ ¥^ hr-f sdm-f (Verbum II § 420. 437) erst sekundär von den
alten Tempora sdm-ki-f und sdm-hr-f abgeleitet sind, kann wohl kaum einem Zweifel unterliegen.
2) Der Gedanke, nun etwa auch die Tempora sdm-in-f und sdm-hr-f in gleicher Weise aus
diesen Ausdrücken für »so sagt er« zu erklären, könnte nur bei dem futurischen oder optativischen
Gebrauch dieser Tempora in Frage kommen, er scheitert an deren perfektischem Gebrauch. Auch
würde alsdann für jene Ausdrücke in-f und hr-f -so sagt er« selbst wieder eine neue Erklärung
zu suchen sein. Und so würde man doch immer wieder auf die oben vorher vorgeschlagene Er-
klärung (»gehört ist durch mich deine Stimme«), die der des Tempus sdm-n-f entspricht, zurück-
kommen.
102 K. Sinn.: Zun) partizipialen Ursprung der Suffixkonjugation. [54. Band.
aus. Der Wechsel von j und w ist ja aber so häufig, daß man darin wohl
kein ernstliches Hindernis zu sehen haben wird. Auch ist das u\ das wir in
der Relativform des Tempus Sdm-n-f ebenso wiederfinden, bei starken Verben
s\ AAAAAA ä\
für das Partizipium perf. pass. gut bezeugt (I y>^ >nhir »-gesäugt«).
Die im Parallelismus mit diesen Formen des Passivs sdm-w-f (und zwar
gerade auch denen der Verba III. inf. auf,/^) verwendeten Formen von starken
dreiradikaligen Verben mit Gemination des letzten Radikals, die sich in gewissen
alten religiösen Texten finden, wie ^™E ssj)j> »empfangen wird« (Verbum II
§ 47S), stellen vermutlich Überreste einer alten PKlel-Stammbildung dar, die
im Arabischen auf Eigenschaftsverben, namentlich Farbenbezeichnungen, be-
schränkt ist {iktatla IX.) und hier entsprechend auf Leideverben beschränkt ge-
wesen zu sein, bzw. als Passivform zum einfachen Verbum (Qal) gedient zu
haben scheint, wie im Hebräischen das Pu^al zum PKel, das Hophfal zum Hipb/il.
Aus der für das Tempus sdm-n-f gegebenen Erklärung erklärt sich
nun auch die dazugehörige Relativform mask. Mm-w-n-f, fem. sdm-t-n-f. Insbe-
sondere findet damit auch die eigentümliche Tatsache, daß das Pronomen re-
lativum dabei unausgedrückt bleibt, wenn es Objekt des betreffenden Verbums
ist, nunmehr ihre natürliche Erklärung:
I vQO^ ü^v "v ^ hrw sdm-w-n-j »die Stimme, die ich gehört habe«, be-
deutete eben wörtlich: »die Stimme, die mir gehört ist«, »die mir gehörte
Stimme « .
Es bestand zwischen der Relativform des Tempus sdm-n-f und diesem selbst
also nur der Unterschied, daß das darin enthaltene Partizipium perf. pass. in
einem Falle (bei der Relativform) als Attribut, im andern (beim sdm-n-f selber)
als Prädikat verwendet war, und daß im letzteren Falle die Rektion in Ge-
schlecht und Zahl nach dem zugehörigen Nomen (Nomen regens) ebenso un-
berücksichtigt gelassen war, wie es auch sonst bei voranstehendem (z. B. ad-
jektivischem) Prädikat zu geschehen pilegt. AVie man
T " Jj nfr hm-t »schön ist das Weib« neben
t7
hm-t nfr-t »das schöne Weib«
sagte, so sagte man eben auch :
\ SA <*& 3 mrj-n-j hm-t »geliebt ist mir das Weib«, d. h. »ich habe
das Weib geliebt« neben
O
J) t Sn *& hm-t mrj-t-n-j »das Weib, das mir geliebt ist«, d.h. »das
QUA O Hil Sl
Weib, das icli geliebt habe«.
In Fällen, wo das Pronomen relativum aber nicht Objekt ist, sondern irgend-
eine andere Funktion im Satze ausübt und demzufolge in der Regel im Ägyp-
tischen auch durch ein Pronomen personale bezeichnet zu werden pflegt, wird
der Relativform des Tempus sdm-n-f dagegen der eigentümliche Gebrauch der
Band .">4.| K. Sethe: Zum partizipialen Ursprang der Suffixkonjugation. 103
passiven Partizipia zugrunde liegen, den das Ägyptische mit den semitischen
Sprachen gemein hat (»Zaid, der Getötete sein Vater« für »Zaid, dessen Vater
getötet ist«)1. Wie der Ägypter sagte:
ju [j[jo'wWAn hm-t rdj-t n-i nb-w »die Frau, die Gegebene ihr Gold«,
d. h. »die Frau, der Gold gegeben worden ist«,
so sagte er auch :
Jj <r voi r '/vwwv I Ju I hm-t rdj-t-n-) nb-w n in-t-4 »die Frau, die Ge-
O Li & ü AAAAV CÜ O O O * q Ul
gebene mir (d. i. »von mir«) Gold ihrer Schwester«, d. h. »die Frau, deren
Schwester ich Gold gegeben habe«.
Da nun das Pronomen relativum als Objekt auch bei der Relativform des
Tempus sdm-f in gleicher Weise unbezeichnet bleibt, wie bei der Relativform
des Mm-n-f. so wird auch sie notwendig ein passives Partizip enthalten müssen.
In diesem Falle wird es, wie das Aussehen der Formen bestätigt, aber ein im-
perfektisches Partizip sein müssen. Das zugehörige Subjekt, das als Pronomen
personale in der Form der Suffixa erscheint, wird ursprünglich ein Genitiv ge-
wesen sein, der bei den passiven Partizipien ja die normale Ausdrucksform für
das logische Subjekt bildet":
Jj y> <=> Q7\ ^z^6 hm-t mrr-t-k »die Frau, die du liebst«, eig. »die Frau.
die von dir geliebt wird«, wörtlich »die Frau, deine geliebt werdende«.
Entsprechend der Relativform des Mm-n-f wird auch hier wieder da, wo das
Pronomen relativum nicht Objekt des betreffenden Verbums ist, die eigentüm-
liche Verwendung der passiven Partizipia vorliegen, von der oben die Rede war.
J) yk <rr> W ^z^> — ^ Vs l hm-t mrr-t-k mi-s »die Frau, die du zu sehen
o 1.1 \ o 2i' -es=- Je^ I
wünschest«, eig. »die Frau, die zu sehen von dir gewünscht wird«, wörtlich
»die Frau, deine gewünscht werdende, sie zu sehen«.
Daß wir unbeschadet dieser Entstehung der verschiedenen Formen der
Suffixkonjugation an der Praxis unserer Grammatik festhalten dürfen, sie als
eigene »Verbalformen« zu betrachten und von den Partizipien gesondert zu be-
handeln, lehrt die Wortstellung in Fällen, wo ein pronominales Objekt zwischen
Verbum und Subjekt tritt (sdrn-n sw ntr »der Gott hat ihn gehört«): der un-
persönliche Gebrauch (hpr-hr »es wird geschehen«), die Passivbildung mit t/r
{sdm-hc-f »er wird gehört«) und endlich das Fehlen der nominalen Endung der
Partizipien in den meisten dieser Formen der Suffixkonjugation (nur das Passiv
sdm-ic-f und die Relativformen bewahrten diese Endungen). Der letzte Punkt
läßt keinen Zweifel daran, daß die alten Partizipia als Bestandteile dieser finiten
Verbalformen der Suffixkonjugation lautlich viel stärker reduziert waren als
sonst. Und das ist ja auch kein Wunder.
') Sethe. Verbum II §899—902. Krman. Ägypt. Gramm.3 §895. — 2) Verbum II §908.
104 W. Spiegelberg: Der ägyptische Possessivartikel. [54. Band.
Der ägyptische Possessivartikel.
Von Wilhelm Spiegelberg.
JLJie folgenden Ausführungen sollen lediglich durch Beispiele das erläutern und er-
weitern1, was Erman (Neuägypt. Gramm. § 35 und Ägypt. Gramm.3 § 171) kurz über
die Bedeutung und den Ursprung des Possessivartikels festgestellt hat. Er hat die
koptischen Formen n\, t&., na», auf die alten Demonstrativa mit folgendem Genitiv
zurückgeführt, zweifellos mit Recht. Daher folgt denn auch bei der männlichen
Form pl das männliche Genitivpräfix n(j), denn p> n{j), das Prototyp von n&.,
bedeutet «der des. der von«. Diese von Erman gegebene Etymologie liegt in
den Schreibungen des Mittleren Reichs noch klar zutage, z. B. in den beiden von
Griffith (Ägypt. Zeitschr. 34 [1896] S.49) zitierten Beispielen D J^'i^/"^ v& P
»das (Recht) ihrer Herren « ^a^v^^ J) i "die Stellung (?) der Frauen«, ferner
B. Hasan (Bulletin Inst, francais arch. du Caire IX S. 4) Af\ /wvwvni , ^^
»der von dem großen Sitze des Pharao«. Aber schon in derselben Zeit findet
sich einmal2 die Schreibung p-n, die vom Neuen Reich an die alte ver-
/www
drängt. Daneben treten dann Varianten wie A^f, /5^\0!j s später □, /£\\\,
plj, die den tatsächlichen Lautverhältnissen Rechnung tragen4 und denselb en
Wegfall des n wie das koptische Derivat n^ aufweisen'. Die Schreibung /£6\ Ou
ist bereits im Anfang der 18. Dynastie in dem n. pr. /x\ Uij'f' J v® s^T >>c^er
von Abydos« (Sethe, Urk. IV 11 — Ahmose-Inschrift) nachweisbar, ein Eigen-
name, der auch in der alten Schreibung T 1 issä cJr P^'^dw (Lieblein 1977)
/WWV\ I «ädl %7 i_l .
vorliegt. Dieser Ursprung von ita. wird auch durch die demotische Gruppe |
J) Ich habe dabei die ganze ägyptische Literatur einschließlich der demotischen berücksichtigt.
2) Lange-Schäfer, Grabsteine des Mittleren Reiches 20455, wo I £2"** »der von dem
Königsopfer (1')- zu bedeuten scheint. /wwaa T U o
! — 1 " " I I L Q
3) Z. B. awm asl Pap. Rhind.
4) Vgl. auch meine Bemerkung in Zeitschr. f. Assyriologie XIII (1898) S. 55.
5) Vgl. auch den gelegentlichen Wechsel von LJ un0" [] (j> jm Neuägyptischen. Sethe,
TT 1 T • C\C* IT www
Verbum I § 225. — Merkwürdigerweise hat sich das n von pn in dem n. pr. ftwijp-i« erhalten, der
P. dem. Cairo 30604 demot. Pn-n-xs-t entspricht. Möglicherweise liegt auch in Namen wie Ileuvots,
Y\ci'TruvTigiq (Pap. Oxyrh. VII, Index) die volle Form von pn vor. Daß Eigennamen gelegentlich
alte Formen bewahrt haben, zeigen z. B. die Namen Uuy.rßy.ig und ^sutcvjßtctg (Ägypt. Zeitschr. 46
[1909] S. 142), in denen die ältere Form des Gottesnamens Gbg<iGbyb neben II«xC3»e, Uuy.oißig,
d. i. Pn-Gb erscheint. Auch zu Ofcnnp-ic; gibt es eine jüngere Variante $«tjx/?, Ilrop-»«? mit Schwund des n.
G) Die späte Schreibung (Mag. Pap. Index Nr. 281) verwendet hier wie bei der weiblichen
und Pluralform unetymologisch J\jJ ( /^ ^^0 0 ) > d . h. den Lautwert n«. des Singulars des
männlichen Possessivpronomens der 1. Pers. Sing, »mein« oder auch die Form y des De-
monstrativpronomens, wo ni, die Nebenform von n*. (Demotische Studien I S. 27), gemeint ist.
Band 54.] W. Spiegelberg: Der ägyptische Possessivartikel. 1 ();.">
für n*v bestätigt, die graphisch auf zurückgeht1. Daneben sei noch auf die de-
motische Form des Namens Uoly^ r . f verwiesen, der hieroel. -^ V5r
*y \ I • /vwvw o I £1
n
(var. ;L) P(/t)-h>-t gegenüberstellt.
Seiner Bedeutung" gemäß bezeichnet pn n*v »der von. der des« die Zu-
gehörigkeit, und steht
1. in Verbindung mit Götternamen »der zu einem Gott Gehörige, der Diener
eines Gottes« in zahlreichen theophoren Personennamen,
z. B. ö V& Pn-Jmn »der (Diener) des Amon« IletfJLovvig fä? nc\T/n
MWW lwvwtü £/ TIS /WWW V£ VJ kU V.
(Lieblein 2361), P?-Rnwt4 »der (Diener) der Göttin Renutet« neben " W
(Ostr. Berlin 11272 [Hierat. Pap. III 42]) Pn-Rnwt-t, griecli.na^eö^3 ^j <g^j
Pin-^s-t »der (Diener) der Isis«, Marseille 67 griech. $otvi?(ng3 ^ct^mg, Uur,(ric (s. oben
Anm. 5),
2. zur Bezeichnung der örtlichen Herkunft
X\ ^ ^Q I 0 fl ©4 »Amen-rut aus Teu-djoi (= El Hibe)«, Moret,
Sarcophages de l'epoque Bubastite (Catal. General du Musee du Caire) 41035"
(S. 291) CY& ' ^^^3>$?0^kj^H \® »Osorkon aus Teu-djoi«.
Auch viele männliche Personennamen sind mit diesem örtlichen Possessiv-
artikel gebildet, so D ^^© (Lieblein 867. 1246) »der von IM?'«, ,xrT
»der von Karnak« (Liebleix 2544. 1044. 905), U ^\\ ^ »der von Thinis«
/WVW\ /WW\A 1 \$
(Lieblein 431), J5vv. , »der von dem Lande« (Lieblein a 73(>), Tk l ÜJJ $f
/wwwi/>!HV I /vwwJ^r^iHia
»der vom Felde« (Pap. Mayer-Liverpool 11, a 16), w v& »der von der Stadt
/www Cll CÜ
(= Theben)« ebenda a 20, Pap. Turin 37, 9 in später Orthographie ö ^ , gf
demot. X, O JT) | 6, ein Name, der griechisch durch nWc wiedergegeben ist.
Man könnte freilich in manchen dieser Namen auch theophore sehen, und zwar
solche, die Götternamen bedeuten7. So könnte z. B. »der von Karnak« == Amon,
»der von Thinis «8 = Onuris sein, wie der weiter unten besprochene weibliche
M Mit dieser Gruppe wird in dem Dekret von Kom el Hisn Z. 1 das Demonstrativpronomen
pn in der alten Verbindung m krw pn M|(,>) ^7 gest>mieben-
2) Vgl. dazu meine Ausführungen über die mit dem Possessivartikel gebildeten demotischen
Personennamen in Demot. Studien I S. 27. - :!) Siehe dazu Demot. Studien I 12* Nr. 84. —
4) Bulletin Inst. Francais du Caire X 161 = Türajeff-Pharmakowski, Sammlung ägypt. Altertümer
(1910) S. 11. — •) = Ägypt. Zeitschr. "23 (1885) S. 11. — 6) Simegelberg, Demot. Inschriften des
Kairoer Museums (Catal. General) S. 94 und Demot. Studien 11 (Pap. Elephantine) S.S. — 7) Siehe
dazu Emil Lew, Über die theophoren Personennamen der alten Ägypter zur Zeit des Neuen Reiches
(Berliner Dissertation 1905) S. 6.
s) Vgl. das n. pr. v_^/w^VA^ >dep Herr von Thinis«. Lew. a. a. O. S. 46.
Zeitschr. f. Xgypt. Spr., 54. Hand.
106 W. Spiegelberg: Der ägyptische Possessivartikel. [54. Band.
Name 'D-nt-Hrw »die von dem See Järw« wohl die Göttin Mut bezeichnet, deren
Namen die betreffende Frau führt.
Hierher gehören auch die Beispiele, in denen pn die Bedeutung hat »der
Fürst von«1, so Pap. Sallier III 4, 5 lg? \, $ $ "M |s=5@)£W] D b
Ihv G=p I "] C^£) »der Fürst von >r/ und der von Ms« oder »der Feind (Gefallene)
von«, Israelstele Z. 11) . ]\\ (J^ (Karnak) »der von Libyen« als Variante
AVWVl ! «£J —ZI
von <2 | | "v\ (Tempel des Merneptah) »Gefallener von Libyen«,
3. in der Bedeutung »der Sohn des ><
z. B. Leiden, Stelen des Neuen Reiches (ed. Boeser) XXXIV 5 a (1(1 n£\ uwj
»der Sohn des 1/« neben ^(1(1 ^, iwj >r n It »gemacht (gezeugt) von //«,
Ägypt. Zeitschr. 34 (1896) S. 84. ^ (] © ^ /l |, [©] $ D ^^^J
Sohn des Hetpe-Baste-n-p-rrs, des Sohnes des Pef-tu-Ca-Hor* (Dyn. 25) Recueil
30 (1908) S. 75 ^"1 ff ^ (]<?-?- D ^ »Dje-Bast-ef-onch, der Sohn des Hör«
\ \J 1 1 /www _üc\^
(Dyn. 22). Auch hier begegnet man bereits im Neuen Reich der Variante aK , □ z. B.
- p. Hin ii / ' f. jU-U-LU. \
in der Kalksteingruppe 28 der Münchener Glyptothek "" /vvwwjl (var. (J*T^)
(I v\ ,*-& Atf As; (var. D) M£ var. s^c » der Türhüter (1. Vy c?) des
Amon ( ) Nti-h\ der Sohn des Hrj-/n-ic)>«. Dieser Mann ist auch aus
anderen Denkmälern bekannt, die Maspero (Recueil 4 |1883| S. 137) zusammen-
gestellt hat. In ihnen ist die Sohnschaft durch y *'' bezeichnet. Die Schreibung
AK^^^ p> für den Possessivartikel ist in dieser Bedeutung vielleicht schon in
der 18. Dynastie nachweisbar in dem aus dieser Zeit stammenden Ostrakon
Cairo 25366 (ed. Dasessy im Catal. Gen.), wo *== h t\ & J^l\ D ^ ^ \$\
kaum anders übersetzt werden kann als »Hui, der Sohn des Pn-rht*. In der
Ptolemäerzeit ist die Schreibung a^\ p> »Sohn des« z. B. aus dem Dekret von
Damanhur Z. 1 bekannt.
Daß pn > n&. »der Sohn des« die jüngere (vulgäre) Form von ^t , y s!
»Sohn« ist, habe ich Recueil 23 (1901) S. 98" gezeigt. So steht neben dem
alten Namen Vk jjrx Hr-sh^s-t »Horus, Sohn der Isis« = Ap<jivi<ris die jüngere
Bildung v\ r~ Hr-pii-^s-l — Ap-ccv)<7tg, die dieselbe Bedeutung hat.
4. Seltener bezeichnet pn den Besitz einer Eigenschaft. So möchte ich
einen Namen wie ^f\ T ®~ P>-hr-cn (Lieblein 2376) »der mit dem schönen
') Diese Bedeutung ist auch im Demotischen nocli zu belegen, s. Griffith, Rylands Pap. III
S. 247 unter pa. — 8) Vgl. auch Griffith, Rylands Pap. III S. 201 Anm. 5. -- :!) Wreszinski,
Agypt. Inschr. Wien S. 76. Brugsch, Dict. geogr. 1013.
Band 54.] W. Spiegelberg: Der ägyptische Possessivartikel. 10/
Antlitz» deuten1 oder "%& ^\ $x (Lieblein 2071 var. 1)55) PJ-ni-nfr
Z//5H .M^avww eil 0 <czz>
»der mit dem schönen Namen«".
5. In Verbindung mit dem Suffix hat pij* die Bedeutung des davon ab-
geleiteten koptischen absoluten Possessivpronomens nu>*.
Pap. Unamun (Golenischeff) II 10 J^< <k\ ^ ß\ fiK \\ ü (] V& l>; "^ " P&J
»der Herr des Meinigen (meines Eigentums)« = nooi, Chetavertrag Z. 32 a^[1(1«l=^
pjjsf = hukj »sein Besitz«5. Die demotische Schreibung s. in meinem Glossar
zu dem Mythus vom Sonnenauge Nr. 254.
Das Femininum von p!-n ist ti n{j)-t »die von« mit dem von dem weib-
lichen Demonstrativum abhängigen Genitivexponenten n(j)-t, in der Schreibung
^ \\ (Champ.. Not. 838 — - Dyn. 18) und \ , die sich bereits im Mitt-
leren Reich (s. Erman, Ägypt. Gramm.3 § 172) nachweisen läßt und später auch
> geschrieben wird. Auch hier findet sich schon im Mittleren Reich die
Schreibung %,o.so PSBA. VIII (1886) S. 90 in dem n. pr. *^oin_£_ (s. unten),
die auf den Abfall des nt. also eine dem koptischen Derivat t^ lautlich nahe-
stehende Form schließen läßt. In den Anfang des Neuen Reichs gehören
PSBA. 24 (1902) S.246 ^^J^t^ ^ ,,(lie (Tochter) des Vmjtw« (Dyn. 18) —
El-Amrah HO ^^, I /\ © »die von Memphis« (Dyn. 19). Andere meist
sehr späte Varianten sind:
] z- b- ny pap- Rhind-
g — > z. B. ~ Deveria, Catal. 71.
"^ Ahmed Bey Kamal, Steles Ptolemaiques 22054.
I 1 1 1 i n j-. ^ y <- . ; : > o. -* AAV\AA i\ JJ 1 1 1 1 1.
]^Turin Catal. I 226 N, 1831 ]%J\^i ^fzl ^1 o Q'
](](] Deveria, Catal. 109 )(](j^l$ neben |™(](|^l$-
Q*L\\Totb. Hannover (Kestner Museum) o<|\\\^^|w| neben o "^^J^Jf ■
A^ var. ° in ft^n ^ 3, ß ^ Jj Annales Serv. Antiq. VI S. /5.
Im Demotischen existiert neben «L 1= |(j) eine seltenere Variante A L^
(= V\\ I . die die ältere Form darstellt und für unterägyptische Texte charak-
') Vgl. dazu TaipsroCipic »die mit schönem Antlitz« (Demot. Studien I Nr. 362 S. 27).
8) In dem n. pr. F^; . I IS=P1 ist nb ..Gold« Bezeichnung der Hathor, s. Hoffmann.
AAM« U C±
Die theophoren Personennamen S. 76 Anmerkung.
:i) Der Text ist also ganz in Ordnung und die Annahme von W. Max Müller und Breasted.
daß hinter pij*f ein Wort ausgelassen sei, unnötig.
14
108 W. Spiegelberg: Der ägyptische Possessivartikel. [54. Band.
teristisch ist. Auch liier1 findet sich (Mag. Pap. Index Nr. 281) die Lautvariante
) ) 3 t*-, d. h. der weibl. Sing, des Possessivpronomens der 1. Pers. Sing, und
daneben die Schreibung mit dem weibliehen Demonstrativum ^tJ\^ (Demot.
Studien I S. 27). welche das Präfix in der Form ti- wiedergibt. Der Gebrauch
des weiblichen Possessivpraefixes ist derselbe wie der des männlichen. So
steht es
1. in Verbindung mit Götternamen in Personennamen, z. B.
-. /W^AA r\ ,1111111! c\ „,
h M 3 Pap. Golenischeff »die (Dienerin) des Amon« Tapauw (Fem.
U C± I /WvV^ i-1 _ g. _. » ■mm g>
zu Pn-Jmn). Vgl. dazu die späteren Varianten jljl 3 , o v\ (1 Jj Turin Ca-
-\ /WAAAA rs .Hill"
tal. I 218 Nr. 171)4 neben \ fl ^
U d 1 AAAA,
"T"""^^^ TntBstt Louvre A 39 (Pn,HLj j. h. i 25) neben o^ '
Tl-Bst-t (Melanges darch. eg. et assyr. I S. 213) »die (Dienerin) der Bubastis«:
lAllSsS tj')"l't >>die derGöttmJ^/,(' demot- >lJ^x|JS^ (=)1öe
e 1k Sil) Pap-Rhin(l (ed- Möuer s'7)-
2. zur Bezeichnung der örtlichen Herkunft
\ w J Tj-nt-ithij-t Pap. Unamun II 69, Hieratic inscr. Brit. Mus. Taf. XVI,
Legrain, Repertoire Nr. 216 »die von der Stadt (= Theben)«, das weibliche
Gegenstück zu Pn-nXc-t Uolvolq (s. oben); fl _ w| Tj-nt-Km-t »die von
Ägypten«, Piehl, Inscr. hierogl. I 66 ü: TK [1 C ^ (Champ., Not. I 838
bis Dyn. 18); ^^(j^^©^ (CataL Turin l s- :^86 Nr. 2756) Ti-nt (var. 0) -\sr/r
»die von dem See Järw«, griech. Tievpig, Ticpig, Toicpig'1. Auch hier hat ti nt
> tä. gelegentlich die Bedeutung »die Herrin von« od. ä., doch kann ich sie
bislang nur im Demotischen'5 nachweisen, es sei denn, daß man Namen wie »die
von dem See ^ärw« — was sehr naheliegt — als Göttin Mut »die (Herrin)
von dem See )$rw« deutet4.
3. in der Bedeutung »die Tochter des «.
So sind wohl die folgenden weiblichen Personennamen zu deuten ^^,
""^l^^^ PSBA. 24 (1902) S. 246 »die Tochter des Vmjtw7'«, YZ^^A
AAAAAA ^ ^
(Lieblein 2034) »die (Tochter) des RH* und vielleicht auch das s=> Tl »die
£ ^ AAAAAA ^ _ CV
(Tochter) des Stadtvorstehers« in dem weiblichen n. pr. I1^5 ^Tl vT
Pianchistele 34.
J) Siehe oben S. 104 Anm. li. — -) Siehe meine Bemerkungen bei Gradenu itz-Preisigke-
Spiegelberg, Ein Erbstreit aus dem ptolemäisrhen Ägypten S. 44. — :i) Siehe Mythus-Glossar
Nr. 897, Orakel-Glossar Nr. 280. — 4) Siehe dazu S. 106. — ■') Der Name ist bekannt. Siehe
Sethe. Agypt. Zeitschr. 44 (1907) S. 91.
Band 54.] W. Spiegelberg: Der ägyptische Possessivartikel. 10.)
—* —
4. zur Bezeichnung der Zugehörigkeit
g \ /WWW » _5?5lf\ vYv (f\
n. pr. A^^ ix ) 1 1 ^^ \JJ J (Ledrain, Mon. Bibl. Nat. 68) »die der Blumen« ,
d. i. die Blumengeschmückte; ~*~* j^ (Annales Serv. Antiq. V125, Lieblein
2341) »die der Frucht«, d. i. die Fruchtbare (?) : **~* ® »die Fischreiche«1
als Stadtname Pianchi 114. Dahin gehört auch das bekannte Wort für »Reiterei«
\ \ ^ Q f ^ t-/lt-btr~> das eme weibliche Abstraktbildung von htr »Pferd«,
d. h. »das, was aus Pferden besteht« od. ä. ist.
5. Den Besitz einer Eigenschaft bezeichnet Ü nt tä. in dem n. pr. o<|\ I X.
var. £=»T^, )J*f^, ferner ^^J^^ ^ \ f" Wbeszinski, Ägypt. Inschr.
des Wiener Hofmuseums S. 204 T>{j)-nfr-thr »die mit schönem Angesicht« = Tvx<pepu),
Demot. Studien I Nr. 386.
NB. Nicht jedes *~wva in Personennamen ist übrigens der weibliche Possessiv-
artikel. Gelegentlich steckt darin nur eine unetymologische 3 Schreibung des Artikels
oder Demonstrativpronomens mit folgender Relativpartikel, so in /w^ tp (1 n£ "W
Ägypt. Zeitschr. 34 (1896) S. 111 ; ^ Ö (j J Annales Serv. VII S.71 »die. welche
satt wird«; 'WWA|%Jj Berl.Inschr.il, 3. 4 (2298) »die, welche grün ist (oder gedeiht)4«,
Dyn. 185; ™ \jp*~ Ö 'V^J) T-nt-mwt*s-(n)-gbtjw, Cat. Brit. Mus. 63 (22, 939)
»die, deren Mutter (in?) Koptos ist«, ein Name, von dem folgende andere Formen
vorliegen: ™\\öj|°\ t-nt-mwt Kbtjw, Recueil XV (1903) S. 11 mit der
Variante o"^, P^V^ ö jl^^- Daneben existiert auch der Personenname, der
das possessive ti nt zeigt, /waaaÖJ^v\© »die von Koptos«, LD. 276, öl
° liä^® ' Später Holzsark. Samml. Amherst (unveröffentl.).
Der Plural des Possessivartikels würde nach dem Muster der beiden an-
deren Formen ni n(jw) »die von« lauten. Vielleicht liegt dieser plurale Possessiv-
artikel in dem "!K »«»* ni n vor, welches die Mehrzahl des Demonstrativums
p>, Ü bildet und eigentlich bedeutet »dieses von, das was gehört zu«. Es gehört
J) Nach Griffiths Deutung, Ägypt. Zeitschr. 34 (1896) S. 50.
2) Daneben auch \ 1 | ' 1 /T^1 t-nt-^-htr, Recueil 25 (1903) S. 53.
3) Für den Wechsel von c± und g > in später Zeit vgl. z. B. das n. pr. s=>o ^J j
/vw^Affr\ ti rmt n Bst-t »die Frau der Bubastis«, Lieblein 1136.
M %" und void sind Infinitive für ursprüngliches hr s!j und hr wkj. — Die grammatisch mög-
liche Deutung »die des Sattseins«, »die des Gedeihens« ist mir wenig wahrscheinlich.
3) Auch der gleichfalls der Dyn. 18 angehörende Name li y c± \^J J ü 3T V R
Legrain, Repertoire Nr. 216 S. 120, wird in seinem ersten Bestandteile bedeuten »die, welche wie
der Himmel ist«.
10 W. Spiegelberg: Der ägyptische Possessivartikel. [54. Band.
also zu <len pluralen Demonstrativbildungen wie im //(./"*), nw n(jw), nß n(jw), von
denen Erman, Ägypt. Gramm.3 iS 1(55 ff., mit Recht sagt, daß sie einen Ersatz der
eigentlichen Plurale von pn, pw, pf an Stelle von Jp/i, Jpw und )pf bilden. Der
plurale Possessivartikel nf // würde danach ein Vertreter des Plurals von //>
sein, dessen Form (1 a^ v\ tyi bisher nicht belegt ist. Ein Beispiel wie ni n
i/iiih-irt »diese Dochte« würde also eigentlich bedeuten »dieses, was zu (den)
Dochten gehört«.
aaaaaa f\ r\ I
Die neuägyptische Schreibung1 dieses Pronomens ist 1k (I (1 i <™** nfjn mit
der Bedeutung »die von«, also ganz im Sinne des davon abgeleiteten kopt. t^.
AAAAAA r\ r» aaaaaa < ■> ci ^-v
So Jieißen im Cheta vertrag Z. 2b die ägyptischen Götter ik ^1 1 "V r i v\
nijnpi ti n Kmt »die des Landes Ägypten«. Daneben erscheint aber ebendort
in der Verbindung 1k 11 A^ D r^-o n!j pi U u litt »die des Landes Cheta«
die Konstruktion ohne //, die allmählich die ältere verdrängte und zu kopt. u*v
führte.
Das Demotische zeigt neben allerhand Einzelvarianten zwei Hauptformen
— AAAAAA r\ r\ i
a) £/0 %,b) ) ) 4, von denen die erstere. ältere auf 1k (1(1 i zurückgeht und ge-
AAAAAA AAWW f\ r.
legentlich das 1k unterdrückt. Die jüngere Schreibung2 ik (I (1 hat wieder wie
bei den Singularformen den Lautwert der 1 . Person des pluralen Possessiv-
pronomens itA.- »meine« übernommen.
Der plurale Possessivartikel bezeichnet meistens
1. »die Leute von«.
Außer den bereits zitierten Beispielen vgl. Pap. Turin 35 I, 1 1k öü'^ov
<K ^ n »die Leute der Nekropolis«; Israelstele 8 ik, (j (j i cr^ Q U ^ ' »die
Leute seiner Stadt«; Pap. Unamun II 75 1k h M i Tk c±^ 0 N (] \> | © »die Leute
der Stadt«.
In Verbindung mit Suffixen entspricht er ganz dem koptischen absoluten
AAAAAA ft f\ I Q
Possessivpronomen. Pap. Unamun II 6 1k (I (I i H& »die Meinigen, meine Agen-
AAAAAA l\ f\ n AAAAAA
ten« (— no?ri): Pap. Harris 29, 9 1k (1(1 I »die zu ihnen Gehörigen« (= ho-ütot).
2. seltener »die Gegend, das Gebiet von«8.
biet von Ramses«.
') Piehl, Bidrag tili ägyptisk spräkforskning och paläografi § 2.
•) Mag. Pap. Index Nr. 281. Beachte ebendort die hieratischen Schreibungen 1k ... und
A/SAAAA *-' -j _Cti' I I I
V | '■
:i) Siehe dazu meine im Anschluß an Piehl gegebenen Ausführungen Sphinx VI S. 86, wo
freilich die Beispiele aus dem Pap. Harris zu streichen sind.
Band 54.] VV. S*iegelberg: Demotische Kleinigkeiten. 111
Demotische Kleinigkeiten.
Von Wilhelm Spiegelbekg.
Mit 1 Tafel und 14 Schriftbildern.
1. Ein Bestattungsvertrag aus der Zeit des Ptolemaios Philadelphos.
In seinem verdienstvollen Aufsatz über die Taricheuten und Ohoachyten hat
Revillout1 einen Papyrus des Britischen Museums (Nr. 10077) behandelt, der heute
auf Grund der Fortschritte der demotischen Studien zu einer erneuten Behandlung
lockt. Ich hätte sie nicht unternommen, wenn ich nicht unter den demotischen
Photographien, die mir J. J. Hess in uneigennützigster Weise zur Verfügung ge-
stellt hat, die Aufnahmen dieses Textes gefunden hätte, die ich hier (Taf. IV) re-
produziere. Der Vertrag liegt in 2 Exemplaren vor, von denen Revillout das eine
für ein »brouillon« hielt. Inzwischen haben uns zuerst die Elephantine Papyri"
mit einer Reihe von Verträgen der ersten Ptolemäerzeit bekannt gemacht, die
in doppelter Ausfertigung aufgesetzt wurden. Sie stehen auf demselben Papyrus-
blatt, der Urtext oben, die Abschrift unten. Der obere Text (scriptura interior)
wird zusammengerollt und versiegelt, der untere (scriptura exterior) hängt frei
daran. Diese zuerst bei den griechischen Urkunden festgestellte doppelte Aus-
fertigung ist nun auch in der demotischen Literatur mehrfach beobachtet worden3,
und es unterliegt keinem Zweifel, daß auch unser Papyrus eine solche Doppel-
urkunde ist. Der eine Text war versiegelt, der andere war offen. Wenn man
etwa darauf gehalten haben sollte, daß der erstere als juristisch maßgebender4
Urtext keine Korrekturen oder Einfügungen enthalten durfte, dann würde der
fehlerlose Text b der versiegelte Text gewesen sein. Ich habe a meiner Um-
schrift lediglich deshalb zugrunde gelegt, weil er besser erhalten ist. Text-
verschiedenheiten von Bedeutung' enthält die Abschrift nicht, so daß damit
Revillouts Kombinationen, die sich auf unrichtige Zahlenlesungen gründen, hin-
fällig werden.
') Ägypt. Zeitschr. 18 (1880) S. 79 Taf. l^s 1. — 2) Rubensohn, Elephantine Papyri S. 5 ff.
Vgl. dazu die Bemerkungen von Ibscher im Archiv für Papyruskunde V S. 192 und Wiixken,
;i. a. 0. S. 202.
:i) Solche Urkunden sind z. B. Pap. dem. Elephantine Nr. 2 und 3, das letztere Stück von
mir noch irrtümlich als brouillon gedeutet, ferner ehendort Nr. 11 (vgl. dazu Ibscher, Archiv V
S. 192) und weiter die von Sottas, Journal asiatique 1914 S. 144 und Reich, Wiener Zeitschr.
f. Kunde des Morgenlandes 25 (1911) S. 31 2 ff. veröffentlichten Stücke.
4) Dem widerspricht Reich in dem vorher genannten Aufsatz. ") Die einzige Variante
(Zeile 10). der Einschub einer Zeitbestimmung, bringt nur eine Verschiedenheit in der Satzstellung,
die für den Sinn des Textes keinerlei Bedeutung; hat.
112 W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. [54. Band.
Der Inhalt des Vertrages ist kurz folgender: Thotortaios hat dem Phagonis
die Materialien (Natron, Stoffe) zur Einbalsamierung der Leiche seines Sohnes
übergeben. Phagonis übernimmt den Auftrag und verspricht die vorschrifts-
mäßige Mumifiziorung, über die sich beide vorher geeinigt haben werden1, durch
den Choachyten des Auftraggebers vornehmen lassen zu wollen. Die Nichtein-
haltung der Bedingungen ist unter eine Konventionalstrafe gestellt.
Umschrift (nach a).
1 Hsp4 XVI III nw >!h-t Pr-<i
2 Ptrnmis si Ptrumi
$s P//-ic// si Pn-nfr2
*nt dd (n) Thuij->->r-rtj-s si Pl-Hr . .''. .=/•
5 pi dnj Jisrnn ti mtn-t wit
Bftnc ntd-t nb nt sh] r pi hfc-
7 sih ii Pn- Wsr jilj'k
% srj mtii'i iimk-f (n) phr-t
9.mty*i tj=s r t--t plj'k
10 wih-mw [r] Im pi hrw inh LXXII ^w-mn nbl
über der Zeile'
H/jr-hb-uA ii-^nt'f Jw bii-pzi tj
12 ph t< nb (u) pi ti r-r*h (n) rn*f
13 Ho4 sti r tni Jy n-k
Wr h nul-t nb nt hrj v/r=/ tj n*k ht II
15 ;• sttr(-t) Xt r ht II 0/ // Jite it um
16 U sh nb sh >mn-htp si P,j (?) -Mjn (r) hnr
17 Pn-wn (si) Pn-nfr nt hrj hsp-t XVI III -nw >ih>t
to(ITI-iur ijfcfy IV sh Pn-wn si Pn-nfr
Übersetzung.
S70/269 v. Chr.] »Im Jahre 1 6 im Monat Athyr des Königs Ptolemaios, Sohnes des Ptolemaios —
Phagonis, Sohn des Panophris, sagt zu Thotortaios, dem Sohne des Payris:
Du hast (mir) den Teil von Natron und die Umwicklungsstücke (I) und alle
Dinge übergeben (II), welche für die Leiche (III) deines Sohnes Pa-Wese (IV) nötig
(V) sind. Ich will sie mit Ingredienzen (VI) ausstatten (VII) und in die Hand
deines Choachyten geben, indem keine Taricheuten-Sünde (VIII) an ihm ist, bis
zum 72. Tage" (IX), ohne daß ich irgendeine Strafe (X) der Welt gegen dich
beantrage. Wenn ich mich weigere, nach jedem obigen W^orte gegen dich zu
') Man kann sieb das Nähere nach Herodot II 86 etwa so vorstellen, daß dem Phagonis
-(CDctbeiyuctTce vsxstZv tll.wa zur Auswahl gezeigt wurden. -- 2) Am Ende der Zeile steht ein Tren-
nungsstrich, der in b fehlt. Er kann also nicht als der erwartete Artikel pi gelesen werden. -
:t) In b steht r hn r pi*f(?) (oder pij?) hrw mh LXXII hinter hr-hb n-^m*f. — 4) In b fehlt das Plural-
determinativ. ) V.ii-. »bis zu seinem (:'). oder »diesem (?) 72. Tage..
Tafel IV
Hg
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■^Ä."-^ - '-- JbK
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13 Ä 7 i * 1 V < 4 v*
Zeitschrift f. Aegyft. Spr. , 54. Band.
Verlag : J. C. Hiniichs, Leipzij
pq
Band 54.] \V. Spiegelberg : Demotische Kleinigkeiten. 113
handeln, so gebe ich dir 2 Silberlingc = 10 Stater, wiederholt 2 Silberlinge,
zwangsweise ohne Säumen und Sträuben.
Geschrieben von Amenothes, dem Sohne des Pi(?) -Min, auf Befehl des obigen
Phagonis, des Sohnes des Panophris, im Jahre 16 am 4. Choiak.
Geschrieben (XI) von Phagonis, dem Sohne des Panophris.«
Kommentar.
I. f\ ^ ö Q , mtn{-t) könnte die Bedeutung »Stück« haben und eine
_£fr^ /wwv\ I
//«-Bildung von tnw »erheben, ausscheiden, abtrennen« sein, das »Abgetrennte«1.
Wieweit ein Zusammenhang mit dem im Mythusglossar Nr. 378 besprochenen
männlichen Nomen mtn »Spur« besteht, soll hier nicht weiter erörtert werden.
II. Die demotische Gruppe läßt sich hieroglyphisch v\ *3 umschreiben,
aber Lesung2 und Übersetzung bleiben unsicher. Der von mir angenommene
Sinn entspricht dem Zusammenhang.
^' I liäk A SS^ $n b^sih ist aus den Choachytenverträgen be-
kannt, z. B. Pap. Berlin 5508, 16. 17 (: 3099 : 3100), Pap. Marseille (Rev. egypt.
1 134), Pap. Louvre 2429bis (= Chrest. demot. 229), ebenda 2439 (= Corpus Nr. 2
= Chrest. demot. 290 ff.). Mehrfach wird der letzte Bestandteil des zusammen-
gesetzten Nomens MÜÜQ ni geschrieben, also mit dem Worte, das z. B. im
Pap. Rhind (s. Möller, Glossar Nr. 334) die Einbalsamierungshalle bezeichnet.
Trotzdem möchte ich in sih eine Schreibung von altem iL aQ.^ s<"h (var. sjh)
»Leiche« und in h^-sih einen Ausdruck für »Mumie« erkennen. So steht in
den erwähnten Verträgen stets die Verbindung tij krs-t linc plj h!c-sih od. ä. »mein
Sarg und meine Mumie« zusammen.
IV. Meine Vokalisation des Namens setzt voraus, daß hier die Gruppe ws(r)
»stark« für Wts-t »Theben« benutzt ist. Den Namen deute ich also »der von
Theben«.
V. Bei P?"fe\ ^jj sb>} könnte man an kopt. c«\uje, das Qualitativum von ciuj€
»bitter sein«, denken, das Harfner, Z. 6 \^iü=f] shi n hw r dph ^w-fn tite-t n w§b
»indem er bitterer ist als ein Apfel, wenn er ohne Reife (?) ist« vorliegen dürfte.
Unter den »bitteren Dingen« wären etwa Salz, Essig und andere bei der Ein-
balsamierung gebrauchte Ingredienzen zu verstehen. Aber die folgende Prä-
position r verlangt doch wohl eine andere Deutung, die Revillout mit seiner
Übersetzung » tont autre chose qui est necessaire ä la tombe de Pa . . . « richtig
erkannt hat. Vielleicht hängt dieses Verbum shl mit dem sih der Verbindung
') Also auch dasselbe Wort wie t\ ' I ^ mtn-t .Zählung« (Grapow, Wortbildungen
_ZT^ /www I i w i
mit Präfix m S. 32) von tnw »zählen«, eine Bedeutung, die sich aus der obigen »durch Abtrennen
zahlenmäßig ermitteln« (man denke an Herden) entwickelt hat.
2) Sollte etwa mh*k t--U(i) n p; dnj »du hast meine Hand mit dem Anteil gefüllt« zu lesen sein?
Zeitsclir. f. Ägypt. Spr., 54. Band. '*>
114 W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. [54. Band.
J?'-sih epujiuji »Macht haben« zusammen, das auf >r shr-w »Pläne machen« zurück-
geht. Es wäre also zu dem alten Nomen sihe ciuje : ujiuj\ das hier vorliegende
Qualitativum shl c^uje : uj^uji gebildet worden mit der Bedeutung »nötig sein«.
VI. In dieser Bedeutung steht^/w-f n*g_pe:t|>*&pi »Heilmittel« auch Pap. Rhind
I 2d, 5, wo der hieratische Text O^^ö siwb »einbalsamieren« gebraucht.
VII. Zu ntitk »ausstatten« od. ä. vgl. Rosett 19 dj-f 'mnfaw U jp(-t) (n) mi n jp(-t)
(>?r) /i>-c//-s m-is = »xca ro 'Anrietov spyoiQ 7toXvtsXs<tiv y.oLTE(rxeva(jEv«.
VIII. itbi ist kopt. nok : no&i »Sünde«. Der Sinn wird hier sein, daß die
Mumie nach den Vorschriften »nach dem, was in den Schriften steht« (z.B. In-
schrift des Anemho) behandelt worden ist, ohne einen Kunstfehler von Seiten des
Taricheuten.
IX. Zu der Zahl der liier genannten Tage vgl. die bei Griffith, Stories
S. 29. zusammengestellten Angaben1, aus denen sich ergibt, daß die Beisetzung
in der Ptolemäerzeit etwa 70 Tage dauerte mit kleinen Schwankungen. Die Be-
stattung des Anemho dauert genau solange, wie die desPa-Wese, nämlich 71 Tage.
X. Zu dieser Bedeutung von K siehe meine Bemerkung Recueil XXXVI
(1914) S. 174.
XI. Das heißt »eigenhändig unterschrieben« von Phagonis, in dessen Auf-
trage der Schreiber. Notar Amenothes", den Text aufgesetzt hat. In der Tat
ist der Name des Phagonis in der Unterschrift anders geschrieben als in dem
eigentlichen Vertrage.
2. Ein Schuldschein aus der Zeit des Gregenkö'nigs Harmachis
in doppelter Ausfertigung.
Zu den vorher erwähnten Doppeltexten, welche auf demselben Papyrus-
blatt den Vertrag im Originaltext und in Kopie enthalten, gehört auch der auf
Taf. IV nach einer Photographie von J. J. Hess abgebildete Papyrus 10425 des
Britischen Museums. Hier ist der obere Originaltext noch versiegelt und intakt,
so daß er uns das Lesen einiger auf dem freien Blatte zerstörter Gruppen
wesentlich erleichtern würde, wenn er einmal geöffnet würde. Vielleicht ent-
schließt sich bis dahin eine einsichtige Verwaltung, das jetzt geöffnete Stück so
richtig zusammenzusetzen, wie das Revillout bereits in seiner ersten Bearbeitung
des Textes (Revue egyptol. I |1880J 121 Anm. und Taf. 6) getan hat. Der erste
Herausgeber hat den Sinn des Textes in der Hauptsache richtig gedeutet, un-
wesentliche Zweck meiner Neubearbeitung ist die Mitteilung der HEssschen Auf-
nahme, die uns wieder eine Doppelurkunde zugänglich macht, deren Datierung
aus der Zeit des Harmachis, des Gegenkönigs des Ptolemaios Philopator, ein be-
sonderes Interesse beansprucht.
J) Sie lassen sich jetzt erheblich vermehren, ohne indessen an dem Gesamtresultat etwas zu
ändern. 2) Sollte er mit dem Notar des aus dem 17. Jahre des Philadelphos datierten Vertrages
Pap. Berlin 3089 (Taf. 4) »Amenothes, Sohn des Herieus« identisch sein:' Der Vater müßte dann
den Doppelnamen Pi-Min Herieus geführt haben.
Band 54.] W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. 115
Umschrift.
Ifisp-t V-t III-nw "ihd Pr-Q Hr-m-h'h-t f pfrtj (?) mr >s-t
%mr )mn-Rc-n-8wt-ntr-w pi ntr <J )g& Hl-Ci
&si Hm-^s-t mhd=f rD-nt- . . . pi nt dd (n) bk $mn Pi-dj-Hr-pi-Rc si
*Pn-fy nihvUfBk- . . . wn-mtw-k ht II kd\-t) I r stfr(d) X'j, r
*ht 11 kd{-t) 1 cn ^r-mj kd-t (?) XXI V kd(-t) 11 rn ni ht-w r tj*h n*j
6 intitH tj st (?) n*k r hn H)d 1 sm crkj r Jbd VII pi ht n-Hn-w nt Hü
I bn HC'l tj-s ii-k r hn r pi ss hrw nt hrj hc-i tj-s
8 n=k Jrm kd-(t) I r l'\2 n 11-nw sni pi -vbd nt m-shf n hte it mn
$bn >w4 rh dd >r*i n*k p-io hp Hc pi bk (?) nt hrj n t-Uk
W tu--i n=k pij cjw nt n ti ^we-t n ti nit/'-f n
II ti mi(-t) ni J&ur-w n Hüi-t n-Hn-w sc-tu-i db-ic n-k
M r hn pi ss hrw nt hrj iw*i tm db-w n-k >r=k in-shl r (?)
13 )/• n-k sh tb r pij cjio nt hrj n pi ^bd m-si pi Jbd
14 /•■;?*/ n hte it mn pi'k rt pi nt nhte (n) md-t nb
15 nt Xc*f r dd-te=w Jrm=i rn md-t nb nt hrj mtun ymü r hrw-f n ss nb
M n hte it mn it sh nb
sh Pi-dj-hnn->p si Pi-dj-hnn-n-swt-ti (?)
Übersetzung.
»Jim Jahre 5 im Monat Athyr des Königs Harmachis, des Kraftgewaltigen, ge-
liebt von Isis, 2 geliebt von Amonrasonter, dem großen Gotte.
Der Nubier Chello1, 3 der Sohn des Hennese und der Ta . . ., sagt zu dem
Diener des Amon Peteharpres, 4dem Sohne des Pacho'is und der Bk- . . .: Du
hast 2 Silberringe und eine Kite = 10y2 Stater. 5 wiederholt 2 Silberlinge und
eine Kite von mir zu fordern, nach der Berechnung 24 Kupferobolen auf 2 Kite
(Silber)2 im Namen des Silbers, welches du mir gegeben hast. 6 Ich gebe es
dir bis zum 30. Pachons (zurück), macht 7 Monate3. Das Silber davon. 7 welches
ich dir nicht bis zu dem obigen Termin (zurück) gebe, das gebe ich 8 dir (zu-
rück) mit 1 Kite auf \lj2 Kite4 im Payni, dem darauffolgenden Monat, zwangs-
weise ohne Säumen. 9 Nicht so^ *cn sagen können: Ich habe dir ihr Recht5
getan, solange die obige Urkunde in deiner Hand ist. *®Icli habe dir mein
Haus, welches in dem mittleren Quartier ^der Assyrerinsel 6 ist, als Pfand da-
für gegeben, bis ich es dir ersetzt habe M\As zu dem obigen Termin. Wenn
') Er ist identisch mit dem Kontrahenten von zwei aus dem 15. Jahre des Philopator
datierten Verträgen (Rev. egypt. III 2—3). Das ist eine weitere Bestätigung für die REviLLOursche
Bestimmung der Regierungszeit des Gegenkönigs Harmachis. Im übrigen vgl. jetzt Sethe, Ägypt.
Zeitschr. 53 (1917) S. 35 Anm. 1. — 2) Siehe Griffith, Rylands Papyri III S. 137, die Übersetzung
von XvjvI/oweS-« ik tov Trajyaa cßo?>ovs y.b. :!) D. h. nach 7 Monaten, vom Athyr an gerechnet. —
4) D.i. mit einem Zuschlag von 50°/0, dem sogenannten rjuiö>Mv. Vgl. Mitteis, Grnndzüge I S. 119 und
die dort angeführte Literatur. — 5) D. i. der geliehenen Summe (ni ht-ic Z. 5). Der Sinn ist: »ich soll
nicht behaupten können, daß ich die Schuld bezahlt habe«. — ''') Eine Ortschaft auf thebanischem Boden,
nach dem Namen zu urteilen, auf einer Nilinsel gelegen und von Syrern bewohnt. Die griechische
Wiedergabe würde etwa *TiM(y)rearavgig od. ä. lauten. Zu dem Namen vgl. Pap. Petrie II 56 ^.v^ujv hw\j.yj
15*
1 ] (> W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. [54. Band.
ich es dir nicht ersetze, so bist du hinter mir, 13daß ich dir eine Schrift für Silber1
in beziig auf mein obiges Haus mache in dem auf den genannten Monat folgenden
Monat 14 zwangsweise ohne Säumen. Dein Verwalter hat Vollmacht in bezug auf
alle Worte, 15 die er mit mir sprechen wird im Namen jedes obigen Wortes. Ich
tue sie nach seinem Befehl zu jeder Zeit 16 zwangsweise ohne Säumen und Sträuben.
Geschrieben von Petemenophis, dem Sohne des Petemestus (?).«
Inhalt.
In diesem Vertrage bekennt sich der Sprechende zu einer Schuld von
2 Silberdeben und l/2 Kite (=41 Silberdrachmen), die er dem Gläubiger oder
seinem Bevollmächtigten nach 7 Monaten zurückzuzahlen verspricht. Falls er es
einen Monat später tut, zahlt er das Anderthalbfache der rückständigen Summe
als Strafgeld. Sein Haus setzt er als Hypothek für die gesamte Schuld.
3. Demotische Urkunden zu der \oreia 'laiboc;.
In seinem Buche über die griechischen Ostraka (I S. 253 ff.2) hat U. Wilcken
eine besondere Gruppe dieser Urkunden besprochen, die sämtlich an dieselbe
Person, einen gewissen Ilißcvyjg Uersri(TiOg gerichtet sind und eine Taxe betreffen,
welche als Xoyeiu "l<n$og oder Xoyeiot Seov bezeichnet wird. Derselbe Gelehrte hat
später (Archiv für Papyruskunde IV S. 251 und 261) festgestellt, daß es sich
dabei um eine »Kollekte« für 2 Götter handelt, die beide in Hermonthis ihren
Kult hatten, für den dort in der Gestalt des heiligen Stieres Buchis verehrten
Gott Mont und die Isis von Philä, die in dieser auf thebanischem Gebiet gelegenen
alten Kultstätte ihr Filialheiligtum hatte. Dieser Doppelkult spiegelt sich viel-
leicht in dem Namen des erwähnten Mannes wieder, der selbst nach dem hei-
ligen Stier nißov%K »der (Diener) des Buchisstieres« hieß3, während sein Vater
n.ETsv\(rig »der, den Isis gegeben hat« (Isidoros) benannt war.
Der Quittungsaussteller ^svuyiovvig bezeichnet sich bald als irpovrctTvig rov S-eot),
d.h. »Vorsteher des Gottes (Buchis)«, bald als (pewvitTi oder gräzisiert (pevvv)<ng,
d. i. nach Revillouts richtiger, durch die unten mitgeteilten demotischen Texte
bestätigter Erklärung der »Prophet der Isis«, bald führt er beide Titel gemein-
sam. Der Einzahler des Kollektengeldes ist Uißovyjg, dessen Titel ofj.oXoyog ich
abweichend von Wilcken mit Preisigke4 als »vertragsmäßiger Landarbeiter« oder
»Pächter« deuten möchte.
*) Der Ausdruck für die Kauf Schrift (ttj«-^). Siehe Hauswaldt Papyri S. 6* und die dort S. 1 1* ff.
gegehenen Ausführungen von J. Partsch. — 2) Die sonstige Literatur siehe bei Preisigke, Fachwörter
unter cpsi'^cr«; und bei Paul M. Meyer, Ostraka Nr. 81 S. 202. — 3) UißoZyjs war sein Beiname. Der
eigentliche Name war nach Nr. 402 Ilsreagvo'jcpis »der, den Gott Harnuphis gegeben hat«.
4) Zu dem Wort schreibt mir Preisigke: »Es ist o^o/.cyo? ursprünglich = ein Mann, der auf
Vereinbarung hin etwas tut«, daher auch »ein Lohn-Landarbeiter« (vgl. Wilcken, Ostr. I 254
Anm. 1). In diesem Sinne wird das Wort näher behandelt in Pap. Ryl. II S. 287. Die weitere
Bedeutung ist sodann »geständig« (z. B. Pap. Eleph. 7 und Mitteis, Chrestom. II 31, III 12 Anm.),
ferner »übereinstimmend« (B. G. U. III 91721) und schließlich »dediticius«. In den z.cys /«-Ostraka
wird die Bedeutung »vertragsmäßiger Landarbeiter« oder »Pächter« richtig sein.«
Band 54. | W. Spiegelberg : Demotische Kleinigkeiten. 11 i
Für die weitere Erklärung dieser griechischen AoyejÄ-Ostraka sind nun die
demotiscli geschriebenen Urkunden von großem Interesse, die sich ebenso wie
die griechischen in der Berliner Sammlung befinden und wohl zusammen mit
ihnen gefunden sein werden. Ich habe sie beim Durcharbeiten der Pausen ent-
deckt, die J. J. Hess von den demotischen Ostraka des Berliner Museums mit
der ihm eigenen Genauigkeit gemacht und die er mir in liberalster Weise zur
Verfugung gestellt hat. Dafür möchte ich ihm auch hier meinen herzlichsten
Dank wiederholen. Nach diesen Pausen habe ich die Texte unter Vergleichung
von etwas matt geratenen Photographien reproduziert, die mir Hr. Prof. Schubart
freundlichst übersandt hat. Für Nr. 6187 (II) fehlte eine Pause1, und ich ver-
danke es der Güte desselben Gelehrten, der mir das Original hierher sandte, daß ich
den Text hier gleichfalls nach einer Gelatinedurchzeichnung veröffentlichen kann.
Ich gebe zunächst eine Umschrift und Übersetzung der einzelnen Stücke.
I. Ostrakon Berlin Pap. 1662.
a. Umschrift.
1 Pi-srj(-ri)-ni-ntr-w (s/) Pi-dj-^s-t p? hm-ntr n -W
Int dd (n) PH-Bh (s!) Pl-dj-^-t tu-i
3mA (n) M sttr-t [ht ?] V hr pi ht (?) sü n 's-t hsp-t ILt
^Nrune Gluts Gesrs
5 Sbstes Grmmks
6 httugrter
b. Übersetzung.
»Psenenteris, (der Sohn) des Peteesis, der Prophet derlsis. sagtzuPibuchis, (dem
Sohne) des Peteesis : Ich bin voll3 mit 5 [Silber ?]-Stater-Kite für das Kollektesilber -
der Isis (für das) Jahr 2 des Nero Claudius Cäsar Augustus Germanicus Autokrator. « [55/56 n. C
Vgl. dazuWiLCKEN, Ostraka 402 (Berlin 4304) Yev&rriipig Wcnv^aiog \\&c%ig (sie)
Yla.TSYi<Tig %uipeiv. 'X-s%oü TrapoL trov g S = 4 virep Xoyutg iv üiKctg* rov tyL Tißspiov etc.
l) Hess hatte nur einige Gruppen als Varianten durchgezeichnet. — 2) Für sti = ?.oystct vgl. z.B.
Grikfith, Rylands Pap. III 319. Das »Silber der Kollekten der Isis« ist auch Silsile Inschr. Nr. 24 er-
wähnt. — 3) D. h. ich habe sie vollzählig empfangen. Siehe die Schlußbemerkung. — 4) = 4 Drach-
men 2 Obolen. — 5) So nach Archiv IV S. 267.
118 W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. [54. Band.
II. Ostrakon Berlin Pap. 6187.
a. Umschrift. . . j ^
lp?-&rj{-n)-n?-ntr-w{s?)Pl-dps4 JL~-+M < 2— I j t \
S{s])P!-(lj-\^tu4)nh{»)hl*ttr4ht{?)Y \*2jH ^fe->^* ~ ^ ^ f n»
*hrpi ht(?)stl n >s-thsp-tY-t rv | l|xL?-/HKv {
7 Grmntflß ^^ — ~ ^^^ ^ # ^
*;uh«jrtu sh hsp-t VI /\- *-^\)^r~~) }<J ^ *-) 1 ' O
&. Übersetzung. J^Pf/1 OsXO
»Psenenteris. (der Sohn) des Pe- \/ J fl^*" t _
teesis, der Prophet der Isis, sagt zu /!^ »I I ' |^J/i-vw 1 ^**«
Pibuchis. (dem Sohne) des Peteesis: """ ' ! ./ / — ^ 1 r* k
Ich bin voll mit 5 Silber (P)-Stater-Kite ''•' *** 'J>
J/59 n. Chr.] für das Kollektesilber der Isis für das Jahr 5 des Nero Claudius Cäsar Augustus
Germanicus Autokrator.
Geschrieben im Jahre 6 am 1 0 . (?) Mechir.«
III. Ostrakon Berlin Pap. 1658.
£ AiJ^^-^l-'i.
a. Umschrift.
!/• >w Pil-Bh sl Pi-dj-is-t sttr-t ht (?) FAr
2 7?/ #tf «7/ n ^s-t hsp-t XI Tibris
3 Gluts Gisrs Sbstes
4 Grmnks iutugrter sh Pf-$rj(-n)-n!-ntr-w
5.s/ Pj-dj-)s-t p! hu-ntr u H-t
Band 54.] W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. 119
b, Übersetzung.
»Es hat gebracht Pibuchis, der Sohn des Peteesis, 5 Silber (?)-Stater als
das Kollektesilber der Isis (für das) Jahr 11 des Tiberius Claudius Cäsar Augustus [50/51 n. Chi
Germanicus Autokrator.
Geschrieben von Psenenteris, dem Sohne des Peteesis, dem Propheten der Isis. «
IV. Ostrakon Berlin Pap. 1657.
1 S)//i %£-
< ~
/
.„fit <">H '"* u^s *] crr '"
a. Umschrift.
•j
iSskuts st Pi-sJ-n-fym pj Ijm-ntr n Js-t p> nt dd
In Ptj-Bh st Pi-dps-t tu4 mh n M (?) sttr(4) ht (?) V hr p
$s~ti n Js-t n hsp-t Vit n Ncrun
4 Glutins Gisrs
5 Sbsts Gt[r]mcnifa
6 iutugr^tur sh n hsp-t VLt
7 tpj pr-t sw XVII
b. Übersetzung.
»Sosikotes (?), der Sohn des P-san-hmu1, der Prophet der Isis, spricht zu
Pibuchis, dem Sohne des Peteesis. Ich bin voll mit 5 Silber (?)-Stater-Kite für
die Kollekte der Isis für das Jahr 6 des Nero Claudius Cäsar Augustus Ger- [59/60 n. Chi
manicus Autokrator.
Geschrieben im Jahre 6 am 17. Tybi.«
Bemerkung.
Aus den obigen Übersetzungen ergibt sich, daß die demotischen Ostraka
vollkommene Gegenstücke zu den griechischen Xoyetot-Quittungen sind. Pibuchis
ist der Zahler, der in III seine Quittung mit der bekannten Formel r )n N.
»N. hat (die Summe) gebracht« erhält, während bei den anderen Stücken der
Zahlungsempfänger (Psenenteris oder Sosikotes |?]) dem Pibuchis erklärt: »Ich
') Wohl = UmfpLoZs, Preisigke, Sammelbuch 4358. 4359. Wilcken, Ostr. 11 161 — 1G4. Paul
M. Meyer, Grieeh. Texte aus Ägypten S. I(i0 Ostr. Nr. 41.
120 W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. [54. Band.
bin voll mit der Summe.« Denn das ist gewiß die wörtliche Übersetzung des
Ausdrucks tu*i mh n ' ({mh^ n). die dem Sinne nach dem Quittungsausdruck
U7r£%u} »ich habe empfangen« der griechischen Ostraka entspricht2. Als Summe
ist jedesmal »5 Silber (?)-Stater-Kite« genannt, wie ich zweifelnd übersetze.
Der Münzausdruck beginnt mit der von Griffith und Thompson3 zweifelnd qt
gelesenen Sigel, deren Bedeutung oßoXog feststeht. Nimmt man die Lesung M (?)
sttr-t an, so darf man vielleicht an den Ausdruck 1 Kg. 9, s n«v. cys'icRiTe HCÄ/reepe
»etwa 1/2 Kite Stater« erinnern, mit dem rsTctprov gikXov upyvpiov übersetzt ist. In
den griechischen Ac7a'#-Quittungen beträgt die Abgabe für die Kollekte der Isis
4 Drachmen 2 Obolen (402. 415. 41.6. 417). 4 Drachmen 1 Obole (413), 4 Drachmen
3 Obolen (416), 4 Drachmen 5 Obolen (420), 5 Drachmen (418). Danach könnte
man den griechischen Gegenwert des ägyptischen Ausdrucks in der Summe von
4 bis 5 Drachmen vermuten, etwa so, daß eine Stater Kite einer Drachme ent-
spräche. Aber mehr als eine Vermutung soll das nicht sein. Was sich sonst
aus einer Vergleichung der griechischen und demotischen Texte ergibt, mögen
Berufenere weiter untersuchen. Mir lag vor allem daran, das bisher vorhandene
demotische Material zu den Äoye/od-Urkunden zugänglich zu machen.
4. Eine unveröffentlichte demotische Weihinschrift aus Philä.
Vor etwa 10 Jahren übersandte mir mein Freund Otto Rubensohn den Ab-
klatsch einer auf Philä gefundenen demotischen Inschrift, die trotz ihres frag-
mentarischen Zustandes nicht ohne Interesse ist. Vor allem aber sollte sie in
einer Sammlung der Philenser demotischen Inschriften nicht fehlen, die wohl
einmal ins Leben treten wird4. Ich reproduziere den aus der römischen Kaiser-
zeit stammenden Text nach dem Abklatsch (etwa 1j3 natürl. Größe).
Umschrift.
1 [// wäte-t n P;-th]m (?) si n Upk . . rn (?) m>wte*J
2[. . . . d]j m-b!h Js-t n Pr-Hü-w^b Pr-yw-lk
3 \ti ntr-t c/'jf ti sps-t\ nfr-t tu*i sbr m-blh P-nt n! tbh-w
4 ]i Ho{tyi r tij*t nl-t nfr-t (?)
5 \iü Jwsic ihre n icc sp tum sm
6 ] (iihw njj=t . . . .' nhw >r4 U . .\ ."
7 ] . . . IV-nw yh-t sw IX Jr4 p! sti n (?)
8 sw] XIX wtfci tti nl-t (?) r-W htp nli
9 }=t nH c]üe*w r §m*i tb4e*w (?)
10 [ ] hü bn-p-4 line h]j (?)«*
') Das n ist in IV geschrieben, während I und II es ungeschrieben gelassen haben. — 2) So
steht es auch Ostr. Straßburg D 1564 tu=n mh n p rdb l1/,. Vgl. griech. "Et^ousv) -o -s?.(oc) tt>.y)oyi<;,
Wilcken, Ostr. 1071. — Ferner D 1173 tuHmh (n) swn. — Die Wendung ist schon im Neuägyptischen
zu belegen. Ägypt. Zeitsch. 43 (1906) S. 37. tu-i mh-kwj m swn-t Jrj. -- 3) Siehe Thompson, Theban
Ostraka S. 28*. -- 4) Einen Anfang dazu hat Brugsch in dem 5. Bande seines Thesaurus gemacht. —
') Gewiß nicht <"hc-xc. — u) Weder die Lesung sp noch wm erscheinen mir möglich.
Band 54.] W. Spiegelberg: Deniotisehe Kleinigkeiten.
11 \w (?) n tj n p> hrw r hrj tun rh-s dd Iwh
12 js/ (?) nii tr=iu hpr n-^md r ^rst htp
1&nH ] H ^s-t H r (?^ Jr nhw (?) säms-w n . .? . .
14 J . . . . hrj r $r*t tj n-n U (/med
121
/ /:
J I /» V •-■
4«
*j< ii-^ CT/vi
I - ri '
Übersetzung.
»l[Die Weihinschrift (I) des Pach]om, des Sohnes des . .?. .. seine Mutter
heißt 2[ t bleibt hier] vor Isis von dem Abaton (II) und Philä, 3 [der großen
Göttin, der] schönen [Edlen] (III). — Ich flehe (IV) vor der (Göttin) der Bitten
4[ ....]. Ich bin zu deinem schönen Quai (?) (V) gekommen 5[ ]
indem sie allesamt traurig waren (sind). Wir segnen ®[ um] sie am Leben
zu erhalten. Deine sind sie. Ich feierte ein Fest 7 [ ] ■ • • am
9. Choiak. Ich machte die Liturgie für 8[Isis, die große Göttin, am] 19. [ ].
Ich habe mich an diesem großen Quai (?) (V) niedergelassen. Sei mir gnädig (VI), 9 | große
Göttin] Isis. Diese Vergehen (?), wegen derer 10 [ich in deinen Tempel] gegangen bin,
ohne daß du (es) befohlen hast. Ich bin gekommen H [aus eigenem Antrieb ]
von heute an. Ich weiß, daß eine Sünde 12 [auf] mir [lastet. Deswegen] ist mir
Zeitschr. f. Agypt. Spr., 54. Band. 16
122 W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. [54. Band.
alles dieses geschehen. Sei [mir] gnädig (VI) 13[ (VH)], o, (ATII) Isis,
o, mache ^ [ ] . . . . Gib uns Stärke (IX)!«
Kommentar.
I. Die Ergänzung des Anfangs nach dem Schema der Philenser Weih-
inschriften Brugsch, Thesaurus S. 1 0 0 3 ff.
II. Das Abaton lag nach der überzeugenden Beweisführung von Junker (Das
Götterdekret über das Abaton S. 32 ff.) auf der Insel Bigge, Philä gegenüber.
III. oder auch nach der Inschrift des Trrmn (Hess, Rosettana S. 51) \t!
utr-t tj-t t> khh-t] rifr-t [»der großen Göttin des] schönen [Brunnens (P)]1« .
IV. Dieselbe Schreibung des alten qa auch in der eben erwähnten In-
schrift Zeile 2 (Hess, Rosettana S. 52). Daneben findet sich in den Philenser
demotischen Inschriften aucli die hieratische Form ^®d( spr^w Brugsch,
Thesaurus S. 1028. 1036.
V. Zu diesem Worte vgl. Ägypt. Zeitschr. 51 (1913) S. 69 und meine Be-
merkungen im Petubastisglossar Nr. 190. Die mehrfache Verbindung mit Isis
könnte an die "l<nÄ ty^q %u)y.oLTcq2 denken und für das Wort itl-t die Bedeutung
»Damm« vermuten lassen. Doch möchte ich hier eher auf einen Namen für die
Quaianlage von Philä raten, an der die frommen Pilger landeten.
VI. r->r*t (= neuägypt. 0 an *"" Jj ^-yKH) ist die emphatische Form, wie
in der Philensis 23 (Thes. 1021) r-)r=t stm »erhöre!« und wohl auch Nr. 10
(Thes. 1028) r-h-A Vj nii »komme zu mir!«. Dafür schreibt Phil. 13 (Thes. 1011)
auch J-V=/ tj nii »gib mir!«.
VII. säms findet sich auch Pap. demot. Berlin 83513/2. Die Lesung smt ist
ausgeschlossen. Die ganze Stelle ist mir aber dunkel. In der letzten Gruppe
wird kaum si »Schutz« stecken.
VIII. Dieselbe Schreibung dieser Interjektion (s. Sonnenmythus-Glossar Nr. 30)
auch in der demotischen Inschrift von Dakke Nr. 156 (Thes. 1036).
IX. Dieselbe Wendung Phil. Nr. 10 (Thes. 1028) mtu*t tj nii ti gme-t »gib
mir die Kraft!«, gme-t ist wohl mit &om »Kraft« (fem.) identisch.
Inhalt.
Soviel auch von der Inschrift verlorengegangen ist, so ist doch über ihren
Charakter kein Zweifel möglich. Sie ist eine Weihinschrift3 (demot. wäte-t [oira>.urTe],
') Ist kbh-t, das übrigens von dem männl. kbhio, dem Namen des Kataraktenlandes (Sethe,
Unters. II 68), zu unterscheiden ist, etwa der Name für den Brunnen, in dem sich der von Strabo
(17 I 48) beschriebene Nilmesser befand;' — *) Siehe dazu Wilcken, Ostraka I S. 333.
'•) Für die Bedeutung von icst sei an I Kh. 3 10 erinnert, wo es von Ne-nefer-ke-Ptah heißt:
sm N. Im h-t-ntr r wste »N. ging in den Tempel, um zu verehren« (seine Andacht zu verrichten),
und zwar im Anschluß an eine Prozession. Manche der wst genannten Weihinschriften mögen
solche Tempelbesuche inschriftlich verewigt haben.
Rand 54.]
\Y. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten.
123
griech. Tvpc<jy.\)VY\\x<£), die ein Mann namens Pachomios in dem Isisheiligtum von
Philä hat anbringen lassen. Habe ich recht ergänzt und erklärt, so hat er da-
mit ein Gelübde erfüllt. Die fromme Pilgerfahrt zu der Isis von Philä sollte
die freiwillige Sühne für eine Sünde sein, über die uns die Inschrift infolge
ihrer Zerstörung leider keine nähere Auskunft gibt.
5. Ein neues Bruchstück der Straßburger Partheniosinschrift.
Von der im 51. Bande dieser Zeitschrift (S. 81 ff. Taf. IV) veröffentlichten
demotischen Inschrift des Parthenios ' hat sich noch ein weiteres Bruckstück
gefunden, das durch Ludwig Borchardts gütige Vermittlung im Juni 1914 gleich-
falls in die ägyptische Sammlung der Universität Straßburg gelangt ist. Das
hier abgebildete Stück (0,18 m X 0,21m) gehört an den unteren Rand der Stele
und schließt sich an das rechte untere
Bruchstück (c der Tafel) an. So ergibt
sich folgender Text, bei dem ich die
Zeilenzahl der großen, bereits veröffent-
lichten Inschrift beibehalten habe.
Umschrift2.
26. . . .] mumj>tiit-nfr-tn!(?) [
27 . . . .] jr md-t nl-nfr-t wte nlj (?)[..
2&mtu*t tj hpr4 hn ntjzths-w [
29 wc eg-sfin nfr ^w hpr (?)=/ //-yii/=f
sh n hsp-t [
Übersetzung.
26 ] wie einen schönen Weg . . . [
27 ] . . . . eine schöne Sache machen". Sende mir |
26 Du läßt mich unter deinen Ausgezeichneten sein [
29 ein schöner Befehl, der an ihn erging4.
Geschrieben im Jahre [ «
Die letzten Worte zeigen, daß die große Straßburger Inschrift mit der
Datierung schloß, die man sich nach den Eingangsworten ergänzen mag. Leider
ist die Jahreszahl nicht mehr erhalten.
J) Das S. 87 abgebildete Bruchstück XIII steht übrigens auf dem Kopfe. — 2) Die durch
untergesetzte Punkte bezeichneten Wörter befinden sich in dem bereits veröffentlichten Text, an
den das neue Fragment anschließt. — 3) Etwa «Gunst (Gnade) erweisen«:1 In der Rosettana
ist md-t nfr-t — %dotg. — 4) Vielleicht »ein schönes Los, das ihm zuteil wurde«. Die Bedeutung
von cs-shi ist sehr vieldeutig.
16*
124 W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. [54. Band.
6. Der Name OoirropxHc;.
In den demotischen Texten der Ptolemäerzeit findet sich nicht selten ein
n. pr. Thictj-^r-rh-s (J^Ji]-<2>- ~ 1(5 oder I höJ. für dessen demotische Form
ich Pap. Brüssel Vb/33 CYv^ry *»f t^' wähle. Dazu kann ich jetzt eine grie-
chische Wiedergabe mitteilen, die ich in einem Mumienetikett" gefunden habe,
dessen vorzügliche Pause ich Jean Jacques Hess verdanke.
Der demotische Text r ^
lautet danach: <f~* I USLJÜ f _[ ^=Z3 "* I
»Es lebt deine3 Seele ,. f >- I
vor Osiris, dem Ersten des < \ Z- Qj ) » F/j»aJ 3"* A ?// > ) ^ V
Westens, dem großen Gott, .
dem Herrn von Abydos — ^J / \ ~> / f* ^i SA ^ ^\ 1/
Thivtj-rh-s, der Sohn des J^
gleichnamigen, seine Mutter / J K » . ^ ■
(heißt) rc-nesti.*
Griechisch: ®ovrop%YisfjLYi-
Unser Name ist also ^ ' F r— jj
®GVTop%vjs wiedergegeben. Er 0 |
bedeutet »Thoth kennt ihn« y ^.^ ?\ 2£ / $ ( « ? C^p J >-j^ /aJ -»*-»
oder »Thoth kennt es«. In ^ . ^
ersterein Falle würde sich *■*> &lo Jj I <V )/ \*J *>'
das Objektspronomen auf den Q O l^TÖ /* X /""f C JJyj I f f^ vT
Träger des Namens beziehen, . L ^ . i /
"7 — F^ hH r— C L^-
während das » es « der zwei- ^^
ten Übersetzung pleonastisch5 gedeutet werden könnte. Dann würde »Thoth
kennt (weiß)« den ägyptischen Gott der Weisheit bezeichnen, der ja als nb rh
»Herr des Wissens« (Mythus vom Sonnenauge 9, 23) bezeichnet wird. In
dem Eigennamen liegt der nominale Nominalsatz ohne Kopula mit nachstehen-
dem relativischen Prädikat (Setiie, Nominalsatz § 43) vor, also eine Bildung wie
(J _'-<2^ »Amon ist es, der ihn (sie) geben tat«, ein n. pr., für das die
I MAAAA H L
Transkriptionen '\\xvprcaog, \\xoprcaoq und 'A.fjLovopToi'i<ngc' bekannt sind. Danach ist
auch der Name Thicfj->r-rh-*w (st) zu übersetzen »Thoth ist es, der ihn (es) kennen
tut«. Dabei ist beachtenswert, daß auch der neue Name für das präsentische
J) Andere Beispiele Rylands Pap. S. 462. Ostr. Carnarvon 1911 (unveröffenti.), Revillout,
Melanges S. 51. — '•) Britisches Museum, von Hess nicht mit Nummer bezeichnet. — 3) Die
2. Person der Anrede statt der 3. Person ist recht selten. Ein solches Beispiel bei Möller, Mu-
mienschilder S. 6. — 4) Daß in diesem Namen AiouvtIk steckt, ergibt sich aus dem weiter unten
mitgeteilten Mumienschild. — •) Siehe Mythusglossar Nr. 477. — ,;) Griffith, Rylands Pap. III S. 193.
Rand 54.J W. Spiegelberg : Demotische Kleinigkeiten. 12.t
aktive Partizipium von Jrj den Bildungsvokal o zeigt, wie in 3AfJLovoprcü(rigt 'E<rop-
rouog (Edoprä'ig), QoToprouog (GoTcprciig), 'OßoarcpToi'ig1. Daneben finden sich, wie sich
aus der Zusammenstellung von Griffith, a. a. 0. (Etsctuic, 'Ofoti'eproüg), ergibt,
auch Formen mit e, und es mag zweifelhaft erscheinen, ob nicht der Vokal o
durch Vokalangleichung unter dem Einfluß des meist vorhergehenden Vokals o
entstanden ist. Die ursprüngliche Vokalisation wird * T/nit-or (oder -er-) -erches od. ä.
gelautet haben. Dabei sind die beiden r der Nebensilbe (nach Sethe, Verbum II
§ 59) zusammengefallen. In der Variante des Namens Qorcp^g (Pap. Par. 137)
würde, falls die Lesung richtig ist. das % wie auch sonst in griechischen Tran-
skriptionen (z. B. 'Apoßhjs Wiener Ostr. neben \pÄy^v\g Pap. Teb. I) nicht wieder-
gegeben sein. Während die älteren ptolemäischen Schreibungen noch etymolo-
gisch richtig schreiben, bringt die spätere Schreibung der römischen Kaiser-
zeit den lautlichen Tatbestand zum Ausdruck'. Ja, für diese Epoche läßt sich
durch das folgende, gleichfalls von Hess3 abgezeichnete Etikett zeigen, daß der
alte Name gelegentlich gar nicht mehr als ägyptisch empfunden wurde.
(i. Demotisch er Text. />. Griechisch.
•Pill!, Sohn des T/rutrk/is, seine Mutter WroXXoLg ®orop%i(rrog
(heißt) Tcn*sii, aus Psonis, 50 Jahre alt. ß'^rpog Aiovvaiocc
Seine Seele geht vor4 Osiris Sokar, ino Wi/ewc tag (erwv) v
den großen Gott, den Herrn von Abydos. «
Hier ist also das n. pr. ®ovrop%v\g als r—, @ o _£=& rj-, (7~p I [X, T/iutrkhs wieder-
gegeben, als ob es ein griechischer Name wäre. Dabei ist die Genitiv (?) -Endung
von @c7op%v\g — so wird man wohl erklären müssen — auch recht seltsam.
Liegt etwa eine Verschreibung für &cTop%v\Tog vor5? An der Identität der Namen
ist gar kein Zweifel möglich, denn die beiden Mumienschilder, die in dem-
selben Familiengrabe gefunden sein mögen, beziehen sich auf dieselbe Familie.
Die starken Verschiedenheiten in der Schreibung der Eigennamen sowohl in den
griechischen wie den demotischen Texten beweisen nur, daß sie von verschiedener
Hand herrühren. Aus den beiden Stücken ergibt sich folgende Genealogie:
l) Griffith, Rylands Pap. III S. 193. — 2) Zu den Schreibungen von rh vgl. Griffith,
Stories of the High Priests S. 106 und Reich, Recueil XXX (1908) S. 90 ff. — 3) Britisches Museum,
89
von Hess 10— 14 bezeichnet. — 4) Zu dieser mir nur aus diesem Mumienschilde bekannten Formel
50
vgl. die Wendung H meiner Sammlung (Demot. Studien I S. 6) N. N. iw--f sn-nc n-bih Wsjr pij ntr a.
— 5) Eine andere Gräzisierung unseres Namens wird in Qotoo^svttyig, Pap. Petrie II 66.87, vorliegen.
126 W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. [54. Band.
®ovTop%^g Abwertet
(©oropxtcrroi?)^^' \. (Tevecriot)
QovTopxflg und IItcaAäs waren also Brüder.
Noch eine Bemerkung. Griffith hat a. a. 0. zweifelnd zu Thwtj-^r-rh-s den
griechischen Namen ®orpwt<n$l verglichen. Dieser hat aber nichts mit unserem
Namen zu tun, sondern ist zweifellos der demotisch mehrfach belegte Personenname
2— ;il S \3s ' Ä $ (llls-^ä- Tkwtj-rjs »Thot wacht« oder »Thot, wache!«
seil, über dem Träger des Namens. Danach ist auch der vor kurzem von
G. Steindorff (Ägypt. Zeitschr. 53 [1917] S. 146) veröffentlichte Eigenname
KikJJl — 1/1 £ft I Wl Pn-tl-h-t-rjs als theophorer zu fassen »der (Gott) des
Tempels wacht« oder »du (Gott) des Tempels wache!« °'^, Ji — i >>(^er ^es
Tempels« ist also ein Gottesname, zu dem man den Lagergott ^ ^f\ \^ 0 QA TO
n_fl Pn-pt->h?j der Briefe von El-Hibe (Agypt. Zeitschr. 53 [1917] S. 3)
vergleichen mag. Derselbe Gottesname steckt auch in dem n. pr. ^ TK I , , tfi $£
Pn-tl-h-t-nht »der (Gott) des Tempels ist stark«.
7. Ein demotisch-griechisches Mumienschild aus dem Jahre 256 n. Chr.
Unter den mir von J. J. Hess freundlichst übersandten Pausen von Mumien-
schildern des Britischen Museums befindet sich auch das folgende Stück5:
/ 3
1) Ein anderer Marne dieser Bildung ist &pevouxri(; (Wilcken, Ostraka Index 469). Für die
ältere Zeit vgl. j£< V\ "^ \ -^ ® | W Pap. Brit. Mus. 10053, 3/11, 10054. 2/8. 3/3.
2) Revillout, Chrest. demot. S. 282, Pap. demot. Heidelberg 728.
3) Auch aus Pap. Turin 96 11/4 D iL Y\ ^L < > M -^ V& bekannt.
4) Pap. Turin (Lieblein) 4,7; Pap. Tui-in (Pleyte-Rossi) 126,5; Pap. Mayer, Liverpool C 6;
Pap. Brit. Mus. 10053, 6/5. — 5) Mit der Signatur 10-14
Band 54.] W. Spiegelberg: Demotische Kleinigkeiten. 127
c-trj ae^n -m ° c a°iMK
e g I Co c t-w fxK fl 6fJ
ö. Demotischer Text.
»Es lebt seine Seele in Ewigkeit, um zu dienen (folgen) dem Osiris-Sokar,
dem großen Gotte, dem Herrn von Abydos — Pschai Hc(?)lbJnin, der Sohn des
P-schen-t-seJien-p-ckl, seine Mutter (heißt) Bes, der Mann von Psown1. Er war
52 Jahre alt.«
b. Griechischer Text.
¥ci'is cAßa,v7vic ^ev<7ev7rs?^eiXiog iuoi\XY[ (v).
'EßiüüG~ev ervi zevTYixovTot, L y
H0V7rXlU)V JlW/jWV v\
Das größte Interesse bietet die Datierung am Schluß des griechischen
Textes. Sie geht, wie mir Preisigke2 zeigte, auf die Samtregierung des Publius
Licinius Valerianus und des Publius Licinius Valerianus Gallienus, neben denen
als Dritter Publius Licinius Cornelius Valerianus als Cäsar (Kronprinz) herrschte.
Die Abkürzung, die auf dem allen drei Herrschern gemeinsamen Namen Publius
beruht, ist meines Wissens nur durch dieses Mumienschild bezeugt und mag
vielleicht eine volkstümliche Bezeichnung sein. Das Datum entspricht dem
3. Mai 256 n. Chr.
8. Die demotische Schreibung der Göttin Rc-t-tiwj.
In dem Ägypt. Zeitschr. 40 (1909) S. 112ff. veröffentlichten demotischen
Ostrakon Straßburg Nr. 1845 ist der Name einer Göttin / S\ f genannt, dessen
Lesung mir erst jetzt geglückt ist, nachdem ich ihn besser erhalten auf zwei
anderen Scherben derselben Sammlung gefunden habe. In Nr. 1366 erscheint die
Gruppe als 1% 0. > m Nr. 1640 ais M(« • Danach besteht kein Zweifel an der
Umschrift , J) <=^ ß\ Rc-tlwj. Es handelt sich also um die Re-t-thüj (vokalisiert
l) = ^üw« im achmimischen Gau, das Gauthier, Bulletin de l'Institut Francais d'Archcologie
Orientale IV (1905) S. 73, mit dem heutigen Bassouna identifiziert hat. — 2) Er verweist auf Pap.
Oxy. 1187, 1273, 1277 CPR. 176.
1 2N W. Spiegelberg: Tvjjoi^wxic. [54. Band.
etwa Ra-towwe, gräzisiert etwa tRatus1) »die weibliche Sonne der beiden Län-
der«, die als Lokalgöttin von Hermonthis bekannt ist'2. Da die drei genannten
Scherben5 auf thebanischem Boden gefunden sind, wird man sich nicht wundern,
in ihnen einer in Hermonthis verehrten Gottheit zu begegnen.
Thiovxowgic;.
Von Wilhelm Spiegelberg.
Zju den theophoren Bildungen, die am Ende des Neuen Reichs zum ersten Male
auftauchen, gehören auch die, welche den Menschen als »Teil, Hälfte« des
Gottes bezeichnen4, einmal die Bildung ti pss-t n(t) n. d. »die Hälfte '' des Gottes*5«
und dann die sinnverwandte Namensbildung ti dnj-t n(t) n. d. »der Teil des Gottes«,
■-71 C ' — "3 *wv^a
z.B. Agypt. Zeitschr. 85 (181)7) S.15 Z. 24 ^<6v ™ ffS^ LDyn- 22l Rec- 18
(1896) S.IT^n0^^^ [Dyn. 92] Ti-dnf-t-n-Bst-t »der Teil der Göttin
_CT?5> /WWV\ I /WW\A Vj
Bubastis«, Kairo 22121 (Catal. general — Steles Ptolem.) ^^Q/* ^8% J
[ptol.] Dnj-Un-Enmw »Teil des Gottes Chnum«, Kairo 22051 ° Uft J^™$
[ptol.] T(j)rdn(j'f)(-n)-Hm »Teil des Gottes Atum«, ferner Ägypt. Zeitschr. 7 (1869)
S. 1347 ö()^> ® 1 J) [Dyn. 22?] ])><j(-t)-)t{t)-Qnsw »Teil des Gottes Chons«.
/VW\AA 1 /WV\M MWW T i l
Als Birch diesen Namen a. a. 0. bekanntmachte, vermutete er in dnj das erste
Bildungselement des Namens Tve-tyayßos, der inzwischen (Rec. 25 [1903] S. 190)
') Vgl. Somtüs aus Smi-tiwj. - -) Siehe dazu Sethe, Unters, z. alten Geschichte V S. 123
und 145 Anm. 2.
3) Inzwischen habe ich noch ein weiteres Stück in derselben Sammlung (Nr. 1774) ge-
funden, in dem ein
[Jmj(.y)\ wnw-t n Rc-üwj ti ntr-t [«•*(?)] »Horoskop (?) der Ra-töwwe, der [großen?] Göttin« er-
wähnt ist.
') Auch das n. pr. "%? 1 1 ^ ^ ^ Tij*f-dn(j-t) »sein Teil- (Rec. 36 [1914] S. 110) wird
theophor mit zu ergänzendem Gottesnamen zu erklären sein.
B) Zu dem Worte siehe jetzt Sethe, Zahlwörter S. 75 und 135.
D
'■) Statt vieler Beispiele nur zwei: q^\ q xrirN.Jl Legraiwj Repertoire S. 30 Nr. 46
-£E^ l_A\_] /wwv\ dl \Jli j-, /WWVA -
ng des X. R. nicht 18. Dynastie). Rec. travanx 30 (1908) S. 87 q^\ nn M P ^k
ynastie).
') Transactions Royal Soc. Literat. X (1874) S. 193 und Lieblein. Dict, noms hierogl. 1352.
U.uhI ö4.] K. Sethe: Die Bedeutung der Konsonantenverdopplung im Sahidischen. 129
eine andere Erklärung gefunden hat. Wir besitzen aber wirklich eine griechische
Wiedergabe des ganzen Namens in Thiqv%w<tig1.
Dabei ist dnj-t oder ti dnj-t durch rqi wiedergegeben mit demselben Abfall
des n. der auch nach dem überzeugenden Nachweis von Sethe (Zahlwörter S. 89)
in dem koptischen Derivat toc:toi vorliegt. Dabei lehrt der Wechsel von
3 dnj und tv_g tj-t, daß das n bereits am Ausgang des Neuen Reichs abgefallen
war, ein Befund, der ja von Sethe schon durch andere Belege festgestellt worden
ist. Die gelegentliche Nichtschreibung des Artikels beruht darauf, daß die bei-
den gleichen Konsonanten t zusammengezogen wurden", d. h. daß man statt
t-dnj-t nach dem Übergang der Media in die Tenuis tnj-t > ty\i sprach. Selt-
sam ist es, daß der koptischen Vokalisation oe:oi griech. v\i entspricht. Dazu
möchte ich an die Schreibung yivov für oivov3 erinnern und an die Wiedergaben
des n. pr. Pn-Gbg durch na,xo7ßig, Uuxvißxig und von Sbk-tfm durch Xvx&ToipLig, wo in
Evnjfu? auch die e -Vokalisation t/jju vorliegt, sowie an -xotyig neben kopt. RHne4.
Das genitivische ln ist unter der Einwirkung des folgenden 6 von -%w<rig zu
"n geworden mit der in den griechischen Transkriptionen so häufigen Vokal-
angleichung5. Danach dürfte es keinem Zweifel unterliegen, daß der Personen-
name Tv\iov%wv<nc auf Ti dnj't n Hnsiv «der Teil des Gottes Chons« zurückgeht.
Die Bedeutung der Konsonantenverdopplung im Sahidischen
und die Andeutung des s durch den übergesetzten Strich.
Von Kurt Sethe.
Aus der Verdopplung, die im sahidischen Dialekte die Konsonanten &, \, m,
ii, p nach einem betonten, in offener Silbe stehenden ? zu erfahren pflegen,
hat Erman den Schluß gezogen, daß auch die koptischen Wörter, in denen ein
anderer kurzer betonter Vokal scheinbar in offener Silbe steht, mit Verdopp-
lung des folgenden Konsonanten zu lesen seien, p^uje, das aus räSwet hervor-
gegangen ist, sei räsSe, eione, das aus jöpwet hervorgegangen ist, sei jöppe zu lesen6.
l) Wilcken, Ostraka Nr. 681. 686. 1014 und Pap. Par. 5 Col. 44. 8 (die letzten Stellen
verdanke ich einer freundlichen Mitteilung von Fr. Preisigke). -- 2) Sethe, Verbuin I § 58. Als
Beispiel einer griechischen Transkription nenne ich <PSoi/.wi>SYit; aus Pl-IV-Mnt »die 4 Montgötter«.
— 3) Mayser, Papyrusgrammatik § 15 S. 112. — 4) Siehe dazu Griffith, Rylands Pap. III S. 190
und 267 Anm. 7. — 5) VgL z. B. Sethe, Unters, zur alten Gesch. Agypt. II S. 62 Anm. 3, Sarapis
S. 8. — Genau einsprechende Beispiele für das genitivische °n sind Xot-o-jrc (Kl-n-P>-Rc), BoxovtvJiuq
(Bk-n-Tm). — 6) Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1912, S. 958 Anm. 3.' Agypt. Gramm. :! § 98. 405.
— Daß die Verdopplung des &, <V, m, n, p nach « die Unterlage für diese Auffassung ist. ist dort
nicht gesagt, mir aber aus persönlichen Gesprächen mit Erman bekannt.
Zeitsehr. f. Agypt. Spr., 54. Baiukv 1 '
130 K. Sethe: Die Bedeutung der Konsonantenverdopplung im Sahidischen. [54. Hand
Dieser Schluß geht von den Verhältnissen der deutschen Sprache aus, die
in der Tat einen kurzen betonten Vokal in offener Silbe nicht kennt und da,
wo ein solcher Vokal vorlag, entweder Dehnung desselben (z. B. Aristoteles,
aristotelisch. Philologe) oder Verdopplung des folgenden Konsonanten (z. B. Rasse,
Ratte) aufweist. Andere Sprachen kennen aber den kurzen betonten Vokal in
offener Silbe sehr wohl, ohne den nachfolgenden Konsonanten zu verdoppeln.
Vgl. griech. ijl&ols neben EAA>]v, croßoc neben l\x\xct, lat. sümi/s »wir sind« neben
summus »der Höchste«, catus »Katze«, änus »altes Weib« neben annus »Jahr«,
arab. katala I. neben kattala IL und katala III.
Die allgemeine phonetische Voraussetzung zu Erman's Schluß ist also nicht
zutreffend, dieser selbst unberechtigt. Er übersieht zudem ganz, daß jene Kon-
sonantenverdopplung im Sahidischen nur bei bestimmten Konsonanten und auch
da nur nach * eintritt und daß sie in diesem Falle nicht selten auch da er-
folgt, wo das r' keineswegs betont war (z. B. ppo, g\Xo, eMio, ppHT, it.uMA.ej)1
und wo also jeder Anlaß zu einer wirklichen Verdopplung des folgenden Kon-
sonanten fehlte. Wäre Erman's Schluß richtig, so sollte die Verdopplung nicht
bloß nach * bei &, \, m, n, p, sondern auch nach ä und 6 und auch nach e
bei anderen Konsonanten in der Schrift zutage treten. Dafür, daß sie das nicht
tut, müßte doch notwendigerweise ein Grund gefunden werden.
Tatsächlich ist die Verdopplung des & und der Liquiden im Sahidischen,
die eben nur auf den Fall, daß ein * vorangeht, beschränkt ist, offenbar eine
Erscheinung, die mit diesem Laute auf das Innigste verknüpft ist. Die Schluß-
folgerung, die daraus zu ziehen ist, bzw. die Erklärung, die dafür zu geben
ist, dürfte eine ganz andere sein.
Die Bezeichnung des dünn gesprochenen ', wie es sich im Sahidischen
besonders vor &, \, m, h, p statt des vollen e (e) einzustellen liebt, durch den
übergesetzten Strich, ist gewiß etwas Sekundäres gewesen. Dieser Strich wird
ein erst nachträglich in die sahidische Rechtschreibung eingeführtes Element
darstellen, gleich den hebräischen Vokalzeichen. Ursprünglich wird das dünne *
in geschlossener Silbe im Sahidischen gewiß ebensowenig in der Schrift be-
zeichnet worden sein, wie bei den Südslawen z. B. in Wörtern wie Srb (Serbe),
Trst (Triest). Man schrieb eben einfach &K, pjw., w, gu)T& für ffl, rgm, *n, höftb,
wie man auch uj für *s (»können«) und o*ycoujT, coiTn, ncopuj, cthm für wö&t,
söfip, pö~rgs, 'stem usw. schrieb.
Wo ein solches * aber in offener Silbe und zumal in betonter stand —
und das kam eben nur vor 6 und den Liquiden vor" — , hatte man, bevor der
') Besonders bemerkenswert ist das Wort -»Mio »demütigen«, das, aus d-hebjo entstanden,
das * ursprünglich in geschlossener Silbe hatte (wie tcRko, -eJwco), nun aber, da das i (altj) die
rein vokalisclie Aussprache i angenommen hat, in offener Silbe zeigt, wie die Verdopplung des k
erkennen läßt.
'-) Vor allen andern Konsonanten hielt sieh das betonte e in offener Silbe in der Regel
als volles e.
I>;m<l 54.] W. Spiegelberg: Koptische Kleinigkeiten. 131
übergesetzte Strich als Zeichen dafür eingeführt wurde, kein anderes Mittel,
die richtige Lesung anzudeuten, als daß man den auf das tY folgenden Konso-
nanten doppelt schrieb. fe\\e, gut/une, *rppe konnte man nur b'/e, hgme, Vre
lesen, nicht bh\ hme, tri oder gar 'btr, 'hm?. *tre, wie es mit einem &\e, gMe
(vgl. gjw.e »vierzig«), Tpe (vgl. Tpe »Geier«) geschriebenen Worte unfehlbar ge-
schehen wäre.
Da die oben S. 130 Anmerkung 1 besprochene Form nicht mehr thebjo ge-
sprochen wurde, mußte sie efe&io geschrieben werden, um richtig Wbiö aus-
gesprochen zu werden.
Die Konsonantenverdopplung nach c im Sahidischen würde, wenn diese
Anschauung zutrifft, demnach zunächst eine rein graphische Erscheinung ge-
wesen sein, nicht eine phonetische, für die sie auch Steindorff, Kopt. Gramm.2
§ Hl. 46, noch ansehen wollte. Inwieweit diese graphische Erscheinung dann
später etwa auch eine phonetische nach sich gezogen und eine wirkliche Ver-
dopplung des doppelt geschriebenen Konsonanten auch in der Aussprache zur
P'olge gehabt hat, stehe dahin.
Bemerkenswert ist jedenfalls das, daß überall da im Koptischen, wo eine
etymologisch begründete alte Doppelkonsonanz zu erwarten ist, der betreffende
Konsonant ebenso Avie im Altägyptischen und im Semitischen nur einfach ge-
schrieben und keineswegs verdoppelt erscheint, z. B. n*oge »Hälfte < passet
< passet, cä.tc| »ihn werfen« < satte/ (von crre < sTtet), tk&o »kühlen < d-kebbö.
Koptische Kleinigkeiten.
Von Wilhelm Spiegelbekg.
1. £H »Steinbruch«.
In meiner Veröffentlichung der Steinbruch inschriften von Gebel-Silsile1 habe ich
(S. 7 Anm. 7) kurz die Gruppe a—=»(l<?9^ hß't besprochen, mit welcher die de-
motischen Texte den »Steinbruch« bezeichnen. Sie sieht ganz wie das alte
Wort h-t kopt. £h:£h »Leib« aus und lehrt zum mindesten2, daß das alte "^ ^
hi4 »Steinbruch«, das die demotische Schreibung offenbar wiedergibt, die Aus-
sprache des Wortes »Leib« (also = £h:£h) hatte. Sonst würde man diese
demotische Gruppe nicht benutzt haben. Diese Annahme wird nun dadurch
2) Preisigke-Spiegelberu. Ägyptische und griechische Inschriften . . . aus den Steinbrüchen
des Gebel-Silsile. Straßburg 191ö. 2) Ich lasse also dahingestellt, ob nicht beide Wörter über-
haupt identisch sind, ob nicht etwa der .Steinbruch als »Leib. Bauch« des Gebirges gedacht wurde.
Diese Frage wird einmal das Wörterbuch zu beantworten haben.
17*
132 W. Spiegelberg: Koptische Kleinigkeiten. [54. Band.
als richtig erwiesen, daß sich ein Wort gH »Steinbruch«, wenn nicht alles täuscht,
tatsächlich noch im Koptischen nachweisen läßt. In Ri. (>, 2 heißt es in der
vortrefflichen Ausgabe von Sir Herbert Thompson von den vor den Midianitern
Schutz suchenden Israeliten ^tco ^Trr^.ueio h^v us'i nujHpe Mnicpd.H'X. £*.no'
jtui&,tfc!0<8tM nnoTcouj eT£ii mvroTreiH • .umiecnHA^iou • m«ji£h niyATcoite »x#i
c~QlYttj0LV SCtVTOlS Ol VIOl '\<jpoLYj?< U7T0 7rpo<7U)7TOV MoLOlcUJ. TOLQ Tp'Uy.CtXlOLQ TMS SV TOiq optGl Y.OLl TOL
g-yiAöliol y.ciL tu koz\xcl(J7cl. « Es sind demnach toi, y.pqjL&tGTcL »die Abhänge« od. ä.2 durch
i\£H itujdwT-tone wiedergegeben, d. h. »die £H des Steinbrechers«3. Das sieht
so aus, als habe man das mehrdeutige Wort £h: a) Leib, b) Vorderteil, c) un-
ortliographisch »Art« durch den Zusatz als »Steinbrecher-gH« bezeichnen wollen.
Jedenfalls liegt hier ein unserem »Steinbruch« oder ?,&otoimoc sp. AötrcjUtk, lapi-
cidina entsprechender Ausdruck vor, in welchem gH die Bedeutung des alten
h?-t »Steinbruch« hat. Der Kopte hat demnach den griechischen Ausdruck
rot y.psjxctdTol »die Abhänge« od. ä. frei durch »die Steinbrüche« wiedergegeben,
wenn er nicht etwa in seinem griechischen Texte ein Wort für »Steinbruch«4
vorfand.
2. caouT »Weber«.
Ludwig Stern hat (ÄZ. 16 [1878] S. 25 Anm. 2) in nencon nn^n^&iKTiop
nc^ujT den letzten Zusatz als »der Enthaltsame« gedeutet, offenbar weil er das
Wort von cooujt »continere, se continere« ableitete. Diese von Stern selbst
als zweifelhaft0 bezeichnete Übersetzung ist neuerdings von Thompson" als sicher
betrachtet worden, vielleicht deshalb, weil das von Stern seinem Übersetzungs-
vorschlag hinzugefügte arab. -**>\J\ zu der irrigen Meinung verführt hat, daß er
sich auf eine koptisch-arabische Skala stütze. Nun bezeichnen in den Grab-
inschriften, zu denen auch die von Stern zitierte koptische Inschrift des Va-
tikans gehört, solche Zusätze hinter dem Eigennamen in der Regel Berufe, z. B.
Sakkara Nr. 294 [n]n^n&. idJHoß neKoyr, 177 imcon gepe^m itckoot Miut>ift&.-
.ueon <5>&.MUje. So wird auch cä.ujt eine Berufsbezeichnung und wohl nichts
anderes sein als das Wort »Weber«, das freilich bisher nur in den Formen
cioge : cw^i und ujtit bekannt war, oder als cö^t- in der Form des Parti-
cipium conjunetum. Unsere Form c&.ujt »Weber« ist von sht *ciouje »weben« ge-
bildet wie pa^gT »Wäscher« von rht pcoge »waschen« ', es ist also eine Nisbe-
bildung auf / von dem männlichen Infinitiv 8$t8. Demnach existieren von sht
»weben« (cioge : co)£i) zwei verschieden gebildete Nomina agentis: 1. ujtit aus
') Lies £&.<£o;' *) Das Wort ist un«'£ XsyoiJisvov und in keinem der großen griechischen
\\ örterbücher verzeichnet. Das alte Sonderwörterbuch zu den Septuaginta von Schleusner erklärt
es als ..pendula inontiuin caeuinina«. 3) ujö^t- ist also die Form des sog. Partizipiums mit imper-
fektischer Bedeutung. Siehe Seihe, Verbum II § 958. — 4) Die überlieferte Variante hat xcti {lv)
to7s oyyowxccriv. - "') »scheint zu bedeuten«. r') Bei Quibell, Excavations at Sakkara IV S. 90
Anm. 2. -- 7j Vgl. Sethe, ÄZ. 44 (1907) S. 94. — 8) Siehe dazu Sethe, Verbum II S. 422 An-
merkung.
Band 54. | W. Si'ikgei.bekg: Koptische Kleinigkeiten. 133
*seä(h)titej\ d. h. der von mir Rec. trav. XVI (1804) S. 191" besprochenen No-
minalbildung, 2. ca>ujt aus *sas{h)t-j, der von dem Infinitiv abgeleiteten Adjek-
tivform auf j.
3. eß*i »Spitze«.
Im letzten Bande dieser Zeitschrift (53 S. 139 Anm. 7) habe ich das alt-
koptische T&dJiTioT als Umschrift von ® tpj dw*f erklärt. Dabei zeigt T&&.I
die von Sethe (ÄZ. 44 [1907] S. 93 ff.) behandelte Nisbeform wie £p^i:gpHi
»oben«, £p&.i:äpHi »unten«. Auffallend ist der Übergang der Tenuis p in die
Muta, der sich auch abgesehen von dem von Sethe (Verbum I § 213(7) er-
wähnten Fall (vor c^a d), z. B. in eie&- neben eien- (aus jp-t-) nacliweisen
läßt. Dieses T&dä »befindlich auf« gibt nun auch die Erklärung für das bisher
mißverstandene Wort e&*.i, das ich aus folgender Stelle kenne (Amelineau, Histoire
des monasteres S. 186): oiro£ ct^iu eßoX enepnv? ^nogi ep^ren jvhujXhA. otto^
it&.pe oiroit oTCRAen^pi e^enmeß^i itTe ^-jieTp^ irre üvftftes. Au\u<\p\ tc oto£
*aui^T £Hnne ic ovcnrWoc n^ptoM ^.qogi ep&.Tq js-swq eqepX^Miiiii oiro£
eq^MOire eAusiyco eqcoci e^pHi eTt^e »und als wir zu sieben herausgekommen
waren, standen wir da und beteten. Und es war ein Lichtschein (?)3 auf der Spitze
des Felsens (-n-erpu) des Abba Makarios und wir sahen hin, da stand eine Säule
(crTvXog) von Feuer auf ihr (seit, der Felsspitze), die leuchtete (Xdij.7reiv) und sehr
strahlte, indem sie sich zum Himmel erhob.« eisA.i kann in dieser Verbindung
kaum eine andere Bedeutung als »Spitze« haben, und die von Peyron s. v.
im Anschluß an Zoega, Catal. 651 Anm. 68 vorgeschlagene Bedeutung »cella,
spelunca« verträgt sich nicht mit der Präposition exen.4. Habe ich in eß^i
das Derivat von ® richtig ermittelt, so folgt daraus weiter, daß die bisherige
Lesung tp fiir »Kopf, Spitze« durch tpj zu ersetzen ist.
4. Der Berufsname ^ttuj.
Unter den von Sir Herbert Thompson herausgegebenen und bearbeiteten
koptischen Inschriften des Jeremiasklosters bei Sakkara befindet sich als Nr. 66 5
auf einem Kalksteinpfeiler das Gebet eines ^i^oeeoc mit dem von dem Her-
ausgeber unübersetzt gelassenen Zusatz rjjivimj". Ich glaube, daß dieser eine
Variante von n£fc.MUje darstellt und in dem ersten Teil die Nebenform £ä.it
') Ebenda I § 59.
2) Den dort gegebenen Beispielen füge ich noch hinzu | M{ ndtj »Schützer« (Erman,
Gramm.3 § 43(L4), <ffi>D^^K J\ u. varr. (Brugsch, Wb. III 922) %pwtj »Späher«. j| IU> blwtj
»Schafhirt« von bi »ovis longipes« (nach Loret, Faune momifiee). A'ielleicht ist "x.ooirr impurns
eine Bildung *(dswtj von o| K5^ ^ c-;' wie 2?°*"* »männlich« sicher auf cfawtj zurückgeht.
3) Das griechische Wort vermag ich nicht zu ermitteln. Es könnte o-«Xe(*j)7r«3«oi'(<?) od. ä. lauten.
— 4) Amelineau hat a. a. O. dem Sinne nach richtiger übersetzt »le devant du rocher«. — 5) In
Quibell, Excavations at Sakkara 1907 — 1908 (III) S. 48. — 6) Die Lesung ist von Thompson als
sicher bezeichnet.
134 W. Spiegelberg: Koptische Kleinigkeiten. [54. Band.
für £*m enthält, die auch aus £^Trnoirfe var. von gaamo'V&i mit Artikel t|»&.Tiiov&
(Krau., Kopt. Texte 11)9) »der Goldarbeiter« bekannt ist. Demnach wird ^ttuj
für n^MUje stehen mit Abfall des auslautenden e und »Zimmermann« bedeuten.
5. <xcopM (S.):^uipcM (B.) »winken« im Altägyptischen.
Wie auch heute noch das koptische Derivat eines ägyptischen Wortes das
Verständnis eines altägyptischen Textes fördern kann, mögen die folgenden Aus-
führungen zeigen. In dem Kap. 22 der Sarkophagtexte (ed. Lacau, Rec. 29, 145)
verspricht Horus dem mit Osiris identifizierten Toten u. a. :
»Ich gebe dir deine beiden Füße,
Du gehst und bewegst schnell (?) deine Sandalen.
Ich gebe, daß du läufst mit dem Südwind,
daß du eilst wie der Nordwind.
I
r
J\ ° s W> <=:> K>V -^^~ AAAAAA
Dein Gang ist wie1 der Blick des Gesichtes.
Eile wie das Zwinkern des Auges!«
In den letzten Sätzen soll offenbar die Schnelligkeit des Gehens geschildert
werden, und dazu werden Vergleiche gebraucht. Der Verstorbene geht so schnell
wie der Wind oder wie das Auge sieht. Was ist nun ~ v\ j®>-w^ das
a :j_m^ a I
ich durch »Zwinkern des Auges« übersetzt habe? Ich glaube, daß uns hier
das Koptische auf den richtigen Weg hilft. Dort heißt das Verbum »winken«
«xcopM : srcopeM »nuere« und steht nicht selten in bezug auf das Auge, wie die
folgenden Beispiele lehren, die ich Lemms Alexanderroman S. 101 entnehme:
Psalm 84, 19 »ctmoctc mjwoi ivxiivxh eTxojpM imeir&iv?V : «He^MOc^ mmoi
traiiraH ev^üipeM £eimoirfed».\ »oj fjLicrovvTeg jus Swpeav xul SiavevovTsg ccp^-otXfxoig«. ;
Fragm. Golenischeff "XtopM gn neq&evX »mit seinen Augen zwinkern« ; Jes. 3, 16
A.TTMOOUje gMUCTTM^K^ eq^OCC M« OTKIAi IlÄdvX : iMTMOUJI £€It £Ä.nttdwg&I €lT£OpUJ
neu oevitS'topeM M&&A. »xotl E7rcpev§vi(7o(,v v-^/yiXu) Tpur/j\kw xou ev vvj\xcl<jiv o(p§a\iJ.w « ;
Prov. 6, 13 ueoq ^e cm ujA.q^iopeM ntieq&Ä.?V. »o frctvTog ivvevei ocpS-uXfjLui«.
Das Prototyp dieses koptischen Verbums haben wir, wenn mich nicht alles
täuscht, in dem Sarkophagtexte vor uns. Nur muß man statt °~~" ^\ -*®~ , dessen
zweiter Konsonant in dem einen der beiden überlieferten Texte von Lacau als
zweifelhaft gegeben ist, ° It^-^- trm lesen mit einer Änderung, die vielleicht
der hieratischen Vorlage entspricht, in der o und <c=> ja oft gar nicht zu unter-
scheiden sind. Das koptische Derivat «xcopM : ^copcu entspricht auf das ge-
naueste dem altäg. trm. Sahid. «x : boh. <3 sind bekanntlich die Konsonanten, die
') rin der Bedeutung "gemäß«: oder vielleicht noch besser, wie mir Skthe vorschlägt, »Dein
Gang ist schneller als der Blick des Gesichtes. Eile schneller als das Zwinkern des Auges!«
Band 54.] W. Spiegelberg : Koptische Kleinigkeiten. lo5
altäg. s=> t voraussetzen. Das Wort ist übrigens auch demotisch als 1 1 _£=&
[^ ^lj Mythus 982 und 1 1 _Äsa 1 1\ *& Pap. Krall N. 1 zu belegen.
Dieses " v\ -^5- trm » winken, zwinkern, blinzeln« liegt zweifellos auch
Totb. 125. 26 vor. Wenn eine einzelne Variante des Totenbuches (ed. Na villi.)
und die demotische Version1 daraus ein Kausativum von rmj »weinen« machen,
so beweist das nur, daß spätere Schreiber mit dem seltenen und an der betreffen-
den Stelle nicht leicht verständlichen Wort nichts anzufangen wußten. Denn ein
Präfix t als Kausativbildner ist nicht bekannt, Was aber die Unschuldsbeteuerung
jener Totenbuchsteile ^s^~~^ f\ ,$^_v& in (?) trirnj »nicht habe ich gezwinkert«
bedeutet, ergibt sich aus einem dritten Beispiel, das ich den Sammlungen des
Berliner Wörterbuches entnehme. In dem Grabe des Tij zu Theben (Abschrift
von Sethe) findet sich unser Wort in folgender Verbindung
J*:
i £i
~a I
J»
U=fl
/WwV\A
/VWW.
J <0«
»nicht habe ich mit der Hand zugewinkt.
i^v
nicht habe ich mit dem Auge zugeblinzt.
nicht habe ich .......
nicht bin ich parteiisch gewesen.
nicht habe ich getan, was der Gott verabscheut. «
Wie mir Hr. Geheimrat Erman bemerkt, dem ich die Stelle verdanke, zeigt
die Zusammenstellung mit ^^f^^^' "Zeichen geben« (vgl. Pap. Koller 2, 5)
und nmc »parteiisch sein" « (vom Richter) deutlich, daß vom bestechlichen Richter
die Rede ist. Daher wird trm »zublinzen« irgendwie ein ungehöriges Verhalten
des Richters bezeichnen, der etwa durch Zeichen mit Hand (>rt m d-t) oder
Auge (trm) eine Partei zu beeinflussen sucht. Und das wird auch der Sinn im
Totenbuch sein, wo die Varianten ^n (?) trm=j Jcj und >n (?) V=/ trm r Jcj »nicht habe
ich einem anderen zugeblinzt« bedeuten werden »nicht habe ich mich mit einem
anderen (vor Gericht) durch Augenzwinkern verständigt«, sei es, daß an den
Richter gedacht ist wie in der Inschrift des 27/-Grabes, sei es an die vor Gericht
stehende Person. Vielleicht gibt eine Übersetzung wie »nicht habe ich einen
Zeugen vor Gericht beeinflußt« den ungefähren Sinn der Totenbuchstelle wieder.
') Siehe Brugsch, Wh. III S. 857 und Lexa, Demot. Totenh. I 32. — *) Zu dieser Bedeu
tunuj. s. Gabdiner, Journal <>f Eg. Arch. I (1914) S. '2li Anm. und 106.
136 Miszellen. [54. Band.
Miszellen.
'a imf-t, Name des Steinbockweibchens — I 1t 'o sm?-i, Name
der Wildkuh. — F.W. von Bissing hat ÄZ. 53, 148 in einer Miszelle «Über die
Verwendung von Musterbüchern im Alten Reich« auf Grund einer bei Klebs,
Reliefs des Alten Reichs S. 63 abgebildeten Darstellung aus dem Sonnenheiligtum
von Abu Gorab vermutet, daß das Wort (1 1} 'o , das bei Davies, Ptahhetep II 19
AA/VWA
statt des gewöhnlichen A^K (volle Form nrl-w) als Benennung des Steinbocks er-
scheint, in I ~p a zu korrigieren sei und dort nur durch ein Versehen des Künstlers
zu dem Bilde des Steinbocks gesetzt sei. Diese Vermutung ist indes irrig. Die
Namensform imi4 und ihre Anwendung auf den Steinbock wird durch Steindorff,
Grab des Ti, Tafel 128 (Brugsch, Gräberwelt 10) gestützt. Nach dieser Stelle
ist es wahrscheinlich, daß wir in dem Worte die besondere Benennung für das
Weibchen des Steinbocks zu erkennen haben; denn dort lesen wir: tyri(Vc^
»das Herbeibringen eines weiblichen Tieres, einer tm?-i« über einem
weiblichen, von seinem Jungen begleiteten Tier mit Steinbocksgehörn.
In der nächsten Reihe desselben Wandbildes ist ein männlicher Steinbock ab-
gebildet, der die Beischrift Alk hß hat. Bestätigt wird dies durch eine Darstellung
in Benihassan (Newberry II 4, dazu Champollion, Not. descr. II 360, Lepsius,
Denkmäler, Text II 96), wo ein Steinbockweibchen mit der Beischrift (1 1? a von
einem Männchen mit der Beischrift <=m> nrhw srefolg-t ist.
Der Pluralis des Wortes im$-t findet sich, determiniert mit drei Stück ver-
schieden gehörnten Wüstenwildes, deren erstes wieder ein Steinbock zu sein
scheint, in dem religiösen Texte Petrie, Dendereh pl. 37 A, 1. 189 erwähnt.
Hiernach scheint das Wort neben seiner speziellen eigentlichen Bedeutung Stein-
bockweibchen auch eine allgemeinere Verwendung für die Weibchen anderer
Wildarten gehabt zu haben, ebenso wie im Deutschen die Wörter Kuh, Bulle
bzw. Bock, Kalb nicht nur speziell das weibliche Rind, die männliche Ziege,
das Junge des Rindes bezeichnen, sondern auch allgemein zur Bezeichnung von
Weibchen (Hirschkuh), Männchen (Elefantenbulle, Rehbock) und Jungen (Reh-
kalb) anderer Tierarten verwendet werden.
Das in dem Relief von Abu Gorab abgebildete Tier ist die »Wildkuh« sm!-l,
die in den Pyramidentexten sooft als göttliche Mutter des toten Königs genannt
wird (Pyr. 388. 389. 729. 1370. 1566. 2003), während der Name des Männchens,
smi der »Wildstier«, als Bezeichnung des toten Königs selbst bzw. des Osiris
(Pyr. 481. 486. 625. 913. 944. 998. 1145. 1477) oder seines göttlichen Vaters
Band 54.] Miszellen. 137
(Pyr. 201. 809) vorkommt. Nach Pyr. 1124 ist dieser Wildstier das Tier, dessen
Füße, in Elfenbein nachgebildet, die königlichen Möbel (Stuhl und Bett) der
ältesten Zeit schmückten. Es ist dasselbe Tier, auf das Amenophis III. nach dem
Bericht eines seiner Skarabäen Jagd machte (Proceed. 21, 155). Der Name sm?
scheint nach den Schreibungen der Pyramidentexte mit dem Wortstamme *m/
»töten« zusammenzuhängen. Er findet sich später im Neuen Reich denn auch
mit der zweifellosen Bedeutung des »Opfers« (victima), z. B. in der »poetischen
Stele« Thutmosis' III. (Urk. IV 616): »als Rächer auf dem Rücken seines Opfers
(~^\7pp^ )«; vgl. dazu Pyr. 1544. 1977.
In diesem ///?/-Tiere glaubte Schweinfurth seinerzeit, als er mit mir die
soeben im Berliner Museum eingetroffenen Reliefs aus dem Sonnenheiligtum von
Abu Gorab (darunter auch das obenerwähnte) betrachtete, das Hartebeest zu
erkennen. Dagegen bestanden indessen schwere Bedenken. Das Hartebeest, die
Kuhantilope mit dem leierförmigen Gehörn, ägypt. X MCpTl^v V $s*'w (kopt.
ujotu). zoologisch Bubalis bubalis genannt, wird davon in den ägyptischen Bildern
deutlich unterschieden. Sie ist viel schlanker gebaut als unser Tier, das weit
mehr einem Rinde als einer Antilope ähnelt und auch kürzere und weiter aus-
einanderstehende Hörn er, eben wie ein Rind, hat. Vgl. insbesondere die Dar-
stellung Newberry. Benihasan II 14, wo ein solches ganz wie ein Stier aus-
sehendes Tier in der Wüste mit dem Lasso gefangen und mit Pfeilen erlegt
wird. Ebenso schon in dem großen Jagdbild aus dem Pyramidentempel des
Sahurer (Borchardt, Sahure^ II Blatt 17). Hilzheimer hat in der eingehenden
Untersuchung, die er diesem letzteren Bilde gewidmet hat (ebenda, Text S. 173),
wahrscheinlich gemacht, daß wir in unserem Tiere den afrikanischen Ur zu er-
kennen haben. Mit dem Rinde setzen es ja auch die ägyptischen Texte in Par-
allele (z. B. Pyr. 1544. 1977), in denen es wie der Stier als Bild der Kraft
erscheint.
Eine charakteristische Eigentümlichkeit des imj'-Tieres scheint es gewesen
zu sein, daß es im Stehen den Schwanz zwischen die Beine »eingekniffen« trug;
so zeigen es, mit einziger Ausnahme von Davies, Deir el Gebrawi I pl. 11, alle
mir bekannten Darstellungen der älteren Zeiten, das Ideogramm ^yQ , das den
Namen des Tieres in den Pyramidentexten begleitet (Pyr. 201. 2ro2. 389. 481.
486) \ sowohl wie die noch unveröffentlichten Reliefs von Abu Gorab, wie auch
die Jagdbilder von Benihassan (Newberry, I 13. 30; II 13. 14. 29); in dem Bilde
des Sahure^-Tempels ist das Hinterteil des Tieres beide Male nicht erhalten. Wo
das Tier dagegen sitzt (Benihassan I 30, verwundet) oder liegt (in der oben zitier-
ten Stelle aus der poetischen Stele Thutmosis' III.) streckt es den Schwanz in
eigenartiger Weise steif von sich.
') Nicht so in der Inschrift des Jagdskarabäus Amenophis" III. (Proceed. 21, 155) und in der
Inschrift des Admirals Amosis von Elkab (Urk. IV 2), wo das Wort in dem Namen eines Schiffes
vorkommt. Hier steht einfach das gewöhnliche Zeichen des Stieres.
Zeitsclir. f. Ägypt. Spr.. 54. Ran.l. 18
1 38 Miszellen. [54. Rand.
Wie Bissing bei der kalbenden hn?-t-K\ih auf dem Relief von Abu Gorab
an die Mendesantilope (Addax nasomaculata) denken konnte, die doch längst und
auch in seinem eigenen Werke »Die Mastaba des Gemnikai« (I S. 36) richtig
mit dem ägypt. ^ nwd-w genannten Tiere identifiziert ist (vgl. jetzt auch Hilz-
heimer bei Borchardt, Sahurer II Text S. 175), ist mir unerfindlich. K. Sethe.
Die sogenannten Nilgötter mit den Wappenpflanzen der beiden
Länder. — Im Text zu Borchardts Grabdenkmal des Sahu-rec II S. 103. 108/9
habe ich im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung1, aus Gründen, die mir zwin-
gend schienen, die »Nilgötter«, welche die Wappenpflanze von Ober- oder Unter-
ägypten auf dem Kopfe tragen, für Personifikationen dieser beiden Landesteile
selbst erklärt. Wie ich sehe, haben Gauthier und Jequier, Fouilles de Licht
(Mein. Inst, frang. VI) S. 25 bereits vor mir dieselbe Erklärung gegeben.
Bei ihnen findet sich auch der Beweis für die Richtigkeit dieser Deutung.
Auf einer der Statuen Sesostris' I. a. a. 0. S. 33 werden die beiden mit den
Wappenpflanzen geschmückten »Nilgötter«, die dem Könige, wie üblich, zusammen
die Vereinigung der beiden Länder symbolisch vollziehen, in ihren Beischriften
geradezu *1* \\© (var. ===lLJ »Oberägypten« und oo< %>© »das unterägyp-
tische Land« genannt.
Entsprechend sind auf der von Maspero, Musee egyptien II Taf. 15 (Text
S. 42) veröffentlichten Statue Amenemmes' III. die Reden, die die dort ohne die
Wappenpflanzen dargestellten beiden »Nilgötter« bei dieser Handlung des Ver-
einigens der beiden Länder an den König richten, eingeleitet durch die Worte:
^li /WWVA*k I A T »Rede Oberägyptens, das alles Leben gibt«.
I^ (1 am™ y~ ~* °<=>\ ^ A T »Rede des unterägyptischen Landes, das alles Leben
gibt«.
Also auch hier sind die beiden »Nilgötter« deutlich als die beiden Länder
selbst bezeichnet. Das schließt natürlich nicht aus, daß anderwärts auch Per-
sonifikationen des Nils wie andere, ebenfalls wie »Nilgötter« ohne die Wappen-
pflanzen dargestellte Personifikationen (z. B. Sß und Hw) die Vereinigung der
beiden Länder vollziehen (Gauthier-Jequier a. a. 0. S. 34). K. Sethe.
Drei Thuerisfiguren des Berliner Museums. — Das hierneben als
Abb. 1 dargestellte Figürchen der Göttin Thueris ist im Jahre 1913 aus dem
Nachlaß des englischen Sammlers M. Kennard für die Ägyptische Abteilung der
Königlichen Museen erworben. Es trägt die Inventarnummer 20599, ist 4,4 cm
hoch und leidlich sauber aus Lapislazuli geschnitten. Die Göttin ist, wie ge-
') Der sich auch Borchardt ebenda S. 4] anschloß.
Band 54.]
Miszellen.
189
wohnlich, als aufrecht stehendes trächtiges Nilpferd dargestellt, die Vordertatzen
hängen herab. Auf dem Scheitel trägt sie eine 9 mm hohe goldene Doppelfeder-
krone. Die Figur hat keine Öse auf dem Rücken, sie ist also
nicht als Amulett getragen. Dafür befindet sich unter den
Hinterfüßen ein kurzer Zapfen zur Befestigung in der jetzt
fehlenden Basis. Durch diesen Zapfen ist senkrecht zwischen
den Hinterschenkeln ein zylindrisches Loch in den Unterleib
gebohrt, die Bohrung ist durch ein 3 mm dickes, aus Gold-
blech zusammengebogenes Röhrchen ausgefüllt, das einige Fa-
sern eines Leinengewebes enthält. Gewiß sind dieselben dem
Gewände einer werdenden Mutter entnommen, die sich durch
die Stiftung dieser Gabe den Beistand der Göttin für ihre Ent-
bindung sichern wollte1.
Durch das eben besprochene Figürchen wird auch eine
andere, aus Holz geschnitzte Thueris-
figur (Berlin Inv. 19650, Abb. 2) ver-
ständlich. Die Göttin ist in gleicher Hal-
tung dargestellt, den Scheitel schmückt
die aus dem Sonnendiskus und Kuhhör-
nern gebildete Krone. Der Leib ist weit
ausgehöhlt, die aus einem andern Holzstück gefertigte
Bauchdecke fehlt jetzt, sie war wohl nach Einfügung des
Gewandstücks eingeleimt. Das ziemlich roh gearbeitete
Figürchen ist 7 cm hoch.
Zu diesen Weihgeschenken an die Göttin Thueris ge-
hört schließlich wohl auch die bei Borcharot, Das Grab-
denkmal des Königs Sahurec Band 1 S. 130 als Abb. 177
wiedergegebene Fayencefigur Berlin Inv. 19791 (Höhe
jetzt 6,5 cm). Dieses Mal ist die Göttin säugend darge-
stellt, die rechte Tatze hält die linke Brust. An Stelle der
Warze befindet sich eine runde Öffnung, die mit einem
Hohlraum im Innern der Figur in Verbindung steht; füllte
man diesen mit Milch, so mußte sie aus der Brust der
Göttin herauströpfeln. Gewiß hat sich die Stifterin durch
die Darbringung dieser Figur reichliche Nahrung für ihren
Säugling sichern wollen.
Georg Möller.
Abb. 1.
') Den Zweck derartiger Weihgeschenke hat H. Gressmann in seinem Sehriftchen »Palästinas
Erdgeruch in der israelitischen Religion« (Berlin 1909) S. 1*2 trefflich mit folgenden Worten prä-
zisiert: »Das ist kein Opfer und nie ein Opfer gewesen, sondern das Stück vom Kleide ist ein
stellvertretender Ersatz für die Person des Verehrers, der sich damit in den Schutz des Gottes
oder des Heiligen begibt und ihm die Sorge für sein Geschick anvertraut. «
18*
Uli MiszeUen. [54. Band.
Das Heiligtum der zwei Brüder in Oxyrhynehus. — In Pap.
Oxyrh. II Nr. 254 ist ein iepov Ai/'o. \$ek(pov (lies 'ASeXtyoov) 'Aeyöfxevov erwähnt, das
in der Nähe des Serapeums von Oxyrhynehus lag. In den »beiden Brüdern«
wollten die Herausgeber (Irenfell-Hunt die Dioskuren sehen, eine Annahme,
gegen die sich das schwere Bedenken erheben läßt, daß diese Bezeichnung des
griechischen Götterpaares sonst nicht nachweisbar ist1. Unter diesen Umständen
liegt die Frage nahe, ob diese »zwei Brüder« nicht dem ägyptischen Pantheon
angehören können, und sie läßt sich bejahen. Ich habe vor längerer Zeit in
meinen demotischen Studien I (1901) S. 35 auf eine Gruppe von Personennamen
hingewiesen, die 2, 3, 4 Brüder oder allgemein den Plural »die Brüder«
nennen, und die Vermutung ausgesprochen, daß in diesen »Brüdern« Götter-
bezeichnungen steckten. Ja, in einem Falle konnte ich durch die Kmendation
XsfAGrvetag TrpotyqTyg »Prophet des Gottes Xef/.<rvevg (d. i. 3 Brüder)«2 den Beweis
erbringen, daß die »3 Brüder« eine Gottheit bezeichnen. Daß das auch für die
»2 Brüder« gilt, erweist jetzt eine zuletzt bei Preisigke, Sammelbuch Nr. 5827
abgedruckte, aus Euhemereia stammende Inschrift, die ein iepov VocrvoLVTog xou
Ylvecpeporog y.ui Xo^nog Sewv Kpozo&eiAwv nennt. Der erste Gott '¥o(7vxvg (== kopt.
nconcnMf, mit der bekannten Angleich ung des n an das folgende s) bedeutet
»die 2 Brüder«. Nach der Inschrift war er ebenso wie Wevetyepwg »der Schön-
gesichtige« (= der Gnädige?"5) und Xo^ig, eine auch sonst4 bekannte Form des
Sobk = Xov%og, ein Krokodilsgott. Welche mythologische Spekulationen hinter
diesen Brüdernamen stecken, die vielleicht alle besondere Gestaltungen des
Krokodilsgottes des Fajum bezeichnen', lasse ich dahingestellt. Aber so viel
scheint mir sicher, daß die Au'o 'A$e?,<poi des Pap. Oxyrh. 254 die griechische
Übersetzung*' des eben besprochenen ägyptischen Gottes ypo<rvuvg »die 2 Brüder«
sind und nichts mit den griechischen Dioskuren zu tun haben. W. Spiegelberg.
Tretmaschinen zur Bewässerung im alten Ägypten. — Im letzten
(53.) Bande der Zeitschrift, S. 113, hat Spiegelberg den Text einer Berliner Toten-
figur (10814) aus dem Anfang des Neuen Reiches so gedeutet, daß er darin die
Arbeit an den beiden heutigen Bewässerungsmaschinen, derSäkjeunddemSchädüf,
genannt fand.
r) Sie fehlt z.B. in Bethes Zusammenstellung bei Pauly -Wissowa unter «Dioskuren«. Der
Name wäre höchstens, wie mir mein Freund Reitzenstein bemerkte, bei Dichtern und Rhetoren.
aber nie im offiziellen Tempelkult denkbar. - 2) Derselbe Titel liegt vielleicht in einem hiero-
glyphischen Mumienschild, Demot. Studien I, S. 17 (== Möller, Mumienschilder Nr. 75) vor. —
3) Damit wird die kürzlich von H. Junker geäußerte Ansicht widerlegt, daß n/r hr nur vor
menschlich gedachten Göttern steht. Zu der Übertragung »gnädig« s. Ägypt. Zeitschr. 53 S. 115.
— 4) -ou£»e (Archiv f. Papyruskunde IV S. 559). Vgl. auch das n. pr. Ucc-c'^iq, Brit. Museum II
(Index). — B) Steidnorff sprach die hübsche Vermutung aus, daß diese »Brüder« die in einem
heiligen Teiche gehaltenen Krokodile sein könnten. Vgl. dazu P. Teb. I Nr. 33 und die dort von
Grexfell-Hunt angegebene Literatur. — 6) Dazu vgl. das n. pr. T ota&b.tpri, Demot. Studien I S. 54
Nr. 394, das Xeixrysvg »drei Brüder« übersetzt. In dem Beinamen TgucSelcpos eines Kotvsvs, Pap.
Brit. Museum II (Index) liegt eine ungenaue Übersetzung vor.
Band 54. | Miszellen. 1-41
Das Schäduf können wir in mehreren Abbildungen bis in die 18. Dynastie
surückverfolgen. Ein bisher noch unveröffentlichtes Bild ist in Berlin, 14410;
es stammt von einer Mumienhülle römischer Zeit1.
Ob die Deutung des sMw-t der Berliner Inschrift auf die Sakje richtig ist, lasse
ich dahingestellt. Ich war bisher geneigt, sie von vornherein abzulehnen. Denn
wir hatten ja keine archäologische Spur, die uns berechtigte, eine andere Schöpf-
maschine als das Schäduf so früh schon als bekannt anzunehmen.
Nun erwähnte in diesen Tagen mir H. Gressmaxn die Deuteronomium-
stelle 11. 10, die nach der Übersetzung von K. Marti bei Kautzsch3 lautet:
»Denn das Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen, ist nicht
wie das Land Ägypten, aus dem ihr weggezogen seid, das du. wenn du es
mit deinem Samen besät hattest, Avie einen Gemüsegarten [durch] mit deinem
Fuße [getriebene Schöpfräder] bewässern mußtest.
Das Land, in das ihr hinüberzieht, um es in Besitz zu nehmen, ist ein
Land mit Bergen und Tälern, das, wenn der Regen vom Himmel fallt, Wasser
trinkt, ein Land, für das Jahve, dein Gott, Sorge trägt« usw.
Es soll damit gesagt werden, wieviel leichter der Landmann es im Lande
der Verheißung habe. Marti fügt als Erklärung richtig hinzu: »In Ägypten
fällt kein Regen. Die künstliche Bewässerung, die man in Palästina nur bei
Gemüsegärten anwenden konnte, muß dort überall in die Lücke treten.« Ich
würde lieber »anzuwenden brauchte« gesagt und in den erläuternden Klammern
der Übersetzung statt des Ausdrucks »Schöpfräder« Arorsichtiger »Schöpfwerke«
od. ä. gebraucht haben, denn es ließen sich ja immer noch andere Tretwerke
als gerade Räderwerke denken, obgleich die wohl am nächsten liegen.
Immerhin ist die Stelle, die gewiß manchem archäologischen Fachgenossen
ebenso unbekannt sein wird, wie sie es mir gewesen ist, wichtig, da sie uns
aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. ein mit Füßen zu tretendes Hebewerk als
Kennzeichen des ägyptischen Ackerbaues kennen lehrt. Die Säkje mit ihrem
von Rindern getriebenen Zahnradwerk ist damit immer noch nicht als alt nach-
gewiesen, aber ich müßte jetzt doch eher die Möglichkeit zugeben, daß auf
der allerdings um mehr als ein halbes Jahrtausend älteren Berliner Totenfigur
wenigstens irgendeine Radschöpfmaschine gemeint sein könnte.
Bei den Deuteronomiumversen denkt man in gewisser Beziehung an die ägypti-
schen Stellen, wo die Völker nach der Art, woher sie ihr Trinkwasser nehmen, un-
terschieden werden (vgl. Brugscü, Ägypt. Zeitschr. Bd. 2 [1864], S. 25). Auch im
großen Hymnus von Teil el-Amarna ist »der Nil am Himmel«, der als Regen herab-
steigt, für die Fremdländer da, der Nil, der aus der Tiefe kommt, für Ägypten.
Im übrigen beleuchtet das Ganze wieder einmal, wie dicht unsern Augen
das wirkliche Leben des späteren Ägyptens dadurch verhüllt ist, daß aus den
Gräbern des ersten Jahrtausends v. Chr. alle weltlichen Darstellungen verschwin-
den. Nur durch einen Zufall hören wir aus einer ausländischen Quelle von einem
sehr wichtigen alltäglichen Gerät des ägyptischen Bauern. H. Schäfer.
*) Der Mann steht dort auf (an) der Beetreihe.
142 Adolf Rost y. [54. Band.
Adolf Rost,
geboren 5. August 1858 — gestorben 15. April 1918.
Am lö. April verschied nach schwerem Leiden in Naunhof bei Leipzig
Adolf Rost, der fürsorgliche Verleger unserer Zeitschrift. Fast 40 Jahre,
nachdem er 1879 in das väterliche Geschäft eingetreten war, hat er seine
ganze Kraft der J. C. HiNRicHs'schen Buchhandlung gewidmet und seit dem
1896 erfolgten Tode seines unvergeßlichen Vaters Hermann Rost die Ge-
schäfte des Verlages ausschließlich geleitet. Was er in dieser langen Zeit in
unermüdlicher Tätigkeit für die Ägyptenforschung geleistet hat, bedarf
kaum besonderer Erinnerung. Die meisten wissenschaftlichen Werke der
deutschen Ägyptologen, zahlreiche Veröffentlichungen ausländischer For-
scher hat die J. C. HiNRicns"sche Buchhandlung unter der Führung Adolf
Rosts in bester äußerer Gestalt auf den Büchermarkt gebracht. Zu den
Werken der älteren Vertreter unserer Wissenschaft, der Brugsch, Dümichen,
Lieislein, Mariette u. a., die der Vater verlegt hatte und die unter dem
Sohne in der Veröffentlichung des LErsiusschen Denkmälertextes ihren
klassischen Abschluß fanden, gesellten sich die Arbeiten einer jüngeren
Generation : Sethes Verbum und Pyramidentexte, die zahlreichen demo-
tischen Arbeiten Spiegelbergs, Möllers ägyptische Paläographie und hiera-
tische Lesestücke, Schäfers Nastesen, Wreszinskis Textpublikationen und
sein kulturgeschichtlicher Atlas, Crum-Steindorffs koptische Rechtsurkun-
den, die von Carl Schmidt herausgegebenen koptischen Texte u. a. m.
Ein besonderes Verdienst erwarb sich Adolf Rost aber dadurch, daß er
sich entschloß, die großen fortlaufenden Publikationen unserer Wissen-
schaft in seinen Verlag zunehmen: die » Veröffentlichungen der Deutschen
Orient-Gesellschaft«, in deren stattlicher Reihe die Bände Borchardts über
die Ausgrabungen von Abusir und Teil el-Amarna eine Hauptstelle ein-
nehmen, die »Veröffentlichungen der Ernst von SiEGLiN-Expedition«, Sethes
»Untersuchungen zur Geschichte und Altertumskunde Ägyptens«, die »Ur-
kunden des ägyptischen Altertums«, »die Hieratischen Papyrus aus den
Königlichen Museen zu Berlin«, Gardiners »Egyptian Hieratic Texts«,
Reisners Veröffentlichungen der Ausgrabungen der University of California
— und wie leicht ließe sich diese lange Liste noch vermehren, um Zeug-
nis abzulegen von dem rastlosen Wirken des Verlegers.
Adolf Rost gehörte nicht zu den Verlegern neuen Schlages, denen
das Buch nur eine Ware ist; er stand zu jedem, auch dem kleinsten
Buche, das er herausgab, in einem persönlichen Verhältnis. Bedacht-
Band 54.] Adolf Rost f. 143
sam und vorsichtig abwägend, entschloß er sich nicht schnell für ein
neues Verlagswerk ; war er aber von der Güte der Arbeit überzeugt und
konnte man ihm zeigen, wie wertvoll und wichtig sie für die Wissen-
schaft sein werde, so überwand er jedes geschäftliche Bedenken und
nahm sich des Buches mit warmer Teilnahme an. So hat er, getreu den
alten Überlieferungen seines Hauses, als Verleger das Beste für unsere
Wissenschaft geleistet; dankbar wird die deutsche und die ausländische
Ägyptologie dieses ihres buchhändlerischen Vertreters stets gedenken und
Adolf Rost ein ehrendes Gedächtnis bewahren. G. St.
1 44 Erschienene Schriften. [54. Band.
P^rschienene Schriften.
Thomas George Allen, Horus in tue Pyramid Texte (Doktordissertation der Universität Chicago).
Chicago 1916. ■ — Besprochen von Gunn, Journ. Eg. Arch. 3,287.
Oric Bates. The Eastern Libyans. XXII und 298 S., 12 Taf. und 100 Textabi). London 1914.
— Vgl. die ausfiihrl. Besprechung von Pect im Journ. Eg. Arch. 1,303 — 304.
Edward Bell. The architecture of Ancient Egypt. an historical outline. London 1915.
M. W. Blackden. The ritual of the mystery of the judgemcnt of the soul, from an ancient Egyptian
papyrus, translated and edited. London.
A. M. Blackman. The temple of Derr (Les temples imnierges de la Nubie). 131 S. und 71 Taf.
Kairo 1913.
- — . The temple of Bigeh (Les temples imnierges de la Nubie). 72 S. und 43 Tai'. Kairo 1915.
— , The rock-tombs of Meir, I. II. III (Bd. 22—24 des Arch;eological Survey of Egypt.) I: The
Tomb-chapel of Ukh-hetep"s son Senbi. 41 S., 33 Taf. - - II: 46 S., 35 Taf. — III: 36 S..
39 Taf. London 1914/15.
P. A. A. Boescr, Beschreibung der ägyptischen Sammlung des Niederländischen Reichsmuseuins
der Altertümer in Leiden. — IX. Mumiensärge des Neuen Reiches^ Zweite Serie. Pol. IV
und 8 S. mit 17 Abb. auf 1 Farben- und 11 Lichtdrucktafeln und 31 Fig. im*Text. Haag 1917.
— , Beschrijving van de Egyptische Verzameling in het Rijksmuseum van Oudheden te Leiden.
— : Mummiekisten van het nieuwe Rijk. Tweede Serie. Titel und 8 S.. mit 12 Lichtdruck-
tafeln, darunter eine farbig. "S-Gravenhage 1917.
Ludwig Borchardt, Die Annalen und die zeitliche Festlegung des alten Reiches der ägyptischen
Geschichte (Quellen und Forschungen zur Zeitbestimmung der ägyptischen Geschichte, heraus-
gegeben von Ludwig Borchardt, Band 1). 4. IV, 64 S. mit 8 Abbildungsblättern und 10 Ab-
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Leipzig, ,1. G. Hinrichs'sche Buchhandlung. — Verantwortl. Redakteur Prof. Dr. G. Steindorff, I.eipzig-Gohlis, Fritzsehcstr. 10.
Berlin, gedruckt in der Itcichsdnickerei.